SEPULTURA, EXODUS, DESTRUCTION, HEATHEN, MORTAL SIN / 05.12.11 – Hamburg, Markthalle

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Thrashfest, Killfest, Hatefest, Weihnachtsfest – da kommt ja bald kein Mensch mehr mit, was für Feierlichkeiten sich gegenseitig die Klinke in die Hand geben. Hauptsache, in der Markthalle lungern nicht wie in fast allen deutschen Städten diese Glühweinmutanten herum! Unsere Hoffnung: Der vorweihnachtlichen Konsum- und Hektikhölle für ein paar Stunden zu entrinnen und inmitten einer Oase des friedlichen Beisammenseins andächtig oldschooligem Thrash zu lauschen.

Und OLD SCHOOL ist ja das Motto dieser Tour – alle Bands hatten im Vorfeld Playlists angekündigt, welche ausschließlich aus alten Kamellen bestehen („Thrashfest Classics“). Ist die Frage gemein, ob die allgemeine Vorfreude über diese Tatsache nicht auch ein Beweis dafür ist, dass die beteiligten Bands schon länger nichts mehr aufgenommen haben, was ihren Klassikern die Stirn bieten kann? Neeeein, NATÜRLICH ist das nur eine Hommage an jene Klassiker, mit regulärem Programm und massig neuen Songs wären HUNDERPROZENTIG genau so viele Leute gekommen…

 

Grr, früh los gefahren, pünktlich (na ja, fast) in der Halle… und MORTAL SIN kündigen gerade ihren letzten Song an. Immerhin ist das auch gleich der beste, nämlich der Titelsong ihres Debuts. Und jetzt alle: „MAY-HE-MIC DES-TRUC-TION!“ Da verschütte ich doch gleich mein erstes Kaltgetränk vor Exaltiertheit. Nur heißt es dann Coitus Interruptus. Ein Vögelchen hat mir übrigens geflüstert, dass es Gerüchten entgegen keine Deadline in der Markthalle gebe. Die headlinenden Bands selbst seien so schlau, ihren Auftritt zu beenden, bevor die letzten Züge fahren. Und da beißen dann wohl die Opener oft in den sauren Apfel. Für 18.30 Uhr ist es übrigens schon erstaunlich gut gefüllt. Der Band kann man den frühen Start wohl kaum anlasten und so kaufe ich mir allein aus Solidarität deren neues Vinyl, welches by the way überaus gelungen ist.

HEATHEN sind wohl die einzige Band des Abends, die in ihrer Karriere keinen schwachen Song veröffentlich haben. Der Trick: Länger mal die Schnauze halten (okay, 17 Jahre müssen es vielleicht nicht gleich sein). Trotzdem geil, die ganzen krassen Biester des Debuts mal wieder live erleben zu können. „Goblins Blade“, „Open The Grave“, „Death By Hanging“ – yeah! Und „Hypnotized“, „Opiate Of The Masses“ oder „Mercy Is No Virtue“ vom Zweitling bringen ebenfalls ordentlich Schwung in die gar nicht müden Knochen der metallischen Horden. Da macht es nichts, dass David Godfrey vor den Triple-Phallus-Backdrops etwas hilflos mit Air-Drumming abpost. Der Typ ist halt nicht so der Showmann – egal, Hauptsache, der singt gut. Und das tut er! Der Sound ist deutlich besser als beim letzten Gastspiel und ein weiterer Bonus ist natürlich die längere Spielzeit. Lee Altus rifft sich den Arsch weg – und das jeden Abend doppelt, schließlich zockt der auch bei EXODUS. Sehnenscheiden aus Draht? Einzige Kritik: Am Merch gibt es eine reguläre LP für 20,- Euro und eine von den Musikern signierte für 25,- Euro. Pfui.

