ROCK HARD FESTIVAL X / 26.05.2012 – Gelsenkirchen, Amphitheater, Tag 2

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Philipp: Brutz und Brakel! Ist im Nachhinein immer noch unfasslich, wie HEISS es auf dem ROCK HARD FESTIVAL ist und wie deftig wir uns eine Woche später beim WILWARIN die Hintern wegfrieren. Das Amphitheater bietet im Grunde KEINEN Platz, an dem du vor der Sonne sicher bist. Nur direkt vor der Bühne fällt der Schatten der Bühnenzeltüberspannung auf die ersten Bangerreihen. Deshalb befinden wir uns auch stets genau dort! Zumindest während eine Band zockt. Wenn dann die Füße schmerzen, kriechen wir wieder auf die Ränge, wo man ganz kurz aufatmet, bevor die Hirnsuppe wieder Blasen wirft.

Mob

Fotos von Oliver "Bomber" Barth und Jasmin Benz (dat erste) - Danke!

 

DR. LIVING DEAD!:

DR.LIVING DEAD!

 

Philipp: DR. LIVING DEAD! haben so ziemlich unsere gesamte Reisegruppe mit ihrem Debut begeistert. Von daher ist die Vorfreude groß. Schon die Optik stimmt vom Drummer bis zum Roadie. Die Retro-Crossover-Maniacs werden nämlich von einem typischen Schweden-Metaller (total dürr, tätowiert bis an den Hals und Poserklamotten inkl. Bon-Jovi-Shirt und Tüchern anne Buxe) als Roadie betreut. Natürlich tragen alle Bandmitglieder diese Totenkopfmasken, über die sie noch Bandanas gebunden haben. Kurzes Intro, dann geht es ab - und zwar genau so wie erhofft! Es gibt Bands, welche einfach Sound und Stil einer bestimmten Band kopieren – die vier Doktoren jedoch KOMBINIEREN perfekt verschiedene Thrash/Crossover-Acts vor allem der Venice-Szene (ST, EXCEL, BEOWÜLF, UNCLE SLAM…). Kommt total spritzig und verbreitet vom Fleck weg gute Laune. Da wetzen die Freaks im Mob trotz der Hitze wie die Gestörten im Kreis. Freu mich jetzt schon auf weitere Shows von denen!

Strecker: Nach einer recht kurzen Nacht geht es zwar noch etwas müde, aber pünktlich wieder zum Gelände. DR. LIVING DEAD! wollen wir nicht verpassen. Ich finde zwar, dass der Band etwas mehr Eigenständigkeit gut tun würde, aber live, bei herrlichem Wetter und den ersten Bieren des Tages, funktioniert die musikalische Mischung aus SUICIDAL TENDENCIES und älteren ANTHRAX ganz wunderbar und ist genau richtig, um wach zu werden.

 

MOTORJESUS:

Strecker: Weiter geht es mit MOTORJESUS, die musikalisch etwas aus dem Rahmen fallen und so bin ich überrascht, dass es bereits richtig voll vor der Bühne und auch auf den Rängen ist. Gespielt wird der erwartete Rock `n´Roll skandinavischer Machart. Nachdem aber am Vortag KVELERTAK und TURBONEGRO gespielt hatten, merkt man schon, dass MOTORJESUS einige Melodien und ein gewisser Wiedererkennungswert fehlen. Trotzdem wird die Band gut gefeiert und die Freude, mal auf einem so großen Festival spielen zu dürfen (O-Ton des Sängers „Seit 80 Jahren spielen wir im Jugendzentrum um die Ecke und nun mal hier. Es ist ein großer Tag für uns.“) wirkt, wie auch der Rest der Ansagen, authentisch und ehrlich. Ist  alles ganz nett und unterhaltsam, aber viel hängen bleibt bei mir nicht.

Philipp: Geht mir ganz genau wie Strecker. Die Musik ist ein wenig belanglos, die Ansagen aber klasse. Der Sänger Chris Birx kommt mit einer Aldi-Tüte auf die Bühne und erklärt, dass Tom Angelripper ihm geraten habe, das Publikum mit Dosenbier zu bestechen. So fliegen im Laufe der Show immer mal wieder ein paar Humpen in den Mob. Wenn das auch noch Karlsquell wär!

