WACKEN OPEN AIR XX / 01.08.2009 – Wacken, Tach 3

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Gnadenlos bombardierte man uns in den Umbaupausen über die großen Videoschirme mit Werbung, neben all den Clips von Beck’s, Wacken-Tube, so’m Wrestling-Spacken (!) etc. gab es auch welche, bei denen man mal aufhorchte: So wurde unter dem Titel „70000 tons of Metal“ eine viertägige Metalkreuzfahrt (40 Bands) durch die Karibik beworben – wahrscheinlich unbezahlbar, aber unwillkürlich sprang das Kopfkino an und lieferte reizvolle Fantasiebilder (eine Mischung aus „Meuterei auffe Bounty“ meets „Spinal Tap“, für den Schluss noch ein wenig „Titanic“). Erbaulich offenbar auch dieses „Brütal Legend“-Game, welches Jack Black in digitalisierter Form auf Gestalten wie Ozzy, Lemmy, Lita Ford oder Rob Halford treffen lässt. Unerträglich mutete dagegen das Video zur offiziellen „Wacken-Hymne“ mit Doro am Gesang an, „We Are The Metalheads“, ein vor Pathos triefender HM-Schlager (inkl. Akustikteil, zu dem in Zeitlupe Wacken-BesucherInnen mit ernst-feierlichen Minen über das Gelände schreiten), der einem stündlich eingehämmert wurde, bis man das Ding nicht mehr aus der Birne bekam, argh.

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Derart pathetisch wurde es bei RAGE lediglich beim Grand Prix-Stinker „Gib dich nie auf“, ansonsten regierte die Band mit mächtig Spielfreude und diversen Gästen. So schmetterte man mit DESTRUCTIONs Schmier zwei Songs; erst „Down“ und – noch besser - „Prayers Of Steel“ aus alten AVENGER-Zeiten. Außerdem erschien Hansi Kürsch und es gab „Set This World On Fire“, „All I Want“ sowie offenbar auf dessen Wunsch „Invisible Horizons“. Schließlich wäre die (noch?) eher unbekannte, aber stimmlich großartige Jen Majura zu erwähnen („Lord Of The Flies“ & „From The Cradle To The Grave“), und Eric Fish (SUBWAY TO SALLY) intonierte das eingangs erwähnte deutschsprachige Dingen. Nicht, dass Peavy stimmliche Unterstützung nötig gehabt hätte – er sang kraftvoller denn je – aber so zelebrierte die Band ihr 25-jähriges Jubiläum doch stimmiger als RUNNING WILD ihren Abschiedsgig. Die Playlist war klasse, deckte viele Phasen der Bandgeschichte ab und war vor allem frei vom Klassikbombast der „Lingua Mortis“-Konzerte. Kleine Randnotiz: Mir fiel auf, dass Peavy bei den höheren Gesangspassagen ständig den Lappen raushängte…

Jetzt kamen drei Bands, die im Nachhinein totale Adrenalin-Putscher waren, sodass es kein Wunder war, dass es mich danach kurzzeitig  – völlig dehydriert und ausgepowert – in die Horizontale wämmste.

Erst legten CATHEDRAL den zweifellos doomigsten Auftritt des Festivals hin. Respekt an die Veranstalter, diese kauzige Truppe auf der Hauptbühne zocken zu lassen – unter Gefahr, zahllose nichtsahnende BesucherInnen zu verschrecken. CATHEDRAL setzten zunächst nicht auf ihre verdaulicheren Songs, sondern warfen den Ultra-Slo-Mo-Gang ein. Lee Dorian schwebte wie der Hohepriester des Doom über die Bühne, beschwor schlangengleich die Instrumente seiner Mitzocker, verschluckte fast das ganze Mikro und erstarrte zombielike mit schräggelegtem Kopf oder strangulierte sich minutenlang mit dem Kabel. Nach verschrobenen Großtaten wie „North Berwick Witch Trials“, „Corpsecycle“ oder „Vampire Sun“ gab es natürlich auch die „Hits“ „Soul Sacrifice“ und „Hopkins (The Witchfinder General)“. Herrlich!

Eine Viertelstunde später TESTAMENT – WHAT THE FUCK? Welche Drogen hat man der Band in die Drinks geschüttet, dass sie ein derartiges Inferno entfachten? Bei mörderischer Lautstärke röhrte Chuck Billy ALLES nieder, die Gitarristen schredderten die Riffs im Affenzahn. So gut habe ich die Band seit ihrem Europa Debut auf dem Dynamo Open Air (1987?) nicht mehr erlebt, echt. Mit sicherer Hand spielte man nur die besten Songs: „The Preacher“, „New Order“, „Over The Wall“, „Practice What You Preach“, „Burnt Offerings“, „Into The Pit“ und “Disciples Of The Watch” als Klassiker, ergänzt durch “D.N.R.” und “3 Days In Darkness” von der “The Gathering” sowie eine Handvoll Songs von der aktuellen Platte, die sich gut einfügten: „The Formation Of Damnation“, „The Persecuted Won’t Forget“ und „More Than Meets The Eye“. Überflüssig zu erwähnen, dass die Leute im Pit sich gegenseitig mit schäumenden Mündern an die Gurgel sprangen…

