SAXON / 30.09.2005 - Hamburg, Markthalle

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Es ist 20.00 Uhr und ich stehe vor der Hamburger Markthalle. Gespannte, ja hektische Erwartung in den Straßen! Kamera-Teams flitzen hin und her, interviewen Metal-Veteranen nach ihren ersten Konzerterlebnissen. Überall Kuttenträger jeglichen Alters. Zahlreiche Leute halten Pappschilder hoch: „Suche Karten!!“ Die Markthalle ist bereits im Vorfeld ausverkauft, SAXON starten heute ihre „25 Jahre NWOBHM-Tour“, auf der sie ausschließlich Songs ihrer ersten vier Alben spielen wollen. Auch ich habe kein Ticket, aber dank schamloser Bestechung der Einlass-Kontrolletis seitens des Remedy/Torment-Chefs Jörn stehe ich bald inmitten des Trubels. Thanx, Jörn!

Im Foyer der Markthalle herrscht Party-Stimmung. Götz K. und Jenny R. vom ROCK HARD legen Platten auf, die natürlich dem Motto entsprechen. Achtziger-Metal-Disse to the max! So werden die Banger von Classics a la ANGEL WITCH, SAMSON, RAINBOW, IRON MAIDEN usw. angeheizt. Die Stimmung ist bereits jetzt unglaublich, es liegt was in der Luft! Das I-Tüpfelchen sind die Preise am (offiziellen!) Merch-Stand, T-Shirts für teilweise 5,- Euro (!), Mützen und Kappen für je 10,- Euro, Tonträger für 10,- Euro – die Leute reißen den Dealern den Kram regelrecht aus den Fingern.

Rein in die Halle, ab vor die Bühne. „Ich hab jetzt schon Gänsehaut!“ keucht eine Schüttelrübe neben mir und drückt mir eins von seinen drei Bieren in die Hand. Götz K. betritt die Bühne und kündigt die Show an. Die Idee sei einer Trinklaune heraus entsprungen. In der Tat waren IRON MAIDEN dieses Jahr nicht die ersten, die dieses „Back to the roots“-Ding durchgezogen haben – SAXON waren mit dieser Tour schon Anfang des Jahres auf dem Sprung, aber dann brannte das Haus von Sänger Biff ab und die Chose musste verschoben werden. „Und jetzt Bühne frei für ’Saxon’, ’Strong Arm Of The Law“, ’Denim and Leather’und ’Wheels Of Steels”! Yeah, zumindest die letzteren drei Scheiben zähle ich persönlich zu den 50 besten Tonträgern des Rock’n’Rolls (also den besten Tonträgern überhaupt, denn welche anderen musikalischen Spielarten sollen bitte noch relevant sein?)...

Keine Vorgruppe, kein Intro. Zu ohrenbetäubendem Jubel betreten SAXON die Bühne und legen mit „Motorcycle Man“ los. Der Sound ist glasklar, die Band bestens aufgelegt. Das Publikum grölt, hüpft, klatscht, bangt – die Temperaturen steigen bereits während des ersten Songs auf Sauna-Niveau. Es geht Schlag auf Schlag durch die vier zwischen ’79 und ’81 erschienen Alben: „Dallas 1 pm“, „747 (Strangers In The Night)“, „Stallions Of The Highway“, „Play It Loud“, „Frozen Rainbow“, „Suzie Hold On“ – unglaublich, wie frisch die meisten dieser Songs auch heute noch klingen! Zeitlose Scheiße. Doch was ist das? SAXON zeigen mal wieder, dass sie in Punkto Playlist unberechenbar sind und streuen auch drei Songs von „Power And The Glory“ ein: „Power And The Glory“, „Redline“ und „The Eagle Has Landed“. Keiner beschwert sich angesichts der Klasse dieser Songs... Biff macht sich seinen Spaß daraus, als jemand „Crusader“ verlangt: „What? ’Crusader’? That’s a fucking new song. We’re only playing old songs tonight. That one’s from 1984, man…” Aber wenn man nachher nochmal nett frage, dann vielleicht… Biff ist eh in bester Stimmung, lässt sich durch nix aus der Ruhe bringen: Ein offenbar recht betrunkener Fan torkelt mitten in einer Ansage auf die Bühne, grapscht Biff an die Schulter (will ihn wohl fragen, wann der nächste Bus fährt), der sagt: „Hey, I am talking!“. An Klampfer Paul Quinn richtet er des Öfteren die Frage, von welcher Platte der folgende Song noch gleich sei: „This guys knows all the fuckin’ songs on all our fuckin’ records. Keeps forgetting our names, but knows all the songs...“. Viel zu schnell vergeht die Zeit, bei “Denim And Leather“ hebt fast die Hallendecke ab, „Wheels Of Steel“ wird frenetisch mitgegrölt und das den regulären Teil abschließende „Princess Of The Night“ („It’s not about a lady, it’s about a fuckin’ train“) wird Zeile für Zeile mitgesungen:
„She used to be an ironhorse
Twenty years ago
Used to bring the mail to me
Through the ice and snow
I've sat alone and watched her
Steaming through the night
Ninety tons of thunder
Lighting up the sky” usw.
Dann spielen die Sachsen tatsächlich noch “Crusader” (später wird diskutiert, ob dafür nicht noch lieber “Never Surrender“ oder „And The Bands Played On“ hätte gespielt werden können). Es scheint vorbei zu sein, die Band verbeugt sich vor den tobenden und „SAXON! SAXON!“ skandierenden Fans, Biff schlendert gen Bühnenabgang, doch der Schelm hat sein Mikro in der Hand behalten, wirbelt plötzlich herum und brüllt „Heavy Metal Thunder“! Natürlich, der fehlt noch! Band und Publikum geben noch mal alles, bis wirklich Schluss ist und man auf die DVD gespannt sein darf, die hier (und auf der restlichen Tour?) unter dem Motto „A Night With The Boys“ entsteht.

Im Foyer verschwitzte Leiber, nasse T-Shirts und ein umlagerter Bierstand. Die Achtziger Disco nimmt wieder Fahrt auf, die Party geht weiter. Selten ist sich eine Konzi-Meute so einig gewesen: Legendär!
- Beitrag von: Philipp

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