WITH FULL FORCE XI / 02.07.2004 - Roitzschjora, Tag 1

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„WIDERSTAND IST IRRELEVANT! SIE WERDEN ASSIMILIERT WERDEN!“ Mit diesem borgschen Credo machten wir uns auf den Weg nach Leipzig. Denn angesichts solcher Bands wie DEATH ANGEL, FEAR FACTORY, AGNOSTIC FRONT, HATEBREED, BENEDICTION, IGNITE, CONFLICT, SIX FEET UNDER, DIMMU BORGIR, ROSE TATTOO, MAD SIN, EXPLOITED, HYPOCRISY MELEVOLENT CREATION, NAGLFAR oder HANNS MARTIN SLAYER lässt man sich doch gerne assimilieren. Und im Kollektiv fühlt man sich wohl, da kann man sich willenlos zum Rübeschütteln, Circle Pit-Formen oder Wall Of Death-Bilden befehligen lassen...

Der Strecker von den DISTURBERS begab sich ebenso willenlos in die Rolle des furchtlosen Fahrers und kutschierte uns sicher durch Dörfer wie Delitzsch, Löbnitz, Wissjowitz und Witzwitz. Thanx dafür an dieser Stelle, Strecker! Auch der Abfahrtstermin am Donnerstagabend war gut gewählt, denn so kamen wir irgendwann in der Nacht auf dem Gelände an und umgingen den gefürchteten Anreisestau, in dem andere letztes Jahr über 7 Stunden verbracht hatten. Später hörten wir, dass es dieses Jahr aber wohl gar keinen Stau gegeben hat! Hier muss man auch die Organisation lobend anerkennen, denn reibungslos wurde man von den Ordnern reingewunken und zu einem freien Platz gelotst, wo man dann neben der Karre auch zelten konnte. Gut, Flaschen waren nicht erlaubt, aber das ist eigentlich auch besser so, und diejenigen, die das nicht gewusst hatten, durften am Wegesrand parken und erst mal ohne Hast ihre Kästen und Flaschen leeren. Da sah man in den nächsten Stunden und Tagen so einige Leutchen, die mit dieser Tätigkeit schwer beschäftigt waren... Ansonsten gab es kein Limit in Bezug auf die Menge, die man mitnehmen durfte. Schnell Zelt aufgebaut, ein paar Begrüßungsgetränke verhaftet und die Gegend erkundet, dann hieß es auch schon Heiamachen, denn der Freitag versprach mit vollem Programm inkl. Knüppelnacht bis 05.05 Uhr morgens gleich der anstrengendste Tag zu werden.

Und so erwachten wir einige Stunden später tatendurstig. Das Wetter: Sonnig, allerdings leicht windig. Doch nicht zu vergleichen mit den Sintfluten, die im Norden runterkamen. Überhaupt hielt sich dieser Zustand im Großen und Ganzen bis auf einen heftigen zwanzigminütigen Schauer am Samstach.
Die erste Band im Zelt (im Rahmen des sog. „Hard Bowl“, laut Banner „Europe’s biggest event from Hardcore to Punk!!!”) waren SIDEKICK und wir waren ebenso überrascht wie erfreut, wie voll es im Zelt bereits um 14.00 Uhr war! Das riesige Zelt war bis an die Ränder gefüllt. Da ließen sich SIDEKICK nicht lange bitten und knüppelten ein schönes Hardcore-Brett runter. Erinnerte nicht selten an eine Mischung aus MADBALL und AGNOSTIC FRONT, was hier sehr gut ankam. Da bildete sich glatt der erste Circle Pit und man konnte Roitzschjora-Staub schlucken, den zahllose trampelnde Füße in die Lüfte schleuderten. SIDEKICK brachten auch gleich die erste klare Ansage gegen Faschos auf dem Gelände (und überhaupt natürlich). In den letzten Jahren waren immer wieder Pisser mit eindeutig rechten Symbolen/Tattoos/Shirts gesichtet worden, dieses Jahr habe ich persönlich nicht einen gesehen, eine erfreuliche Entwicklung. Na, jedenfalls ein kraftvoller Auftritt, zumal man gleich zwei Aushilfsleute dabei hatte (u.a. von TEAMKILLER).
Und schon traf man auch die ersten Leute, Christian von KURHAUS lud uns in sein Camp ein. Die Freaks waren doch glatt mit die ersten Leute überhaupt auf dem Gelände gewesen und hatten somit einen unglaublichen Platz erwischt, der sich nur 50 Meter vom Eingang befand! Zum Vergleich: Unser „Zuhause“ befand sich so weit weg, dass wir ca. 20 Minuten schnellen Schrittes latschen mussten... Überflüssig zu erwähnen, dass wir diesen Umstand zur Deponierung diverser Getränke und Schnittken nutzen!
