THROUGH THE NOISE Tour / 16.04.2011 - Köln, Essigfabrik

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Nach wie vor kann mich keine neu entdeckte Band so sehr begeistern wie die norwegischen Freaks von KVELERTAK, die mir letztes Jahr über Dremu zu Ohren gekommen sind. Rationalerweise treibt mich mein loderndes Groupietum nicht ins nächste Tattoo-Studio, um fortan meinen Idolen mit einem Arschgeweih-Schriftzug zu huldigen. Stattdessen verprasse ich vermutlich den gleichen Betrag für Konzert- und Bahnticket und bummel über 400km durch 'Schland. Destination: Köln. Durch den Lärm von COMEBACK KID, THE GHOST INSIDE, KVELERTAK, GRAVEMAKER und SOCIAL SUICIDE. Hier der Reisebericht...

Freitag, 14:40Uhr, überfüllten IC nach Kölle entern, den glücklicherweise reservierten Platz ansteuern, gemütlich machen und seelisch auf Schlaf einstellen. Der ist bitter nötig, da die letzte Nacht viel zu kurz, Arbeit aber trotzdem lang war. Dafür dauert die Fahrt vier Stunden, passt also alles, denk ich mir. Pustekuchen! Eine offensichtlich ausgeschlafene Kleinfamilie okkupiert die Plätze gegenüber und noch vor Abfahrt des Zuges (mit obligatorischen 15min. Verspätung) messen sich die Blagen im Brüllcontest. Mutti zeigt sich semi-begeistert aber auch pro-überfordert und schreit vereinzelt "SSSSSSSSSCHHHHTTT!" dazwischen. Für mich bedeutet das phasenweise Minutenschlaf, insgesamt etwa so erholsam wie Fangopackung im Wechsel mit Verprügeltwerden.

In Köln angekommen gibt es statt Wellness gleich volles Programm. Freudiges Hallo mit lang nicht mehr gesehener Schulfreundin und Pennplatzspenderin vorm Bahnhof. Daneben scharrt schon ungeduldig der Demo-Mob mit den Füßen. Heut ist nämlich Nachttanzdemo fürs AZ, das just an diesem Wochenende einjähriges Jubiläum feiert. Grund zum Feiern gibts doppelt, grad vor zwei Wochen ist das besetzte Zentrum nämlich nur knapp dem Räumungstod von der Schippe gesprungen und hat jetzt immerhin bis November nen freien Nutzungsvertrag abstauben können. Um das zu feiern und für den Erhalt zu kämpfen sind ordentlich viele Menschen aus allen möglichen Spektren vor Ort und scheppern zu Techno und Trompeten mit reichlich Feuerwerk ausgelassen durch die kölner Innenstadt. Die anwesenden Cops nehmens genervt, stressen aber nicht weiter rum, sind wohl vom Karneval schlimmeres gewohnt. Im Laufe des Abends versuche ich nach anfänglichem Zweifel meinen Körper an Kölsch zu gewöhnen. Klappt ganz gut.

Der Samstagnachmittag bietet Zeit für Sightseeing, also ab nach Köln Kalk um, logisch, dann auch mal nen Blick in besagtes AZ zu werfen. Das entpuppt sich als gemütliches und sympathisches Teil, am Tor ein Transpi mit Gruß und Dank an die Nachbarn fürs Aushalten und Unterstützen im Stress der letzten Wochen. Das Gebäude selbst ist eine zweistöckige Werkskantine, außen schick bunt mit Graffiti, drinnen neben noch mehr Graffiti und Streetart auch abgefahreneres Zeug in Form diverser Kunst-Installationen und kleine Konzept-Fotoaustellungen. An Infowänden gibts die Historie von der Besetzung bis in die Gegenwart in Zeitungsartikeln und Pressemeldungen dokumentiert. Auf dem Hof frickeln sich allerlei Bands durch ihre Sets (später am Tag unter anderem MICROPHONE MAFIA & GUTS PIE EARSHOT), für die Kids gibts Ballons, Schmincken, Zuckerwatte und Popcorn, für die älteren Säcke Vorträge, Brunch und Impro-Theater. Der Ort bietet Eindrücke am laufenden Band und läd zum Dableiben ein, auf das Konzert haben wir schon gar nicht mehr so richtig Bock als wir uns eher schweren Herzens trennen und auf den Weg gen Essigfabrik machen.

Dort aufgeschlagen gibts auch gleich den Kulturschock. Von Gammel und Ranz mit Charme zur Style-Parade in sterilstem Ambiente. Der Laden so ne übergroße Eventdiskolette mit Leinwandsegeln für Lightshow, 0,3-Flaschenbier für drei Euro im Plastikbecker, Securitycheck inklusive Abtasten und Einlass ist statt wie angegeben um 17:30Uhr auch erst knappe zwei Stunden später. Die meisten Leute erscheinen dem Anlass entsprechend in Turnhose und irgendwie weiß man schon vor Beginn, dass das hier nicht das Konzert des Jahres werden wird.

