NEVERMORE, SYMPHONY X, PSYCHOTIC WALTZ et al / 17.03.2011 – Hamburg, Markthalle

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Noch heutzutage faseln selbsternannte Musikexperten von der These, in den Neunzigern sei „der Metal tot“ gewesen. Ein verächtliches Lachen hat darüber übrig, wer an nächtelangen ekstatischen Konzerten von PSYCHOTIC WALTZ teilgenommen hat, um nur mal ein Beispiel zu nennen. Dreistündige Zockungen waren bei der Band keine Seltenheit, Limitierungen nicht nur zeitlicher Art waren diesen Freaks fremd. Und obwohl sie etwas völlig Neues kreiert hatten, sind sie dennoch klar Metal gewesen, haben sie noch heute einen Platz in der Faveliste so manches KIT-Besuchers.

Und nun, nach 14 Jahren seit der Auflösung, die Rückkehr.

Man kann sich aus Sicht von PSYCHOTIC WALTZ darüber streiten, ob nicht eine kleinere Tour als eigener Headliner für die HörerInnen angenehmer gewesen wäre als dieses Mammutprogramm mit fünf Bands. Sollte dies als eine Art Testballon gedacht sein, ob die Amis überhaupt noch eine Hörerschaft in Deutschland/Europa haben, so war die Aktion allerdings ein voller Erfolg…

Dies zeigt sich bereits am Merchstand, der den ganzen Abend über belagert wurde. PSYCHOTIC WALTZ haben nicht nur schicke Shirts am Start, sondern erstmals (oder?) alle vier Tonträger auf Vinyl dabei (remasterte CD-Versionen gibt es auch). Schluck, warum hat mir das keiner im Vorfeld gesagt? Es gibt sogar ein extrem limitiertes Boxset mit einer Bonusplatte (Demos etc), allerdings finde ich den Preis von 100,- Euro vergleichsweise hoch. Wenn man die vier Vinyls einzeln kauft, zahlt man 65,- Euro, somit kosten der Pappschuber und die Zusatzscheibe 35,- Euro? Da entscheide ich mich für die schlanke Variante und hole mir lediglich das Debut „A Social Grace“ auf Vinyl. Kann ich definitiv weiterempfehlen – hervorragender Klang, Doppel-Vinyl in Purpur und Violett, 180 Gramm, Klappcover und zusätzliches Artwork auf allen Innenhüllen. Überhaupt kommen die Farben und Details des brillanten Covers so erst wirklich zur Geltung.

Obwohl wir um 17.00 Uhr in Kiel gestartet sind, spielen THAUROROD schon. Erstaunlich, wie voll es bereits jetzt ist. Offenbar ist die Tour zum Teil ausverkauft, und das, obwohl zur Zeit alles unterwegs ist, was kreucht und rübeschüttelt. Die Finnen können mich mit ihrem Prog/Power Metal überhaupt nicht begeistern. Vor allem die Gute-Laune-Attitüde im EDGUY/SCORPIONS-Stil erzeugt bei mir eher Sodbrennen. Natürlich mag ich Bands/Musiker, die Spaß auf der Bühne haben, aber nicht so fürchterlich aufgesetzt und peinlich. Erinnert mich irgendwie an so eine fiese Dorfmetalband namens UNITED FOUR, die immer im Eingangsbereich vom Kieler CAP spielen, wenn ich da mal aus Versehen vorbeigehe…

Naja, MERCENARY sind nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Dafür ist diese Mischung aus Power Metal und heftigeren (Death) Metal-Passagen nicht originell genug, auch der Gesang nicht wirklich charismatisch. Die dänische Band ist dabei technisch fit, der Sänger sympathisch. Positiv ist bei beiden bisherigen Bands allerdings der klare Sound hervorzuheben, kein Vergleich zum OVERKILL-Konzert am Vortag.

