WASTED, THE ONE / 19.07.12 - Kiel, Schaubude

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Bevor der Tag 1 des Klownhouse-Festes 2012 am Donnerstag als würdiger Auftakt eines großartigen Punkrock-Wochenendes in Kiel im Schatten der (wie sich herausstellen sollte, zu Recht) ganz großen Namen noch untergeht, sei auch diesem im Folgenden mit ein paar Zeilen der angebrachte Respekt gezollt. Die Ehre das dreitägige Stell-Dich-Ein mehrerer Punk-Generationen auf und vor den Bühnen zu eröffnen hatten die vom Ein-Mann-Projekt zur All-Star-Combo gewachsenen Kieler Locals THE ONE und WASTED aus Finnland.

Es war eine eher spontane Entscheidung meinerseits, auch den Festival-Donnerstag mitzunehmen. So machte ich mir doch tatsächlich ein wenig Sorgen, dass drei Tage in Folge sowohl Energiehaushalt als auch Geldbeutel an ihre Grenzen bringen könnten. Erster Sorge wird ja mittlerweile konsequent und erfolgreich durch den obligatorisch frühen Konzertbeginn in der Schaubude unter der Woche begegnet, an den sich auch das Klownhouse artig hielt, die Zweite konnte durch den Erwerb eines Zwei-Tages-Tickets für korrekte 15 Öcken zumindest etwas eingedämmt werden, womit dann praktischerweise auch gleich der Eintritt für Tag 2 in trockene Tücher gelegt war, über den sich ja bereits Tage vorher hartnäckige Gerüchte hielten, er sei ausverkauft. Was zwar zunächst nicht stimmte, aber dann ja im Endeffekt ja doch zutraf.

Nicht übervoll, aber gut gefüllt mit natürlich einer Menge bekannter Gesichter war es, als THE ONE irgendwann nach 21 Uhr die Bühne enterten. Für mich war es eine Premiere, obwohl ein spätestens durch seine Bass-Tätigkeit bei den CREETINS nicht mehr ganz unbekannter hauptverantwortlicher Herr Fanski mit diesem Projekt ja bereits vor knapp einem Jahr erstmalig in die Öffentlichkeit trat. Mittlerweile ist daraus, wenn ich es richtig verstanden habe, eine feste Band geworden, in der die bei aufmerksamen Verfolger_innen der hiesigen Mucker-Szenerie die nicht wenig bekannten Gesichter von Aiko (TACKLEBERRY/WAREHOUSE) und Matty (Ex-DETECTORS) mitwirken. Und die hiermit verbundenen Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Schöner melodischer Punkrock, dem ein gewisser CREETINS-Einschlag nicht abzusprechen ist, aber insgesamt nicht ganz so glatt rüberkommt. Spielerisch stach vor allem der Bass hervor, da ist halt ein Profi am Werk. Die Band hatte sichtlich Spaß, dem Publikum schien es auch zu gefallen und nicht unbedingt gehaltvolle, dafür aber umso freundlichere Ansagen von Fanski sowie der eine oder andere verpatzte Einstieg rundeten den sympathischen Auftritt ab. Ich will nicht die Qualität der Eigenkompositionen schmälern, aber Highlight und Überraschung des Sets war für mich die Coverversion des Hosen-Klassikers "Opelgang", die durch die ziemlich druckvolle Umsetzung eine im positiven Sinne ganz eigene Note verliehen bekam. Ähnlich unüblich war die Beendigung der Show mit einer weiteren Coverversion, diesmal Nirvanas "Territorial Pissings". Nachdem der Bravo-Teenie-Star-Beigeschmack über die Jahre verflogen ist, scheint es nun auch in der Punk-Szene zunehmend möglich zu sein, einer der wohl innovativsten Bands der 1990er ihre gebührende Ehre zu erweisen, was zu begrüßen ist.