Und die – mit Abstand – heftigste Bewegung brachten HEAVEN SHALL BURN in den Wacken-Mob: Die Musik gefällt mir ja eh, obwohl gitarrentechnisch ganz schön bei AT THE GATES geklaut, aber die Action auf, vor allem aber VOR der Bühne war einfach nur noch spektakulär. Gleichzeitig unterhaltsam, wie Sänger Marcus Bischoff im tiefen Thüringer Slang die Stücke ansagte. Ähnlich wie Candace von WALLS OF JERICHO ist dieser Typ dermaßen sympathisch, dass die Leute alles mitmachen, was dem gerade einfällt. Und ich meine ALLES: Da ja vor zwei Jahren die Pommesbuden vor der Party Stage in einem großen Circle Pit umrundet wurden, sollte dieses Mal der Soundturm vor der Black Metal Stage genommen werden. Das ist natürlich ein zehnmal so großes Areal… Aber… es haute hin! Kaum zu Ende gesprochen („Lauft schon mal los – ich komm gleich nach“) sah man auf den Schirmen, wie eine unfassliche Menge Menschen sich in Bewegung setzte. Und da erfasste einen auch schon die Stampede… Es gab wirklich einen Circle Pit um den Turm herum, dazu zwei weitere gigantische Pits parallel auf anderen Flächen des Geländes. Das dürfte einen Eintrag im Guiness-Buch wert sein, da steht doch sonst wohl auch jeder Scheiß drin. Danach versuchte ein Besucher tatsächlich, dem Sänger den vor zwei Jahren geforderten Döner zu überreichen, was Marcus mit den Worten konterte: „Sehr aufmerksam, mein Lieber! Leider bin ich Vegetarier. Da hatte ich mich in der Aufregung versprochen – ich meinte eine Falafel. Aber Danke, schenk den Döner deiner Freundin, die wird sich dafür hoffentlich angemessen revanchieren“. Yeah, mit dem EDGE OF SANITY-Cover „Black Tears“ unterstrich die Band noch ihr Faible für 90er Schweden Death Metal.

Tja, wie erwähnt haute es mich nach diesen cremigen Geschehnissen aus den Puschen. Dabei wollte ich nur nett AXEL RUDI PELL gucken (lacht nur – ich hab alle Platten!), nicht schlau war nur die Idee, mir davor noch ‘nen Kaffee zu holen. Drei Tage ohne ausreichend Schlaf und ohne zwischen dem ganzen Bier auch mal Wasser zu trinken – da wurde es mir doch plötzlich bisken schwummrig. Ich legte mich hin, ließ mir die Sonne auf die Birne scheinen, sah komische Punkte vor meinen Augen tanzen und lauschte den RAINBOW-artigen Tönen des Meisters. Ich glaub, „Tear Down The Walls“, „Masquerade Ball“, „Casbah“, „Mystica“, „Fool Fool“ und “Eternal Prisoner” waren dabei, alles klasse gesungen und arschtight gespielt.

Ein Blick auf die Uhr: Mist, gleich TROUBLE! Ich schleppte mich auf allen Vieren zu einer Tränke, sog circa drei Liter Wasser in mich hinein und war flugs wieder fit wie’n Turnschuh. Also runter zum Zelt!

TROUBLE nun also mit Kory Clarke (WARRIOR SOUL) am Mikro statt mit Eric Wagner – wie würde das klingen? Nun, auf eine eigene Art verdammt gut! Es dürfte klar sein, dass sich die Mucke von TROUBLE ohne den extrem charismatischen Gesang Wagners anders anhört. Aber Kory Clarke klang rauer als bei WARRIOR SOUL, gleichzeitig warf er offenbar soviel an Energie und Passion in die Waagschale, wie ihm möglich war. Deutlich spürbar wirkten TROUBLE dadurch wieder ursprünglicher, der Beatles/Hippie-Touch trat zugunsten von höherer Heaviness zurück. Ein neuer Titel namens „Hunters Of Doom“ bestätigte das, denn der ging schön in die Richtung von „The Tempter“! Man sollte nicht vorschnell urteilen, aber die kommende Platte könnte wieder richtigen Doom zelebrieren.

UK SUBS dürfte die einzige Band sein, die dieses Jahr sowohl auffem FORCE ATTACK als auch in Wacken gezockt haben. Ich entschied mich dennoch für die zeitgleich spielenden VOLBEAT. Einfach aus dem Grund, dass ich erstere häufiger gesehen habe, die Dänen tatsächlich lediglich einmal.