Nu aber. Ich hatte schon erwartet, dass PSYCHOTIC WALTZ in diesem Rahmen gut ankommen würden. Dass sie aber den deutlich (!) höchsten Zuspruch einfahren, sowohl was die reine Reaktion als auch die Fülle im Saal betrifft, überrascht und erfreut. Unter – keine Übertreibung – ohrenbetäubendem Jubel rollt der querschnittsgelähmte Gitarrist Brian auf die Bühne, es folgen die anderen Mitglieder der Originalbesetzung (Devon Greves weist im Verlauf des Abends darauf hin, dass nur diese Besetzung PW repräsentiere). Los geht es mit dem psychedelischen „Ashes“ und die typische Atmosphäre, die man von damals noch gespeichert hat, ist wirklich wieder da. Der Fluss des Zusammenspiels, diese unvergleichliche Stimme (null Einbußen zu verzeichnen) und die ganze Präsenz der Band ziehen damals wie heute in den Bann. Es folgen „Haze One“, „Into The Everflow“, „Morbid“, „Halo Of Thorns“ (yeah!), “Nothing” und “I Of The Storm”, viel zu wenig Songs natürlich, aber Devon Greves verspricht uns eine eigene Tour mit ausgedehntem Programm. Auch ein Augenblick, der mich an einen früheren Auftritt im Knust erinnert: Der Sänger hebt in einer Spielpause zu einer Ansage an, muss aber aufgrund des aufbrandenden Jubels mehrfach ansetzen. Bewegend seine Äußerung, als er versichert, dass die Band sich unsicher gewesen sei, was sie nach 14 Jahren Pause zu erwarten habe und diese Reaktionen erst mal verarbeiten müsse. Gibt es also aus Sicht des stets nörgelnden Rezensenten überhaupt Kritikpunkte? Höchstens die Tatsache, dass „I Remember“ nicht im Set ist und dass im Zusammenspiel der Band im Vergleich zu früher noch ein wenig Luft nach oben ist. Ansonsten: pure Magie.

Es glänzen noch so einige Augen, als SYMPHONY X loslegen, aber kann diese Band ein derartiges Level halten? Ich bin von vorneherein skeptisch, scheine kurzfristig eines Besseren belehrt zu werden, doch auf Dauer zeigt sich, dass die US-Metaller ihre Songs stets nach einem identischen Strickmuster aufziehen. Zunächst fällt zwar positiv auf, dass der vollbärtige Sänger ein stimmgewaltiger und mitreißender Frontmann ist und die Stücke zum Teil auch Dampf haben. Aber der ewig dudelnde Gitarrist zockt irgendwie in jedem Stück dasselbe Solo und so richtig hängen bleibt auch nichts. Die Band hat allerdings nicht wenige Fans in der Hütte, welche textsicher mitgehen, und die das sicher ganz anders sehen.

Erst NEVERMORE vermögen meine Lebensgeister wieder zu wecken, nachdem ich bei SYMPHONY X gegen Ende fast in Sekundenschlaf verfalle. Warrel Dane ist klasse bei Stimme und mit „Inside Four Walls“ hat man gleich einen guten Opener. Die Band zeigt sich trotz veränderter Besetzung spielsicher, Jim Sheppard kann nach seiner offenbar erfolgreich verlaufenen Operation (Hirntumor) noch nicht auf Tour gehen und wird durch Bassistin Dagna Barrera vertreten, für den ausgestiegenen Chris Broderick ist ein Typ namens Attila Voros aus Ungarn dabei. Alles natürlich Profis, die nichts anbrennen lassen, insofern ist es bemerkenswert, dass gerade Warrel Dane einen Patzer beim zweiten Song („Moonrise“) hinlegt und sich das mit einem hörbaren „Fuck“ auch anmerken lässt, he he. Highlights gibt es diverse, für mich sind es „Your Poison Throne“, „Born“, „The Heart Collector“, “This Godless Endeavor” sowie “Enemies Of Reality”. Angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit und der Tatsache, dass PSCHOTIC WALTZ derart abgeräumt hatten, ist es erstaunlich, wie viele BescherInnen nicht nur “durchhalten”, sondern die Band bis zum Schluss feiern.

Als Fazit bleibt natürlich dennoch festzuhalten, dass weniger Bands angenehmer gewesen wären, glaub kaum, dass mir da jemand widerspricht. Und: MEHR PSYCHOTIC WALTZ!

Kommentare   

0 #5 Philipp 2011-03-21 19:05
Nicht? Dachte, ich hätte es auch hier gelesen. Vielleicht auch verwechselt...
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0 #4 Matt 2011-03-21 18:32
Hmm, wer lesen kann, ist mal wieder klar im Vorteil... aber wo denn, isch kanne nix sehen.
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0 #3 Philipp 2011-03-21 18:10
Es stand auch hier im Kalender, Matt. Aber bei DEFEATER neulich ging es mir auch so. Ist wahrscheinlich einfach ZU VIEL los.
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+1 #2 Matt 2011-03-21 07:56
Und ich dachte immer, ich sei der einzige PSYCHOTIC WALTZ Fan außer mir. Warum hab ich das bitte nicht mitgekriegt???
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+1 #1 Jazzafire 2011-03-20 20:32
Ich könnt mich zu Tode ärgern, dass ich nicht da war! So ein Mist! D:
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