Nach kurzem Luftschnappen vor der Tür ging es dann weiter mit WASTED, die für mich DIE Entdeckung des Klownhouse-Wochenendes werden sollten. In Vorbereitung auf den Abend fiel mir ein, dass ich die vor etwa zehn Jahren schon mal in der Flora gesehen hab, woher auch eine 10" der Band stammen muss, die ich zur Einstimmung seit Jahren mal wieder hervorgekramt habe. Etwa in dem gleichen Zeitraum gastierten die Finnen auch inmitten des Schallschutzstresses schon mal in der Meierei, an die Veranstaltung an sich kann ich mich zwar noch vage erinnern, an einen WASTED-Auftritt jedoch nicht. Abgespeichert als soliden Streetpunkrock erwartete ich ein nettes Konzert für einen Donnerstagabend, viel mehr aber eigentlich auch nicht.

In den letzten zehn Jahren ist aber auch bei WASTED einiges geschehen: Zum Beispiel ein paar Jahre Pause und das ziemlich erfolgreiche Sideproject I WALK THE LINE. Im vergangenen Jahr erschien dann die eigentliche Hauptband mit der aktuellen LP "Outsider By Choice" wieder auf der Bildfläche, die ich mir im Laufe des Wochenendes zulegte und eine gewisse Erweiterung des Streetpunkkerns widerspiegelt. So findet man auf dem Album sowohl straight nach vorn rockende Garage-Core-Stücke (wow, hab ich gerade eine neue Genre-Bezeichnung kreiert?), als auch poppig-emotionale Klänge.

Zugrunde liegt sowohl den älteren, wie auch den neueren Songs eine gewisse melancholische Grundstimmung, die nicht zuletzt durch die thematische Behandlung von verschiedentlichen Erscheinungen des tristen und entfremdeten Alltags spätkapitalistischer Gesellschaften, wie Armut, Perspektivlosigkeit, allumfassende Kontrolle und Selbstzerstörung als vermeintlichen Ausweg, behandeln, ohne jedoch die Hoffnung auf Veränderung vollends aufzugeben. Musikalisch herausragend ist der Gesang, der Shouten und Melodie gekonnt kombiniert.

All diese Elemente fanden sich dann auch bei diesem ersten WASTED-Auftritt des langen Klownhouse-Wochenendes wieder. Sehr nah am Publikum und ihre Sache im Auftreten absolut glaubwürdig und ohne gekünzeltes Gepose präsentierend, riss mich der Gig streckenweise wirklich mit. Vor allem besagte wehmütige, poppigere Songs wie "Reason To Believe", "The Nightmares Of 1984" oder "Doom Train", bei denen der Sänger Ville zeitweise selbst zur zweiten Gitarre griff, hatten es mir angetan, wobei auch diese nie total geglättet rüberkommen. Die "Hey! Hey! Hey!"s lupenreiner Streetpunk-Nummern wie "In The Suburbs" oder rohere Songs wie das schon einige Jahre alte "Hands United", das das Quartett als Zugabe zum Besten gab, machten diesen durchweg sehr guten und vielseitigen Gig perfekt. Die Audienz reagierte hier durch individuelles vor sich hin Schwofen, dort durch Wippen und Nippen und mancherorts angeblich sogar mit Gelangweiltheit, was jedoch in Anbetracht der insgesamt sehr aufgeschlossenen Atmosphäre als zu ignorierende Minderheitenposition ausgeblendet werden darf.

Als ich tatsächlich erst am nächsten Abend erfuhr, dass WASTED als Ersatz für SNFU am Samstag in der Meierei gleich ein zweites Mal das Klownhouse-Fest beehren sollten, war das für mich dementsprechend ein Grund zur Freude und brachte der Band sogar noch weitere Sympathiepunkte ein. So manch Anderer wäre sich für sowas wahrscheinlich zu schade gewesen. Kurzer Vergleich der beiden Auftritte von jemandem, der beide Abende mitgemacht hat: Unentschieden. Der Buden-Auftritt bestach durch seine im wahrsten Sinne des Wortes Augenhöhe mit dem Publikum, dafür war der Sound in der Meierei natürlich anlagenbedingt fetter.

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