DEPRESSIVE AGE-Symbols For The Blue Times-Electric Scum

0 Dislike0

DEPRESSIVE AGE

DEPRESSIVE AGE

Symbols For The Blue Times/Electric Scum

 

Krank sein ist ja zunächst mal ätzend. Der einzige Vorteil besteht darin, dass man viel Zeit zum Musikhören hat. Und Muße zum drüber Schreiben. Die Gelegenheit für ein weiteres Klassiker-Review. Beziehungsweise zwei gleichzeitig, weil ich mich nicht entscheiden konnte, welche Platte denn nun toller ist.

 

Die Ostberliner DEPRESSIVE AGE haben auf ihren vier Alben in den 90ern ein Feuerwerk an Ideen abgebrannt, das wahrlich selten einer einzigen Band beschieden ist. Damals war das noch möglich, heute gibt es nach Meinung von Plattenfirmen ja offenbar nur noch wenige veröffentlichungsfähige Songschablonen, was zu Hypes wie Metalcore, Emo und ähnlichen kreativen Bankrotterklärungen geführt hat. Aber ich schweife ab…

DEPRESSIVE AGE waren unkategorisierbar und sind es bis heute. Sie schafften es als eine der wenigen Bands überhaupt, auf jedem Album grundlegend anders zu klingen, aber immer sofort erkennbar zu sein und befinden sich damit in guter Gesellschaft anderer Visionäre wie VOIVOD. Leider gilt das auch für ihr kommerzielles Scheitern.

 

Auf Album Nr. 3, „Symbols For The Blue Times“ nahmen sie den Thrash Metal früherer Tage größtenteils raus, fügten dafür etwas Alternative Rock und, nun ja, VOIVOD hinzu und mischten eine Extraportion Melancholie drunter. Gerade letztgenannte Zutat machte sie so einzigartig und bescherte uns solche Seelenschmeichler wie „Garbage Canyons“, „Port Graveyard“ oder „Rusty Cells“. Ausnahmesänger Jan Lubitzki durchleidet seine dunklen Texte wie niemand sonst und rührt auch harte Männer wie mich immer wieder zu Tränen. Große, tief traurige Melodien, prägnante Riffs und eine düstere Atmosphäre kennzeichnen diese Platte, die keinen schwachen Song enthält.

 

Auf dem 4. und letzten offiziellen Album, „Electric Scum“, warfen sie dann das Rockige des Vorgängers wieder über Bord und schmückten die Songs mit Samples und abgefahrenen Keyboardsounds aus. Auch dies geriet zum Volltreffer, denn die Elektronik kleisterte nicht, wie so oft, nur den guten Song zu, sondern unterstützte wiederum eine völlig eigene, depressive Atmosphäre. Davon zeugen Großtaten wie der Titelsong, „New Machine Wisdom“ oder „Polar Athletic Son“. Ansonsten gilt, was auch für den Vorgänger galt: Diese Musik nimmt einen gefangen und zeigt, wie schön bittersüß Schmerz sein kann. Ausnehmen muss man hier einzig das Cover von „Small Town Boy“. Ist zwar Geschmackssache, aber ich finde schon das Original derart scheiße, dass man vom einzigen Ausfall des Albums sprechen muss.

 

Zu guter Letzt hatten die Jungs den Flow einer gut eingespielten Band und beherrschten ihre Instrumente, so dass die Edit- und Triggerseuche glücklicherweise an ihnen vorüber ging (damals war das allerdings auch noch nicht so verbreitet). Das führt auf beiden Platten zu wunderbar warmen, echten Sounds, ohne Klickerklacker-Geräusche auf dem Schlagzeug, virtuelle Amps und ähnliche Unbill.

Wer jetzt tapfer durchgehalten und dieses lange Review zu ende gelesen hat, ist hoffentlich schon im Netz auf der Suche oder wie?

 

P.S. Vor ein paar Jahren kam übrigens ein in Eigenregie und mit anderer Besetzung aufgenommenes Album raus, das auch klasse ist, aber nicht ganz die Magie der alten Teile versprüht.

 

Hendrik

 


 

---Punkte: 10

Kommentar schreiben


Sicherheitscode
Aktualisieren

Stern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktiv