HEADBANGERS OPEN AIR VIII / 09.07.05 - Brande-Hörnerkirchen, Tag 2

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Tach zwei in Brande-Hörnerkirchen (wobei einige auch schon auf der Warm-Up-Show in der Cantina gewesen waren)! Immer wieder schön und überraschend gleichzeitig, auf wen man da so alles trifft. Auf welchem Festival stolpert man kurz nacheinander über so unterschiedliche Lichtgestalten wie Otger Jeske (Ex-IRON PAGES) oder Möhre von 4K (okay, der wäre kaum gekommen, wenn er nicht um die Ecke wohnen würde, aber ich dachte trotzdem, dass mich der Schlag trifft, als ich den inmitten von kuttentragenden Metallern sah)? Oder natürlich Ville, den Feinripper himself, der heute Abend noch einen ganz großen Auftritt haben sollte...? Aber ich will nicht weiter mit Namedropping nerven, wenn es doch so viele andere Dinge zu berichten gibt: Es war nicht zu schaffen: Bereits um 12.00 sollte mit CARPE DIEM die erste Band spielen. Hätte ich mir schon gern angeguckt, aber es sollte nicht sein... Denn unser Camp war zu gemütlich – Stefan und ich in diesem Jahr erstmalig mit diesen ausklappbaren Regiestühlen ausgestattet (7,77 Euro im Dänischen Bettenlager – der Festival-Sommer ist noch nicht zu Ende...) und Eusophobia-Magnus gar mit Pavillon, was bei diesen Temperaturen gut tat. Wo soll das noch hinführen – irgendwann sitzen wir da auch mit Kühlschränken und allem Gedöns und gucken uns keine Band mehr an... Immerhin traf ich danach Sacha aka Sir Lord Doom, der mir erzählte, dass er gar nicht mehr der Sänger von CARPE DIEM sei, er singe nach wie vor bei den Kauz-Metallern TITAN STEEL (früher RITUAL STEEL). Unsere Konversation wurde indes gestört, da ein ungeschickter Besucher aus Versehen den Stand von Bekannten umstürzte und wir uns befleißigten, die in den Staub gefallenen Devotionalien aufzusammeln.

Da starteten auch bereits MYSTERY BLUE aus Straßburg, einer Band deren Roots in den frühen Achtzigern liegen, die sich aber erst seit 1996 im aktuellen Line-Up mit der Sängerin Nathalie zusammengetan hat. Ganz ehrlich: Ohne diese Stimme wäre die Band nur halb so spannend, denn selten hat man im härteren Rock’n’Roll eine Frau, die weder röchelt noch opernhaft trällert. Diese Frontlady hingegen singt im Stile klassischer Metal-Kopfstimmen-Sänger richtig kraftvoll, melodiös und witzigerweise in hohen Stimmlagen, von denen man annimmt, das sie Frauen leichter fallen müssten als Männern... Für Laune sorgte das MANOWAR-Cover „Metal Daze“, welches recht originalgetreu gespielt wurde.

GUN BARREL fielen einem konspirativen Treffen in unserem Camp zum Opfer, MIRROR OF DECEPTION wollte ich aber unbedingt sehen und machte mich rechtzeitig wieder auf die Beine. Kurz bevor die Doomer loslegten, verdunkelte sich der Himmel, Regenwolken zogen auf und mit dem lautesten Donner, den ich jemals gehört habe, begann ein kurzes Gewitter. Ohne Scheiß, der Blitz muss SEHR NAH eingeschlagen haben, denn der Donner war so laut, dass etlichen Leuten die Kannen aus der Hand fielen und nicht wenige ordentlich zusammenzuckten. Nun, das alles passte natürlich ganz hervorragend zu MIRROR OF DECEPTION, denn gutes Wetter und düsterer Doom widersprechen sich ja doch irgendwo. Trotzdem musste die Band selber grinsen, als gerade von „clouds covering the darkened skies“ gesungen wurde... Übrigens hatte man mit Matze von SACRED STEEL einen Aushilfsdrummer dabei, der wohl nur zwei Proben zur Vorbereitung gehabt hatte. Wow, dafür hat das richtig gut geklappt, lediglich ein Song musste abgebrochen werden, weil er zunächst nicht hinhaute. Der wurde aber später als Zugabe und zur Ehrenrettung von Matze glücklich wiederholt. Schöner Gig, auch wenn ich den Gesang nicht immer überzeugend fand.

Mit GASKIN war die zweite NWOBHM-Band an diesem Wochenende an der Reihe, einer Band, die im Gegensatz zu WEAPON mehrere Longplayer und eine SEHR bewegte Geschichte aufzuweisen hat, versank Bandchef Paul doch mehrfach in der Drogenabhängigkeit und musste sich in seinem Leben immer wieder aus schweren Depressionen inkl. Selbstmordversuchen kämpfen. Paul war dementsprechend und für jeden ersichtlich begeistert, dass sich trotz der langen Auszeiten immer noch viele Leute an Songs wie „End Of The World“ oder „Sweet Dream Maker“ erinnerten. Grinsend zockte er die Songs an Klampfe und Gesang und konnte sich ansonsten auf seine sehr fitte Band verlassen.

Roh, wild und gemein – so lassen sich danach UNDERCROFT wohl am besten beschreiben. Heftigster Death/Thrash aus Chile, der mit krassem Sound runtergeböllert wurde – der Bass ließ Magenwände vibrieren... Kein Wunder, dass der Bassist und Sänger schnell eine Saite zerschreddert hatte! Nur für die Gossip-Freunde: Gerüchtet wurde, dass die UNDERCROFT-Jungs zu Hause in Chile Frauen und Kinder hätten, von denen sie sich mit den Worten „wir gehen mal für ein paar Wochen auf Deutschland-Tour“ verabschiedet hätten – vor ein paar Jahren! Kann natürlich nur Quatsch sein, FAKT ist, dass die Typen sich seit längerer Zeit in HH eingezeckt haben...

Eine DER Überraschungen des achten H:O:A stellten ALL SOULS DAY aus Italien dar! Richtig schwerer Doom mit grandiosen schwermütigen Melodien, welche von dem hervorragenden Sänger in Szene gesetzt wurden. Echt erstaunlich, wie viele gute Bands es in diesem Bereich zu entdecken gibt (gerade, wo mit dieser Musik kaum eine müde Mark zu verdienen ist, sie daher ausschließlich von echten Liebhabern gespielt wird). Hatte ich schon bei einigen Passagen an die wohl einzige kommerziell erfolgreiche Doom-Band CANDLEMASS gedacht, gab es auch ein Cover der Pioniere, und zwar „Under The Oak“ von „Tales Of Creation“ bzw. „Epicus Doomicus Metalicus“. Die Version geriet richtig gut, bei dieser Stelle “My heart, bleeding for my race / The traces of mankind swept out by the hands of our lord” hatte bestimmt nicht nur ich ‘ne feiste Gänsehaut. Wow!

Oh Mann, und gleich danach ein weiterer Höhepunkt, die kultigen WARRANT! Natürlich die dt. WARRANT, nicht die „Cherry Pie“-Namensvetter aus den Staaten.... Obwohl „First Strike“ und „The Enforcer“ schon ewig her sind, haben WARRANT Kultstatus (oder gerade deswegen?) und wurden von einem gut gefüllten Platz begrüßt. Vom ersten Ton an herrschte gute Laune vor und auf der Bühne, der fixe Speed Metal nagelte präzise aus der PA und die Band holzte sich durch alle Songs der beiden Platten. Man war sich nicht für Albernheiten zu schade und wenn man schon nicht soviel Knete wie MAIDEN mit ihren 20-Meter-Eddie hat, steckt man halt einen Kumpel in ein Henkersgewand, drückt ihm ein Hackebeil in die Hand und lässt ihn als „Enforcer“ einige Platten und Shirts in die Menge werfen... „Warum seid ihr bloß so beschissen geil drauf?“ freute sich Bassist/Sänger Jörg Juraschek über den Enthusiasmus der Leute. Vielleicht, weil Songs wie „The Rack“, „Ready To Command“ oder „Torture In The Tower“ einfach geile Abgehstücke mit Superrefrains sind und gezockt wurden, als wäre es gerade 1985?

Was war dann? Ach ja, WIZARD sollten kommen, die deutschen True-Metaller und erklärten „th“-Feinde („in tse Tsign, in tse Tsign, in tse Tsign of tse Witsard“, hä hä), doch wir erklärten ein weiteres Rock’n’Roll-Barbecue für angebrachter und flüchteten flugs vom Gelände. Ich hatte nun das Problem, dass irgendwie das Bier nicht mehr so richtig flutschte. Ihr kennt das sicher, man kriegt nur noch so ’nen Blubberbauch – schrecklich. Doch man muss ja auch nicht ständig Bier saufen und Stefan hatte vorgedacht und packte Wodka samt Ahoi-Brause raus sowie seine patentierten Havanna Club/Cola-Mischungen, die er wie immer mit perfekt geachtelten Limetten servierte Thanx und Prost!

CALL ON THE ATTACKER! Die US-Metaller mit einem der unglaublichsten Gummi-Monster-Cover der Metalgeschichte (nämlich “Battle At Helms Deep” in der Roadrunner-Version) betraten die Bühne …und frästen eine Axt nach der anderen durch unsere Köpfe! Wie bei HEATHEN gab es Hammergitarren in atemberaubender Geschwindigkeit abzufeiern. Sehr druckvoll! Der Sänger gab alles und schien bei jedem Song noch ein Pfund mehr draufzugeben. Mit jedem Song der beiden Platten von ’85 („Battle..“) und ’88 („The Second Coming“) hatten sich ATTACKER damals wohl gedacht: „Wow, diese Maiden-Typen sind nicht schlecht, aber das können wir auch – doppelt so schnell!“ So dachte ich bei Killern wie „Lords Of Thunder“, „Downfall“ oder „Desecration“, dass mir gleich der Kopf explodiert. Auch Möhre wurde rübeschüttelnd (fast) in der ersten Reihe gesichtet und Ville hatte plötzlich eine Mission: Er befand sich auf schwerer Knutschtour durch das gesamte Publikum und packte sich jeden noch so verschwitzten Banger, um ihm/ihr einen saftigen Schmatzer auf die Wange zu drücken! Har, har – sah göttlich aus – die meisten mussten grinsen, aber ich sah auch einen Typen, der unseren lieben Ville mit geschockter Miene wegstieß und wütend mit dem Fuß aufstampfte. Hat wohl Angst gehabt, dass er gleich schwul wird... Klar der Höhepunkt des zweiten Tages!

Und gleich das nächste US-Metal-Brett! Wer hätte gedacht, dass man TYRANT’S REIGN tatsächlich irgendwann live sehen würde? Kann mich noch gut an den Tag erinnern, als ich dem ollen Hegewald ein pressfrisches Exemplar von „Year Of The Tyrant“ aus den Griffeln gerissen hab als wäre es gestern – und nu standen die Urheber dieses mittlerweile als Klassiker geltenden und für horrende Summen gehandelten Machwerkes plötzlich vor mir. Im Vergleich zu ATTACKER hatten sie zwar einen etwas schwächeren Sound und nur einen Gitarristen am Start, doch die genialen Songs machten vieles wett. Die Stimmung blieb sehr gut, wie man überhaupt sagen muss, dass die Besucher eigentlich bei jeder Band ordentlich Applaus spendierten und nie Lücken vor der Bühne aufkamen. Wenn ich mich recht entsinne, waren zwei neue Songs dabei, die glücklicherweise keine ungewollte Modernisierung des Stils brachten. TYRANT’S REIGN waren für mich fast so überzeugend wie ATTACKER, Stefan wies daraufhin, dass sie auf dem letzten KEEP IT TRUE-Festival deutlich stärker gewesen seien, möglicherweise, weil sie dort mit zwei Gitarristen aufgetaucht waren.

Hm, bei DAMIEN THORNE war dann aber langsam die Luft raus. Klar, die erwähnten Fans in den ersten Reihen machten unermüdlich weiter Druck, aber hinten dünnte es sich doch zusehends aus. Der Sänger war engagiert und ausdrucksstark, der Rest der Band wirkte jedoch recht seltsam – vor allem der Bassist sah aus, als sei er auf Valium und starrte manchmal wie ein hypnotisiertes Kaninchen vor sich hin, bevor er sich schüttelte, als müsse er sich gerade daran erinnern, dass vor ihm Leute stehen und er einen GIG hat. Obwohl ich den Klassiker „The Sign Of The Jackal“ damals sehr geschätzt habe, kam mir das Songmaterial heute auch wenig bangkompatibel vor, eher komplex bis kauzig. Schlecht waren DAMIEN THORNE nun nicht, musikalisch sowieso nicht, aber nach all den Burnerbands heute waren viele einfach im Arsch.

So zog es uns vorzeitig zum Zeltplatz, wo noch eine nette Party seinen Verlauf nahm. Es begab sich, dass wir auf das Thema kamen, welche Underground-Perlen man in den nächsten Jahren noch aufs H:O:A holen könnte und wir kramten nach einigem Brainstorming unglaubliche Namen aus unseren Hirnen. Schon witzig, was für eine Menge an trivialen Informationen man in seinem Leben so abspeichert. Jeder Gast unserer Party erwies sich eigentlich als lebende Datenbank und so hörte man uns noch gegenseitig Bandnamen an die Köppe werfen, als es schon lange wieder hell war: „KRATOS, Alter!“ – „Wow, ey – ‚Iron Beast’ hieß die Pladde!“ „Äh, A II Z“ – „Ho Ho – ’The Witch Of Berkeley’, nicht schlecht” – “BACKWATER, ey!“ “Boah, Metal!” und so weiter und so fort und wenn sie nich gestorben sind, dann sitzen sie bald schon auf’m näxten Open-Air... - Beitrag von: Philipp
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