SAXON, DREAM EVIL, GUTBUCKET / 22.09.2004 - Kiel, Halle 400

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Es gibt die Konzerte, wo man keine der auftretenden Bands kennt und sich gerne überraschen lässt. Sowas kann geil sein, wennet denn eine positive Überraschung wird... Dann gibt es aber noch die Sorte von Konzis, wo man von der Band JEDEN verfickten Ton kennt und GENAU weiß, was man bekommen wird. Da ich SAXON mittlerweile öfter live gesehen habe als ich Beißerchen in der Fresse habe, fällt dieses Konz ganz unzweifelhaft in letztere Kategorie! Und ich kann dem Kollegen "Bastard", der extra aus Berlin angereist war, nur beipflichten: "SAXON habe ich eigentlich noch nie schwach gesehen!". Von welcher Band kann man das schon sonst behaupten?

Also ab zur Halle 400, die ich noch nie zuvor von innen gesehen hatte. Doch was war das für unsägliche „Musik“, die mir da von weitem entgegenschallte? Da war doch tatsächlich neben der Halle so ein Festzelt aufgestellt, wo unter dem Motto „Oktoberfest“ der grausamste Mutantenstadl abging. Ja, sind wir hier auf der Wies’n? Da ist man froh, innerhalb unserer Republik in größtmöglicher Distanz zum Stoiberland zu leben und dann verfolgen die einen mit ihren Traditionen bis in den Norden! Fuck Off!

IN der Halle wurde mir erneut bewusst, warum ich „größere“ Veranstaltungsorte in zunehmendem Maße abstoßend finde. Ich meine noch gar nicht mal die überteuerten
Eintrittspreise, die fantasievollen Getränkepreise oder das unpersönliche Flair. Nee, RICHTIGE Abzocke war vor allem die Tatsache, dass auf dem Ticket „Beginn: 20:00 Uhr“ stand, GUTBUCKET zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits gespielt hatten! Ich war original um fünf nach acht in der Halle und der GUTBUCKET-Gig war bereits Vergangenheit. Aufgrund der zweiten Vorband DREAM EVIL hatte man die Kieler einfach über eine halbe Stunde früher auf die Bretter geschickt. Immerhin seien da bereits über 200 Leute da gewesen und hätten ordentlich Applaus gespendet, berichtete mir der trotz allem zufriedene Bassist Battermann.

Der Abend sollte gleich den nächsten Dämpfer bekommen, als die Schweden DREAM EVIL die Bühne betraten... Was für Spacken! Schon optisch die totale Realsatire, sahen sie doch aus, als sei Omas Klamottenkiste explodiert. Nach dem Motto „wenn wir mit der Mucke nix reißen, müssen wir voll das geile Image haben“ hatten die Nasen sich in Kostüme gezwängt, die einfach nur lächerlich waren. Captain Future meets Alice im Wunderland... Schlimmer jedoch die VÖLLIG uninspirierte Musik! Da kam NIX rüber, der Sänger war völlig durchschnittlich, die Gitarristen recycelten die ollsten Riffs von der Stange, die Darbietung der Songs kam saft- und kraftlos (einzige Ausnahme der fitte Drummer Snowy Shaw). Mann - wenn ich Heavy Metal sage, meine ich Schweiß und Action, nicht ödes Rumgestehe auf der Bühne und abgeschmackte Posen. DREAM EVIL wirkten wie eine drittklassige Schülerband, wobei ich LIEBER eine Schülerband gesehen hätte, die versprühen meist wenigstens Enthusiasmus. Jedes Vorurteil, welches über Metal so rumgeistert – Metal sei „cheesig“ zum Beispiel - wurde hier bestätigt. Und dabei gibt’s so amtliche junge Bands in Schweden, die einfach nur leidenschaftlichen Metal spielen – hättet ihr uns doch nur WOLF oder HELLFUELED rangeholt!