Erstmal aber gab es MAROON auffe Ohren, die auf mich einen weitaus stärkeren Eindruck machten als neulich im Vorprogramm von HATEBREED. Satt und drückend böllerte ihr Metalcore aus den Boxen. Auch hier verbale Prügel für Nazis, dazu sammelte der Sänger Sympathiepunkte, indem er einen Song dem verstorbenen Quorthon von BATHORY widmete. MAROON sind schon sehr metallisch, noch mehr als HEAVEN SHALL BURN. Damit liegen sie voll im Trend, man kann wohl sagen, dass diese Mischung aus Metalmucke und Hardcore-Gesang (sowie –Texten) zur Zeit RICHTIG angesagt ist, was auch die Reaktionen im abermals vollen Zelt untermauerten. Zur Unterstützung holte man sich Burkhard von HATE SQUAD auf die Bühne, der einen Song mitbrüllte. Gut!
Nun meldeten sich allerdings bereits unsere Kehlen und Mägen und so warfen wir auch nur einen kurzen Blick auf TAPE, die eine seltsam mutierte Tina Turner am Mikro kreischen ließen und überhaupt sehr suspekt wirkten. Die REAL MC KENZIES hörten wir so auch nur von fern. Klang aber nett, wie eine Art DROPKICK MURPHYS, die statt den Hardcore-Anteilen eher Punk und noch mehr Melodie bevorzugen. Na, auf dem FORCE ATTACK spielen sie dieses Jahr auch wieder.
Obwohl die REAL MC KENZIES gute 40 Minuten zockten, schafften wir es gerade noch so zurück zu SOILWORK. Wieder mal ein gelungener Gig der Schweden. Der jetzt noch stärkere Wind verwehte zwar öfters den Sound, aber das gab sich, wenn man sich näher zur Bühne randrängelte. Und von nah konnte man auch sehen, wie viel Spaß die Band hatte. Besonders der Bassist ist ein witziger Vogel, der die seltsamsten Verrenkungen vollführt und schön ironisch abpost. Ansonsten ist natürlich die Stimme von Speed ’ne Bank, die besonders bei Songs wie „As We Speak“, „Rejection Role“ oder „Follow The Hollow“ gut zur Geltung kam, wo sich thrashige Attacken mit melodiösen Parts abwechselten.
Danach wieselten wir schnall zum Zelt rüber, wo gerade PETER PAN SPEEDDROCK am Abräumen waren. Woa, da steckte durchaus Energie drin! Der Vergleich mit ZEKE drängt sich förmlich auf, da auch PPS ein Trio sind und ordentlich Gas geben. Diesen Vergleich konnten PPS deutlich für sich entscheiden, da hier viel mehr Bewegung abging und die Songs druckvoller kamen. Hm, irgendein Coversong kam noch, hab vergessen, welcher...
Bei aller Liebe konnten wir auch nicht zu lange verweilen, denn auf der Hauptbühne kündigten sich nun DEATH ANGEL an. Mann, Mann – Freizeitstress pur! Weitergehen, weitergehen, nicht stehen bleiben! DEATH ANGEL legten mal wieder los wie die Feuerwehr und rissen die Menge ordentlich mit. Dieser Band konnte sich wohl keiner entziehen, so sehr ging sie in ihrem Spiel auf. Strecker und ich waren uns einig: Beste Band des Festivals! Was Rob Cavestany an der Gitarre abriss, ließ nicht nur Strecker begeistert nach Luft japsen: „Was der für Sachen spielt! Und dann noch mit einer Lockerheit so auf der Bühne beim Abgehen. Das krieg ich nicht mal zu Hause im Wohnzimmer hin – beneidenswert!“. Yeah, und dann vor allem diese Songs: „Thicker Than Blood“, „Thrown To The Wolves“, „Voracious Souls“, „Mistress Of Pain” und “Seemingly Endless Time” hießen dieses Mal meine Favoriten. Mark Oseguedas Stimme klang absolut wie früher, da gibt’s nach all den Jahren keine Abnutzungserscheinungen. Mehr davon, mehr! (Und dieser Wunsch geht in Wacken in Erfüllung!)
Um das Gesehene verarbeiten zu können, war eine Pause unumgänglich. Die Nähe von Christians Zelt (und sein tschechisches Bier namens „Lech“...) waren da willkommen. Erst Watties Gebrülle lockte uns wieder aufs Gelände: FICK DEM SYSTEM, ey! Zu EXPLOITED kann und braucht man wohl nicht mehr viel sagen. Der Sound war nicht so dolle, Gitarre und Bass klangen scheiße, ziemlich breiig. Dafür stimmte die Songauswahl und Wattie pöbelte ordentlich rum, wovon man zwar kein Wort verstand, aber egal. Statt „Barmy Army“ gab’s dieses Mal „Sex & Violence“, und der Mob gröhlte lautstark mit. Nicht der beste EXPLOITED-Gig, aber auch nicht der schlechteste.
