NOTHINGTON, THE FREEZE /11.09.2011 - Hafenklang, Hamburg

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Nach dem Debakel der letzten beiden geplanten THE FREEZE-Auftritte in Kiel (beide kurzfristig abgesagt) hab ich ja kaum damit gerechnet die Band dieses Mal wirklich zu Gesicht zu bekommen und tatsächlich stehen die Sterne anfänglich eher mau, fällt der samstägliche Gig bei Meiers doch direkt auf mein Arbeitswochenende. Doch tags darauf sollen die alten Herren zum Tourabschluss in Hamburg zocken, meinem Glück steht also nichts mehr im Wege, wenn sie denn nun wirklich kommen mögen...



Und tatsächlich, als ich mich Sonntagmorgen mit verpennten Augen bei Dremu einlogge, schwärmt ollen Wolter schon in den heisersten Tönen vom Vorabend. Sie sind also tatsächlich im Lande UND das auch noch in zocktauglichem Zustand! Hoffentlich hält der bis abends an... Auf mich wartet erst einmal stundenlange stupide Maloche, während draußen die Sonne scheint und der FC St. Pauli paar Kilometer weiter nach 0:2 Rückstand noch vier Tore ins Netz semmelt. Abends freu ich mich dann umso mehr endlich aus der Hütte zu kommen und wiesel ultrapünktlich zum Hafenklang um bloß noch ne Karte zu ergattern... Die Pünktlichkeit hätte ich mir sparen können, der Laden ist mit geschätzt 60 Zahlenden noch weit unterm maximalen Fassungsvermögen als NOTHINGTON die Bretter betreten.


Die stellen zuerst klar wie sehr sie sich freuen mit THE FREEZE unterwegs sein zu dürfen und reissen im Folgenden diverse Sprüche über die alten Männer und sich selbst (der Drummer bekommt auf Anfrage statt nem Handtuch nen Klopapierwust zugeworfen.. "Don't like your towel..?"). Ansonsten brezeln die Jungs mit dreckigem Punkrock durch ihre Playlist. Von Sound und Auftreten her erinnern sie mich bisschen an "I hate people"-Records Geschichten wie BORN TO LOSE oder RAT CITY RIOT. Bringen mir live sehr viel Spaß, die Platten sehen auch schick aus, für nen Kauf ist es mir dann aber doch noch etwas zu variabel. Dass beide Bands deutlich mehr als die gemeinsame Tour verbindet zeigt sich als NOTHINGTON unter Gejohle und wilder Applauserei von der Bühne zu entfleuchen versuchen, dabei aber einer nach dem anderen von einem strahlenden Langhaarteddybärhünen geknuddelt werden, der sich später als der Drummer von THE FREEZE entpuppt. Eine schöne Geste die untermauert, dass die Frostbeulen sich keineswegs auf ihrem Kult-Status ausruhen oder sowas wie Starallüren entwickeln, während einige deutsche Urgesteine sich aktuell für keine Peinlichkeit zu schade sind.

Als es dann endlich losgehen soll erwischt mich kurze Paranoia. Sänger Clif Hanger schlappt sockfuß in Boxershorts und T-Shirt auf die Bühne, klammert sich an sein Mikro und wirkt als würde er sich gleich aufs Ohr hauen wollen. Hat sich die Band gestern bei Meiers etwa ein längeres Stelldichein mit sufferprobten gaardener Asis geliefert?! Auch die mit Geschirrhandtüchen verhüllten Pappkartons vor der Bühne verwirren. Nicht dass wir hier doch auf irgendner Kunstperformance von Christo gelandet sind. Die an die Monitorbox gezwirbelte George Bush-Voodoopuppe lässt deren Sinn jedoch erahnen. In ihrer Begrüßungsansage widmet die Band den Auftritt dann auch den vor 10 Jahren am 11. September in den Twin Towers des World Trade Centre gestorbenen Menschen, stellt aber gleichzeitig klar, dass man die Geschehnisse keinesfalls aus der Opferrolle betrachtet geschweige denn an die propagierte Version der US-Regierung glaubt. Stattdessen sprechen THE FREEZE an dieser Stelle die wohl bekannten Ungereimtheiten und die Legitimation der in Folge geführten Kriege an. Auf dieser Basis startet man mit einer Riesenportion Wut ins Set, wobei der eben noch vollkommen desolat wirkende Sänger sich in Sekundenbruchteilen in ein tobendes Energiebündel verwandelt und dabei an Wahnsinn gar einen Lee Hollis toppt. Auch der Rest der Band lässt so manchen Mittzwanziger alt aussehen, hüpft durch die Gegend und wirft sich ordentlich in Pose.