 

PORTRAIT:

PORTRAIT

Philipp: Wie ich meinen Schüler_innen immer sage, wenn uns nach einer 90-minütigen Quellenanalyse der Gong brutal unterbricht: „Huch! Wie schnell die Zeit doch vergeht, wenn man Spaß hat!“ So ergeht es mir heute auch bei PORTRAIT: Es scheinen gefühlt gerade 15 Minuten um zu sein, als Per Karlsson bereits den letzten Song ankündigt. Wieder haben mich die Schweden in eine Art Trance versetzt. Keine andere derzeitige Band hat den MERCYFUL-FATE-Rhythmus (fast möchte ich sagen –Swing) so perfekt verinnerlicht. Das hat wat Magisches, wie ich es sonst nur von Stücken wie „Doomed By The Living Dead“ oder „A Corpse Without Soul“ kenne.

Strecker: Als nächstes steht diese okkult angehauchte Rabauken-Zusammenrottung aus Kristianstad, so zumindest die Ankündigung im Programmheft, auf dem Programm. Gemeint sind PORTRAIT. Bevor es losgehen soll, wird noch gerätselt, ob PORTRAIT-Musiker auch bei DR. LIVING DEATH, die sich nur maskiert zeigen, spielen oder welchen Zusammenhang es da sonst gibt. Zumindest sind die Gitarren und das Schlagzeug identisch. Wir können das Rätsel nicht lösen und es ist uns dann auch egal, da das Konzert losgeht. Gespielt wird 80iger Metal, der vor allem durch den Gesang stellenweise an MERCYFUL FATE und dann natürlich auch an KING DIAMOND erinnert. Die Songs sind zwar gut gemacht und natürlich super gespielt und die Show ist auch sehr agil, aber ich kann vielen der neuen Bands, die so tief im 80iger Metal verwurzelt sind, nichts abgewinnen. Dann ziehe ich doch lieber eine alte Mercyful-Fate- oder King-Diamond-Platte aus dem Regal.

 

HELL:

Strecker: Nun folgen die Newcomer HELL, die genau genommen gar nicht mehr so neu sind. Bereits Anfang der 80iger gegründet schafften HELL es zwar, sich einem Namen im Underground zu erspielen, doch ist es zu der Zeit nur zu ein paar Demo-Veröffentlichungen gekommen, denn kurz vor Veröffentlichung des ersten Albums zerbrach die Band am Selbstmord des damaligen Sängers. Erst 2011 ist es zu der Veröffentlichung des von Andy Sneap produzierten Albums „Human Remains“ gekommen und HELL wurden mehr Leuten bekannt. Das Konzert bietet dann den erwartet hochklassigen Metal, der mit reichlich Theatralik und Verkleidungen des Sängers vorgetragen wird. Langsam machen sich bei mir erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar und ich ziehe mich mal auf die Ränge zurück.

Philipp: Mir gefallen HELL heute sogar noch etwas besser als auf der ACCEPT-Tour. Liegt es daran, dass der Sound NOCH etwas besser und lauter ist? Oder vielleicht an den enthusiastischen Reaktionen? Letzteres zieht einen ja oft auch mit. Ich habe das Gefühl, dass HELL durch erwähnte Tour an Popularität zugelegt haben, während sie in Hamburg bei den ersten Stücken zunächst abwartend beäugt worden waren. Obwohl Show und Songs im Vergleich zum Hamburger Gastspiel im Grunde identisch sind, verspüre ich keinen Abnutzungseffekt. Zu viele Details gibt es sowohl musikalisch als auch im (Bewegungs)Ablauf sowie Gestik & Mimik des Sängers David Bower zu entdecken. Highlights das irrwitzige Intro von „Macbeth“, die Selbstkasteiungsaktion mit der Neunschwänzigen und das Pestgewand samt Totenglocke und Vogelmaske. UND natürlich Stücke wie „Plague And Fyre“ (mein Fave), „Let Battle Commence“ oder „Save Us From Those Who Would Save Us“.   