Zum ersten Mal für mich dann im Zelt CALIBAN. Wieder Metalcore, wieder eine LIFE FORCE-Band (hatten die ihr gesamtes Labelprogramm aufs Billing gedrückt?). Nach HEAVEN SHALL BURN wohl die angesagteste Band in diesem Bereich, das Zelt konnte gar nicht mehr alle Interessierten fassen. Und berechtigt, möchte man sagen, denn da wurden zielsichere Riffs rausgebrettert und der Sänger schrie und kreischte, was das Zeug hielt. Auf Platte kamen sie mir nicht so wirkungsvoll vor, aber das hatte Wumms! Christian hatte die Band schon oft gesehen und sprach vom eindeutig bisher besten Gig der Band.
Der enge Durchgang von der Zeltbühne zum Hauptgelände wurde bei solchen Stoßzeiten immer etwas voll, was manchmal abnervte. Warum machen die das Ding nicht breiter? HYPOCRISY wollten natürlich viele sehen und so wurde das Areal langsam RICHTIG voll. Die Tägtgren-Bande spielte routiniert auf und wechselte schnelle Böller mit ihren grandiosen Midtempo-Walzen, die für ordentlich Stimmung sorgten. Bei „Fire In The Sky“ oder „Roswell 47” (von Tägtgren als “Leipzig 47” angekündigt...) sah man am ganzen Horizont hochgereckte Arme – cool.
LIFE OF AGONY sind für mich eher uninteressant und auch Strecker zog ein Picknick am Zelt vor. Es wurden aber offenbar viele alte Songs gespielt, dat konnte man von weitem hören. Eine Stärkung war dringend nötig, galt es doch nun HATEBREED und SLIPKNOT sowie die gesamte Knüppelnacht an einem Stück durchzuhalten!
Und so geschah es dann auch! HATEBREED rüttelten mich wieder richtig wach. Ich muss sagen, dass ich jede Minute genossen habe. Der Sound kam bei einer Klampfe so fett aus den Boxen, dass der Gig richtig Spaß machte. Dieses Mal hatten sie auch „You`re Never Alone“ im Programm, was neulich in der Markthalle vermisst wurde. Man hatte das Gefühl, dass die Band den meisten Leuten schon gut vertraut war – überhaupt waren übers ganze Wochenende HATEBREED mit den meistgetragenen Shirts führend, dicht gefolgt von SLIPKNOT und GOOD NIGHT WHITE PRIDE. Natürlich gab es wieder die üblichen Aufforderungen zu Circle Pits, was langsam langweilig wurde... Immerhin funktionieren die Dinger jetzt in Deutschland! Ich kann mich noch gut an die 80er erinnern, wo wir die Dinger auf irgendwelchen Ami-Live-Videos gesehen hatten und bei unseren Versuchen sowat in Hamburg nachzuahmen kläglich scheiterten, he he (die anderen Konzertgänger müssen sich gewundert haben, warum die zwei, drei Idioten da plötzlich im Kreis rumwetzen)...
Tscha, dann also SLIPKNOT. Die ließen uns allerdings fast eine Stunde warten, was mit der Zeit zu entnervten Pfiffen und Buh-Rufen führte. Ich hatte bis dato nix von der Band gehört, nur die unterschiedlichsten Meinungen vertellt bekommen von „völlig untalentierter Lärm“ bis hin zu „genial abgefahrene Sickos“. Tscha, so konnte ich völlig unbelastet und vorurteilsfrei dem Treiben entgegengehen. Und meiner Meinung nach haben beide erwähnten Seiten Unrecht. SLIPKNOT sind auf jeden Fall gute Musiker, die ziemlich tight aufspielen. Gerade der Drummer kann sich mit Lombardo messen, hat neulich ja auch relativ kurzfristig einige METALLICA-Gigs gespielt. Die Show ist auch sehenswert, da rennen neun Freaks in Masken auf der Bühne rum, zwei hämmern auf irgendwelchen Trommeln rum und es passiert ständig irgendwas. Andererseits ist da aber m.E. ein Bruch in diesem Masken-Image und dem Auftreten des Sängers. Ich hatte mir die Show noch abgedrehter und entpersonifizierter vorgestellt. Ich meine, die haben schon diese Masken, die sie wie Aliens oder Fraggels aussehen lassen, aber dann agiert der Sänger doch als eindeutiger Einheizer mit ziemlich konventionellen Animierungssprüchen. Nicht, dass das schlecht war, aber halt nicht unbedingt sensationell. Die Szene, wo das gesamte Publikum niederknien sollte (und auch mitgemacht hat), um dann auf Kommando aufzuspringen, war schon geil, hat man aber ähnlich schon bei TWISTED SISTER & Dee Snider gesehen. Der Hauptkritikpunkt liegt aber für mich im Songwriting, was im Ganzen für mich nicht so zwingend war. Alles ziemlich auf vordergründig krass gebürstet, ohne dass was hängen blieb. Na ja, sicher Geschmackssache, auf jeden Fall war es unterhaltsam, aber nicht so geil, dass ich mir von der Band jetzt ’ne Platte kaufe.