Okay, konnte es noch schlimmer werden? Ich erahnte die Antwort, als sich ein fetter, verschwitzter Kuttenträger näherte und sich mir um den Hals warf. Was zur Hölle? Der Typ stank (nicht nur aus dem Hals), war schmierig und offenbar extrem kontaktbedürftig. Seine Bierwampe, die er fest an mich drückte, presste mir fast die Luft aus den Lungen, sein Schweiß klebte schon an meiner Wange, weil er seinen Schädel an meinem rieb. Obendrauf rotzte der Typ eine Spuckbrosche nach der anderen raus, während er völlig hysterisch auf Englisch auf mich einredete. Englisch? „Please sign my shirt!“ – ich will lieber nicht wissen, mit wem der Asi mich wohl verwechselt hat! Kollege Stefan zeigte sich als Retter in der Not (während die restlichen Umstehenden sich an meinem Unglück weideten): „Wir müssen doch los!“ rief er aus und ich erkannte, dass FLUCHT in der Tat die einzige Option war! „Yeah – we gotta go!“ schrie ich und mir machten uns gen Tresen auf. Doch der Typ versuchte sich festzuklammern – wir gingen schneller – er folgte uns! Es begann eine regelrechte Verfolgungsjagd quer durch die Halle 400. „Nach vorne!“, schrie ich, „Er ist immer noch hinter uns“ japste Stefan. Irgendwann war es geschafft – der Macker war abgehängt. SIEG! Eine gewisse Restnervosität blieb allerdings und ich erwischte mich des Öfteren bei hospitalistisch anmutendem Hin- und Hergestarre....

Irgendwann begannen aber doch noch SAXON und alle Misslichkeiten wurden beiseite gefegt! Heissa, wat war das geil, als die wie immer bestens aufgelegte und spielsouveräne Truppe einen Knaller nach dem anderen rausrückte. Vor allem Biff war gut gelaunt und feuerte das Publikum an, alles zu geben. „Hey – JUMPING! I’m older than you people“! SAXON haben mit der neuen Scheibe „Lionheart“ im Rücken auch allen Grund positiv in die Zukunft zublicken, denn das Ding ist wirklich eine ihrer besten Platten überhaupt. Man startete deshalb auch selbstbewusst mit einem Song der Platte, nämlich „Lionheart“, welches m. E. schon sehr bald in einem Atemzug mit Klassikern wie „Crusader“ genannt werden wird. Überhaupt fiel positiv auf, dass die Playlist extrem unterschiedlich im Vergleich zum WACKEN-Gig war. Klar, Klassiker wie „Princess Of The Night“, „Wheels Of Steel“, „Heavy Metal Thunder“, „Power And The Glory“, „The Eagle Has Landed“, „Backs To The Wall“ oder „Crusader“ durften nicht fehlen, aber die Briten brachten auch viele Songs der jüngeren und mittleren Phasen. „Unleash The Beast“, „Drangons Lair“, dat KING CRIMSON-Cover „Court Of The Crimson King“, „Are We Travellers In Time“, „Dogs Of War“, „Solid Ball Of Rock“ oder „Broken Heroes“. Da fällt einem mal wieder auf, wie viele Volltreffer auf das Konto von SAXON gehen und dass man die Band nicht nur an ihrer Vergangenheit zu messen braucht! Immer wieder auch Songs der neuen Scheibe wie „Witchfinder General“ (geil!!), „English Man ’ O ` War“, „Beyond The Grave“ oder „Flying On The Edge“, die gut abgefeiert wurden, obwohl viele sie mit Sicherheit zum ersten Mal hörten. Die Solo-Einlagen waren natürlich wie immer überflüssig, waren aber zum Glück kurz gehalten und darüber konnte man bei über 2 Stunden 20 Minuten Spielzeit auch mal großzügig hinwegsehen. Für ordentlich Druck sorgte Jörg Michael am Schlagzeug – gut, dass der die Tour mitfahren konnte, was wegen der verworrenen Lage bei STRATOVARIUS bis vor kurzen noch unklar war. SAXON haben sich über all die Jahre diese gewisse Frische und Unbekümmertheit bewahrt, welche die NWOBHM für mich immer ausgemacht hat (sieht man über ihre „kommerzielle“ Phase von „Innocence...“ und „Destiny“ mal hinweg). Und Biff hat’s einfach drauf, den Leuten einzuheizen, ohne in Stereotype zu verfallen. Der Kerl sorgt doch immer wieder für Lacher, etwa wenn er plötzlich Monologe mit einem streikenden Mikro führt oder die Banger auf dem Balkon vorführt („Back in the 80ies, when peolple stood on the balcony, we used to say they are pussies!“)... Fazit: Ein Tourauftakt nach Maß, SAXON überzeugten wie erwartet, die Halle 400 war gut gefüllt und das Publikum begeistert. THE EAGLE HAS LANDED... AGAIN!
- Beitrag von: Philipp

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