 

UNLEASHED:

UNLEASHED

Philipp: Immer wenn ich denke, dass UNLEASHED sich langsam abnutzen könnten, kommen sie doch mit leichten Modifizierungen ihres Sounds um die Ecke. So gefällt mir das neue Album „Odalheim“ mit seiner rasenden Geschwindigkeit und den leichten Black-Metal-Einflüssen außerordentlich gut. Das rasante „Fimbulwinter“ gehört dann auch gleich zu den Highlights im Set. Und das trotz diverser richtig alter Stücke, welche UNLEASHED lange nicht mehr gespielt haben! Auf die alten Knüller wie „The Immortals“, „Victims Of War“ oder „Death Metal Victory“ lassen sich Johnny Hedlund & Co. allerdings eben auch nicht reduzieren und so böllern sie ebenfalls neuere Stücke wie „Long Live The Beast“, „This Is Our World Now“, „Wir kapitulieren niemals“ (samt Death-Metal-Durchhalteansage…) oder „Hammer Battalion“ – und kommen damit sehr gut an! Ich finde sie im Vergleich zu meinetwegen AMON AMARTH sympathischer und interessanter, weil UNLEASHED nicht NUR auf diesem Wikinger-Image herumreiten und außer „nordischen Themen“ auch andere Inhalte verbraten. Egal, macht jedenfalls immer Spaß und lässt so manche andere Death-Metal-Band in Sachen Live-Entertainment weit hinter sich. Am Ende will die Band gerade noch einen weiteren neuen Song anstimmen, als ihnen jedoch freundlich mitgeteilt mit, dass ihre Zeit soeben um sei.

Strecker: Trotz eines guten Konzertes laufen UNLEASHED durch mein Päuschen an mir vorbei.

 

TANKARD:

Strecker: Danach spielen TANKARD, die zwar ordentlich engagiert und mit Spaß bei der Sache sind, mich aber auch noch nicht wieder fit machen können und so ziehe ich mich kurz zum Auto zurück und muss mich mit Selter und Lütje Minze wieder fit machen.

Philipp: Dreißig Jahre TANKARD. Wer hätte denn DAS damals gedacht, als die Spacken mit Demos wie „Alcoholic Metal“ und Platten wie „Zombie Attack“ losgelegt haben? Und: „Wir zucken noch ein bisschen“, versichert Gerre. Aber Hallo! Im Ruhrpott sind TANKARD natürlich noch mal einen Ticken bekannter und beliebter und so schraubt die Stimmung sich noch ein paar Windungen höher. Ein Bekannter beschwert sich danach bei mir, dass TANKARD immer nur dieselben Songs spielten, aber sollen sie andererseits auf „Chemical Invasion“, „Empty Tankard“, „The Morning After“ oder „Zombie Attack“ verzichten? Gerre klingt schön derbe und rennt mit Hummeln im Hintern herum. Als Kontrast dazu hüpft eine „Tänzerin“ („The Beauty And The Beast“, ne) deutlich graziler durch die Gegend und später wird der Bierkastenthron samt dazugehörigem Bierkönig auf die Bühne gewuchtet (hier hätte tatsächlich “Kings Of Beer“ kommen können). Ähnlich wie bei UNLEASHED: Schon oft gesehen, aber immer wieder ein Spaß.

 

PSYCHOTIC WALTZ:

Philipp: Nach PORTRAIT die zweite Parallele zum jüngst genossenen KEEP IT TRUE-Festival. Allerdings hatten PSYCHOTIC WALTZ dort über 2,5 Stunden gespielt, während sie jetzt gerade mal 1,15 Stunden Zeit haben. Devon Graves hält sich daher merklich mit Ansagen zurück und die Band reiht zunächst kommentarlos ein Progfeuerwerk ans das andere. Ich notiere (mental): „Ashes“, „Out Of Mind“, „Tiny Streams“, „In This Place“, „Mosquito“, „Faded“, „Freakshow“, “Haze One”, “Into The Everflow”, “Another Prophet Song” (YEAH!), “I Remember”, “Morbid”, “Halo Of Thorns” sowie “Nothing”. Kann es sein, dass die Band heute gar NOCH ein bisschen besser eingespielt ist als vor ca. einem Monat? Möglicherweise rührt dieser Eindruck auch vom kompakteren Set. (Womit ich nicht sagen will, dass der heutige Auftritt "besser" sei.) Jedenfalls zeigen sich Band und Publikum abermals ergriffen voneinander und gegen Ende kann Graves seine Dankbarkeit, nach all der Zeit und für diese ungewöhnliche Musik noch eine Zuhörerschaft vorzufinden, kaum in Worte fassen.