Als ich zum ersten Mal eine VOLBEAT-Platte gehört hatte, hatte ich noch gedacht, dass diese Rock’n’Roll-Band eine viel zu metallische Produktion bekommen hat. Mittlerweile ist natürlich klar, dass VOLBEAT eine Metalband ist, die gekonnt Melodien und Stilmittel verarbeitet, die man sonst eher aus Rock’n’Roll, Punkrock oder auch Rockabilly kennt. Und gerade das ist genial und ergibt diese völlig einzigartige Mischung. Ein häufig zu lesender Vorwurf ist ja, dass VOLBEAT-Konzerte wenig spontan wirken, die Ansagen sich gleichen etc. Nun habe ich die Band zum letzten Mal vor zwei Jahren gesehen, und kann nur sagen, dass dat überhaupt nicht so wirkte. Im Gegenteil, Michael Poulsen wirkte völlig locker und umgarnte das Publikum charmant: „Back there it says VIP-area. I don’t get it – YOU are the very important persons here!“ Kaum zu glauben, dass der Typ mal in einer Death Metal Band gesungen hat (Dominus). Übrigens war es wahnsinnig voll, die Leute feierten die Band nach allen Regeln der Kunst ab. Professionell, aber auch mit Elan und Spaß an der Sache (vom bombastischen Sound ganz zu schweigen) präsentierte man u.a. „Radio Girl“, „Sad Man’s Tongue“, „Pool Of Booze“, „The Garden’s Tale“  etc. Die Auswahl der Coversongs zeigte das ganze Spektrum der Einflüsse der dänischen Shootingstars – erst „Angelfuck“ von den MISFITS, später „I Only Wanna Be With You“ und zur Zugabe ballerte man aus Spaß den Anfang von SLAYERs „Raining Blood“. Wenn VOLBEAT ihr Level auf Platte und live halten, kann man von einer langen Karriere ausgehen.

Mir schmerzten zwar mittlerweile die Füße, aber an eine Pause war nicht zu denken, schließlich kann man die Norweger ENSLAVED selten sehen (die parallel zockenden MACHINE HEAD hingegen ständig). Es fanden sich erfreulicherweise viel mehr Leute ein, als ich gedacht hätte, das Areal vor der Partystage war gut gefüllt. ENSLAVED rechtfertigten das Interesse mit einer Performance, die man mit dem abgegriffenen Slogan „mehr als nur Musik“ unzureichend zu beschreiben suchen mag. Psychedelische Projektionen, ein Hauch von Pink Floyd, dennoch extremer Metal mit spiritueller Qualität, wie ihn zurzeit nur sehr wenige Bands zu spielen vermögen (vielleicht WOLVES IN THE THRONE ROOM, ISIS, NEGURA BUNGET oder NEUROSIS – meine eher die Gesamtstimmung als einen konkreten Vergleich). Nach „To The Coast“ war man schon in einer Art Trance versunken, „Fusion Of Sense And Earth“ und „Ruun“ wirkten so, wie es die Red Bull-Werbung verspricht. Immer wieder holten rasende und keifende Black Metal-Attacken die schwarzen Horden auf den malträtierten Boden zurück, unzählige Pommesgabeln erhoben sich  zu „Return To Yggdrasil“ und das finale „Isa“ hinterließ offene Münder sowie zufriedene Gesichter.  

SAXON konnte man nun guten Gewissens wirklich mal einer Pause opfern, irgendwann ist ja auch mal gut und schließlich galt es, für die letzte interessante Band noch einmal Kraft zu schöpfen.-

Wer sind die momentan populärsten Amerikaner? Wahrscheinlich Barack Obama und Michael Jackson. Grund genug für GWAR, genau diese beiden gleich in den ersten fünf Minuten über den Jordan zu schicken, bzw. martialischer ausgedrückt: sie zu köpfen, auszuweiden, mit deren „Blut“ die ersten Reihen zu besudeln… Provokation geglückt: Es gab doch tatsächlich Wacken-BesucherInnen, die schimpfend das Gelände verließen. Leider war der Sound schlecht, was ich besonders bei GWAR schade fand, haftet ihnen doch ungerechtfertigterweise der Ruf an, sie würden lediglich etwas für das Auge bieten, musikalisch aber nichts auf der Pfanne haben. Das ist zwar völlig falsch, die Fähigkeiten der Band gingen so jedoch im Soundbrei unter, der zudem auch noch viel zu leise war. Fans wie AEBA-Drummer Roman (der über den Videoschirm öfters in der ersten Reihe zu sehen war) oder Zarc Harkonnen sangen dennoch grinsend jede Zeile mit. Genial das selten gespielte „Ham On The Bone“ oder der wohl einzige „Hit“ „Sick Of You“. Allerdings muss ich sagen, dass ich die Show von GWAR schon lustiger, hintergründiger und auch spektakulärer erlebt habe. Eine richtige Story wurde nicht deutlich (hab aber auch nicht alles von dem Gesabbel verstanden), man kommunizierte kaum mit den Erdenmenschen (beim Waldrock vor einigen Jahren hatten GWAR ständig ZuschauerInnen auf die Bühne geholt und ins Geschehen integriert) und insgesamt gab es eigentlich keine wirklich neuen Ideen (dass man jetzt nicht mehr George W. Bush vierteilt, ist ja selbstverständlich).

Tscha, natürlich feierten wir noch, bis es hell wurde und man irgendwann die nüchterne Erkenntnis nicht verdrängen konnte, dass es das für dieses Jahr mal wieder gewesen war.

 

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