Hossa, schon ist Zeit für Schmier, Mike und DESTRUCTION! Die Stimmung steigt gleich noch um ein paar Grade, als das legendäre Intro ertönt: „The end is near. Lucifer’s legions of death are ready for attack.“ Na, welches „only aim“ die verfolgen, muss ich euch nicht erzählen. Mikes dürre Ärmchen flitzen nur so über die Saiten und fräsen ein knackiges Riff nach dem anderen heraus, während Schmier neben ihm massiver denn je wirkt und mit Begeisterung Oldies but Goodies wie „Total Desaster“, „Black Mass“, „Mad Butcher“, „Bestial Invasion“ oder „Invincible Force“ grölt. Die Dinger haben den test of time locker überstanden und wirken so frisch und spritzig wie am ersten Tag. „Ketten und Leder, dann steht er“, würde eine Bekannte von mir jetzt wohl sagen. Alle sind zufrieden und so wirft Schmier auch gern mal eine Bierpulle ins Publikum.

EXODUS up next. Da ist doch glatt eine gewisse Spannung im Raum zu spüren… Ausschließlich Songs von den ersten drei Platten… Das heißt NUR Knüppel auf den Kopf… Aber was folgt, übertrifft noch mal alle Erwartungen. Exodukes ziehen bei allerschärfster Klangquali einen Scheitel, dass ich mich bis heute nicht zu kämmen brauche (zwei Tage danach). Los geht es mit „The Last Act Of Defiance“ und hätte Strecker nicht ständig neue Biere angeschleppt, wüsste ich die Playlist noch minutiös… Auf jeden Fall böllern „Bonded By Blood“, „And Then There Were None“, „Braindead“, „The Toxic Waltz“, „Piranha“, „Strike Of The Beast“, „Metal Command“, „A Lesson In Violence“, „Fabulous Desaster“ – ach, alles, was man will eigentlich, durch die Hirne. Einen Song möchte ich dennoch hervorheben: „Pleasures Of The Flesh“ – was für ein Riff-o-rama! Eine bessere Kombination aus epischer Melodiösität und Brachialität KANN es gar nicht geben. Tom Huntings Schlagzeugkünste spotten jeder Beschreibung, die ganze Band agiert auf einem Level, dass eine inflationär benutzte Vokabel wie „tight“ hier zu abgegriffen wirkte. Dafür muss im Prinzip ein neues Wort erfunden werden, „exodial“ oder „knulzig“ oder so. Und Rob Dukes? Wirkt entspannt wie nie, grinst fast ständig und singkreischt würdevoll. Drei Theorien kreisen durch den Raum: 1.: Es gab den Mega-Einlauf vom Chef. 2.: Reisen bildet. 3.: Drogen auch.

Puh, danach ist eine Steigerung nicht möglich. Aber erstaunlicherweise stinken SEPULTURA stimmungstechnisch auch nicht ab. Der Laden bleibt voll und der Mob geht wirklich mit, wenn auch nicht in derartigen Circle Pits und mit der Energie wie eben noch bei EXODUS. Mich berührt die Band heute allerdings nicht so richtig. Ich kann nicht mal sagen, woran das liegt. Derick Green macht seine Sache gut und charismatisch (ob Maxe das noch so bringen könnte?), der Schlagzeuger gibt richtig Gas und die beiden Originalseppultras lassen auch nichts anbrennen (Andreas Kisser hatte übrigens kurz vorher schon einen Gastauftritt bei EXODUS). Ich komm trotzdem nicht mehr richtig in Wallung. Liegt es an der Playlist? Die ganz alten Stücke von „Schizophrenia“, „Morbid Visions“ oder „Bestial Devastation“ werden nämlich nicht gespielt, was ich doch klammheimlich gehofft hatte. Schlecht sind „Desperate Cry“, „Infected Voice“, „Beneath The Remains“, „Refuse/Resist“ etc. natürlich nicht, aber vielleicht sind fünf Thrashbands nacheinander auch zu viel.

Gut gelaunt geht es nach Hause, bisken Schlaf abgreifen, herrlich.

 

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