Strecker: Einigermaßen erholt kann ich mir dann PSYCHOTIC WALTZ angucken. Ich finde es immer wieder faszinierend, wie introvertiert die Instrumentalisten auf der Bühne agieren und es trotzdem schaffen, das Publikum in ihren Bann zu ziehen und mitzureißen. So auch diesmal und es wird wieder eine sehr stimmungsvolle und intensive Show, die trotz der teilweise sehr langen und ruhigen Songs bei einem Großteil der Zuschauer sehr gut ankommt.

 

BOLT THROWER:

BOLT THROWER

Strecker: Nach dem „Sitzen-und-gucken“-Konzert mit PSYCHOTIC WALTZ ist nun Abriss angesagt. Es wird noch einmal merklich voller im Amphitheater und auch viele Tagesgäste haben sich auf den Weg gemacht, um einem der wenigen BOLT THROWER Konzerte beizuwohnen. Die Engländer werden entsprechend begeistert empfangen und das Konzert wird durchgehend gefeiert. Eigentlich steht die Band ja nur auf der Bühne, schüttelt bisschen den Kopf, bewegt sich sonst nicht viel und es gibt kaum Ansagen. Die durchweg hochklassigen Songs sind ausreichend, um zu begeistern und einen zu fesseln. Wieder sehr gut, obwohl ein druckvoller Sound schön gewesen wäre.

Philipp: BOLT THROWER. Zu dieser Band liest man die immer gleichen Sprüche in Konzertreviews. Die Bolzenwerfer hätten demnach mal wieder a) alles plattgewalzt, b) nichts als verbrannte Erde hinterlassen, c) den perfekten Soundtrack zur Apokalypse geliefert… Und alles davon passt! Allein schon auf die Zustände am Merchstand, wo bereits VOR dem Auftritt die Devise „THIS TIME IT’S WAR!“ verkündet worden war und den Bolts die Shirts Augenzeugen zufolge mal wieder aus den Händen gerissen wurden... Und NATÜRLICH ist auch dieser BOLT-THROWER-Gig wieder die personifizierte MACHT. Ein zorniger Kriegsgott, der aus Alpträumen erwacht und dir seine Blitze direkt ins Hirn schleudert. Ein rostiger Panzer, der soeben deine Stellung niedergefahren hat und nun ächzend wendet, um noch ein paar Mal darüberzuwalzen. Ein Armbrustbolzen, der in deinen Gedärmen steckt – und den ein mieser Ork gepackt hat und dir jetzt auch noch im Wanst herumdreht. Strecker muss Pech haben mit seinem Standort – denn an meinem Platz ist der Sound durchaus druckvoll (nur ganz am Anfang etwas zu viel Bass) und wummert gerade in den tiefen Frequenzen jede Körperzelle durch. Bin sicher, dass jeder etwaige Krankheitserreger gerade jetzt zu Staub vibriert wird! Die Playlist ist göttlich: „For Victory“, „No Guts No Glory“, “Powder Burns”, "When Glory Beckons", "Mercenary", "IVth Crusade", "Warmaster", "Killchain" und und und. Karl Willets ist richtig gut drauf und grinst ob des imposanten Anblicks – es gibt Momente, in denen wirklich JEDE/R im Gelsenkirchener Amphitheater zu bangen scheint.

 

Strecker: Bei einem Absacker lassen wir den Tag dann noch mal Revue passieren und dann geht es ins Reich der Träume.

Philipp: Die sind aber auch nach der Gestankattacke von Alex „das Rockgericht“ Beh mehr als verdient! Ist die Pottsau doch den ganzen Tag ohne Strümpfe in Turnschuhen herumgelaufen und zieht in Streckers Hotelzimmer blank! In just dem Moment betritt Boris das Zimmer und fragt entsetzt: „Das riecht hier so komisch. Was IST das?“ Da flieht selbst der hartgesottene Krankenpfleger und schwört, dass man die Mauken bis auf den Flur riecht…

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