Aber immer der Reihe nach. Bei den auf der Karte erwähnten special guests handelt es sich vielleicht um die Vegan FastFood Crew mit ihrem Stand am Eingang, ne weitere Band zockt heut abend jedenfalls nicht. Dafür sind die Steak-Baguettes mit Sojaschnitzel ne wahre Delikatesse und werden im Verlauf des Abends gleich mehrfach verhaftet. Satt und zufrieden lassen wir uns jetzt vom Opener SOCIAL SUICIDE beschallen, die nerven aber recht schnell mit belanglosem Gebolze und MTV-tauglichem Gejaule zwichen den Shout-Parts. Die knapp 20min. Spieldauer verbringen wir lieber an der noch angenehm lauschigen Luft mit Blick auf Rhein, Tattoos und Imperial Clothing Shirts. 

Länger als SOCIAL SUICIDE dürfen GRAVEMAKER auch nicht ran, klingen dafür schon hörbarer, erfinden mit ihrem Breakdown-Konserven-Bollocore aber auch nix neu und nerven zudem extremst mit "Give me a circlepit, Cologne!"-Ansagen nach jedem zweiten Song. Vor der Bühne entwickelt sich das für solche Touren übliche Szenario. Kung-Fu-Einzelkämpfer dominieren einen ansonsten absurd leeren Pit-Bereich, der Rest quetscht sich am Rand rum und kriegt regelmäßig Stagediver auf die Mütze.

Nach einer weiteren knapp 10minütiger Umbaupause plötzlich eine bekannte Melodie. Sollten die etwa schon...?! Tatsächlich werden KVELERTAK eiskalt im Vorprogramm verballert und bekommen somit auch nicht viel mehr als eine halbe Stunde Spielzeit zugestanden. Die kauzigen Norweger schlagen sich trotzdem tapfer und haben als erste Band des Abends sichtbare Spielfreude im Ranzen. Im Gegensatz zu seinen Kollegen hat der KVELERTAK-Sänger offensichtlich auch keinen Bock jeden Tag pumpen zu gehen, trägt stattdessen lieber ne Plauze unterm Rauschebart und freut sich diebisch darüber, mit einem kleinen gekippten Holzkreuz herumzufuchteln. Überhaupt wird das bitterböse skandinavische Black Metal-Ding hier offensichtlich und hochmotiviert verarscht. Leider haben KVELERTAK ihr Keyboard nicht mit eingepackt, so fehlen live die geilen Klimperparts a la HELLACOPTERS, die dem Album seinen besonderen Schliff verleihen. Generell kommen mir einige Songs etwas modifiziert vor. Die jetzt merklich wechselnde Besetzung vor der Bühne feiert die songs frenetisch ab, eine Zugabe ist aber anscheinend zeitlich nicht drin.

Bei THE GHOST INSIDE wird das Moshpit wieder getauscht und die Stimmung kippt langsam aber sicher ins Asoziale. Die Band liefert das bekannte Konzept im Stil von TERROR oder DEATH BEFORE DISHONOR und gefällt mir auch gar nicht mal so schlecht aber was vor der Bühne stattfindet geht mittlerweile gar nicht mehr klar. Kurze Bilanz des Abends: Ein Typ schleppt sich aus dem Pit und meint seine Hand wäre gebrochen, mehrere Personen humpeln/halten sich die Rippen/etc., Stagediver treten regelmäßig den Leuten in den ersten Reihen gegen den Kopf, zwei Frauen fangen an sich zu prügeln, was unerwarteterweise dann doch nicht in einer Massenschlägerei mündet. Auf der Bühne scheint man das nicht mitzuschneiden, Ansagen beschränken sich weiterhin auf Kram wie "If you know the words of the next one come to the stage and help us out!" Dafür dass der Sänger seinen Text nicht auswendig gelernt hat, wird er dann auch diverse Male unter Dutzenden von Karate-Kids begraben, was dann zugegeben doch wieder ganz putzig aussieht.

Zu COMEBACK KID schraubt sich der Gewaltpegel im Publikum etwas runter, die Band verbreitet aber auch rein optisch schon nicht so die ToughGuy-Attitüde und kommt auch im Auftreten entspannt unprollig daher. Zwar liefern sie eine absolut okaye Show aber der Zug ist für mich trotzdem abgefahren und erst der kurz vor Schluss gebrachte Hit "Wake the dead" erweckt mich sprichwörtlich wieder etwas zum Leben. Größere COMEBACK KID Nerds als meine Wenigkeit sind nach dem Konzert, das Punkt 24Uhr zuende ist, aber sichtlich zufrieden und die eigene Stimmung steigt mit einem weiteren Besuch des Futterstandes auch schnell wieder in den grünen Bereich. Vor der nächsten Tour gibts dann halt Anabolika oder Krav Maga Unterricht. Im Laufe des Abends werden noch ein paar Kölsch gekippt, auf der Rückfahrt am nächsten Tag klappt es sogar mal mit Schlaf, dafür gehen 6,40Euro für nen lumpigen Kaffee und ein siffiges Sandwich mit Analogkäse im Zug drauf, da wir zu spät dran sind um uns vor der Abfahrt mit Vorräten einzudecken.

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