Außerdem bin ich jetzt böse auf SLIPKNOT, denn durch ihre Verzögerung am Anfang waren DISBELIEF schon komplett fertig, als wir das Zelt betraten... Schade, aber ein Bier später gab es auch schon MALEVOLENT CREATION auf die Ommen. Immer wieder ein Vergnügen! Präzise und gnadenlos feuerten die Bastarde ihr Death/Thrash-Gemisch ins Zelt, was trotz der Uhrzeit (gegen 2.00 Uhr) fett voll war. Die neue Scheibe scheint ein Killer zu sein, jedenfalls wurden diverse Stücke davon gespielt, die alle sofort zündeten. Geil wieder der Gesang von Kyle Symons, der sich mittlerweile voll ins Bild der Band einfügt. Und da unken einige Hundertprozentige noch rum, dass der Typ nicht metalmäßig genug aussehe! Im August übrigens in Kiel!
Die nächste Band konnte sogar noch mehr Bandgeschichte in die Waagschale werfen: BENEDICTION waren dran! Von den Fein- zu den Grobmotorikern sozusagen, he he. Klasse, es ist ein Genuss, wenn die Birminghamer ihren straighten Death Metal bringen. Einige sagen ja, dass dat eigentlich Punk sei... Auf jeden Fall ging’s mal wieder direkt ins Tanzbein und das war auch dringend nötig, denn meine Füße meldeten bereits starken Protest an. Wann steht man sonst so lange rum? Aber der unwiderstehliche Groove der Benediktiner ließ derartige Wehwehchen verblassen. Am besten kamen die Songs von den letzten beiden Scheiben „Grind Bastard“ und „Organised Chaos“ sowie der frühe Kram (man vergaß nicht „Subconscious Terror“ zu zocken), find ich.
He he, wegen des NAGLFAR-Artikels neulich hatte ich offenbar einige Fans zur Verzweiflung getrieben, da diese völlig entsetzt bekennen mussten, von dem Gig in HH nichts gewusst zu haben. Nu, heute konnte für viele die NAGLFARsche Live—Defloration nachgeholt werden. Und wie! Sich offenbar der Tatsache bewusst, dass das Publikum schon halb im Koma lag, legten die Schweden noch ein paar Zacken Geschwindigkeit zu. Vielleicht war meine Birne auch schon so matschig, dass mir die gesamte Außenwelt wie im Zeitraffer erschien... Trotz der infernalischen Geschwindigkeit kamen die Feinheiten des NAGLFAR-Sounds gerade im Gitarrenbereich durch – sauber aufgespielt, meine Herren!
Strecker und ich torkelten nun nur noch zombiemäßig durch die Gegend. Immer wieder verfiel man in einen Sekundenschlaf, bevor einen die volle Lärmwand wieder wie ein Hammer vor die Birne weckte und man erstaunt feststellte, wo man sich befand. He, wie waren MAYHEM? Ich erinnere mich nur noch schemenhaft, aber besonders toll warense nich. Ohne den Schlagzeuger wären sie untergegangen, der hielt alles zusammen. Sach, was du willst, Fremder: MAYHEM zehren von ihrer eigenen Legende, da nützen auch Kapuzenroben und rot ausgeleuchtete Phallus-Symbole auf der Bühne nix. Ächz, nach einigen Titeln hatten wir nu wirklich die Fressen dick und schleppten uns mit letzter Kraft zu unserem Lager, wobei der Marsch plötzlich auf wundersame Weise länger zu werden schien, je weiter man ihn ging. Das ist wohl wie bei dieser sagenumwobenen Insel, die sich immer weiter entfernt, je näher der Reisende sich ihr zu nähern sucht und muss von hungrigen WFF-Besuchern in Kauf genommen werden. Gute Nacht und bis Tach Zwei! - Beitrag von: Philipp

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