In ruhigeren Parts und Pausen verfällt Clif Hanger in psychotisch anmutende Monologe mit der Bush-Puppe, der sein Leben lang nur eine Marionette anderer (z.B. Dick Cheney) gewesen sei, stranguliert mit dem Mikrokabel an ihm herum, um dann direkt wieder in den nächsten Song umzuswitchen. Leider geht das Publikum zwar in Sachen Jubel gut mit, bleibt ansonsten aber eher verhalten. Nur ein junger Knirps dreht bei "Broken Bones" plötzlich völlig am Teller und rotiert vor der Bühne als gäbe es kein Morgen. Der kleine Freak kommt aus den Staaten, wurd in Berlin aufgrund seines Alters nicht in die Show gelassen und ist mit seinem Bruder und den Eltern daraufhin extra nach Hamburg gefahren, wie die Band aufklärt, als sie ihn auf die Bühne holt und als die Zukunft des Punkrock präsentiert, hehe. "Broken Bones" gehört auch zu meinen Highlights, kenn ich die Band doch zugegeben eigentlich auch nur vom "This Is Bosten, Not L.A."-Vinylsampler, einer Platte fast so alt wie ich aber zeitlos genial. Schon jetzt haben THE FREEZE sich eigentlich schon als krassester Auftritt des Jahres ins Gehirn gefressen, als Herr Hanger mit den ebenfalls mitgebrachten Papierfliegern zu spielen anfängt, dabei ein weiteres Mal über die Schuldfrage an "9/11" zu sinieren beginnt und bekannt gibt, dass man das Konzert nun beenden werde, egal wer wie was auch immer jetzt wofür verantwortlich wäre... Feuer, Qualm, Chaos und vorbei. Auch beherzte "You fucking Tourists!"-Rufe in Anlehnung an die 7" bringen die Band nicht mehr zurück auf die Bühne. Mehr geht aber auch echt nicht mehr.

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Kommentare   

0 #5 JanML 2011-09-14 18:43
Heikel ist das richtige Wort. Ich dachte vorletztes Jahr auch das es ein böses Ende nehmen würde. Er hatte sich das Feuerzeug unters Kunstoffhemd gehalten, um es somit tragend anzuzünden. Der Gute scheint leicht pyromanisch veranlagt zu sein.
Hast aber wieder hübsche Fotos gemacht!
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0 #4 toffi 2011-09-14 18:14
so, jetzt mit allen bildern online.
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0 #3 toffi 2011-09-14 15:29
fand es auch bisschen heikel wie er anfing mit den brennenden kartons rumzuwerkeln und noch versuchte das ganze mit den socken auszutreten... kommen noch paar mehr fotos.
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0 #2 JanML 2011-09-14 14:39
Haha, das erinnert mich glatt wieder daran wie sich Cliff Hanger vor zwei Jahren in der Schaubude selbst angezündet hat. Anscheinend mag er Feuer.
Guter Bericht!
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0 #1 Philipp 2011-09-14 11:14
Hört sich ja in Sachen Gestörtheit noch heftiger an als Kiel. Liest sich gut!
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