SÓLSTAFIR, NORDIC GIANTS / 03.02.2015 – Hamburg, Uebel & Gefährlich

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In der Regel müssen Songs, die mich wirklich tiefer berühren, eine textliche Ebene besitzen, die halt in einer bestimmten Hinsicht Emotionen auslöst. SÓLSTAFIR sind eine Ausnahme. Weiß der Geier, worüber die singen, die Texte sind schließlich auf Isländisch verfasst. Und dennoch ergreifen mich Songs wie „Fjara“ oder „Ótta“ derart mit ihrer Wehmut und Melancholie, dass ich mittlerweile gar nicht mehr wissen möchte, worum es inhaltlich geht.

Erst einmal konnte ich die isländischen Soundtüftler bisher live genießen (2012), von daher bin ich heute extrem gespannt aufs Konzert. Leider habe ich SÓLSTAFIR viel zu spät entdeckt und nun sind sie bereits so groß, dass man ein ausverkauftes UEBEL & GEFÄHRLICH ertragen muss.

SOLSTAFIR
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Fotos von Toni B. Gunner / http://mondkringel-photography.de



                                             
Es ist zum Glück aber nicht ganz so voll wie beim BLUES-PILLS-Auftritt letztes Jahr. Dennoch: Schön geht anders. Ich ergattere mit Mühe einen Platz mit passabler Sicht auf die Bühne. Zum Glück! Denn eigentlich weiß ich überhaupt nicht, was mich bei NORDIC GIANTS erwartet. Und es kommt: ein echter Trip! Zwei Kreaturen in schrägen Kostümen, die stilistisch zwischen der Garderobe notgelandeter Aliens und den Kopfbedeckungen irgendwelcher Naturvölker beim Fruchtbarkeitsreigen liegen, betreten die Bühne. Sphärische, psychedelische Klänge flirren durch den Saal. Dazu laufen Kurzfilme über eine Leinwand und einen zusätzlichen kleineren Bildschirm, dessen Inhalte von denen auf der Leinwand immer wieder variieren. Die Filme sind definitiv kein Billigschrott wie die meisten Heavy-Metal-Clips, sondern qualitativ-technisch sowie inhaltlich wirklich ansprechend. Es geht um Dystopien, den totalen Überwachungsstaat, kranke, schwer zu dechiffrierende Szenen und am Ende trifft in einer Zeichentrickwelt Heidi auf die marschierenden Hämmer aus „The Wall“. Die beiden Freaks zerren, zupfen und tröten dazu in und auf diversen Instrumenten herum, sodass man gar nicht weiß, wohin man zuerst hinschauen soll – zum Einsatz kommen Keyboards, Synths, ‘ne Trompete, Percussion-Zeug, Gitarren und zusätzlich Einspieler vom Band, z.B. eine Sprechstimme. Das Ganze wirkt extrem cineastisch und kann als gelungener Auftakt in den Abend bezeichnet werden.


NORDIC GIANTSNODIC GIANTS

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Zu SÓLSTAFIR habe ich dann einen noch besseren Platz auf so ‘nem Treppchen etwas an der Seite ergattert. Sound und Licht sind schon von Beginn an für meinen bescheidenen Geschmack perfekt austariert, werden aber im Verlauf des Sets gar noch besser. Die vier Freaks nehmen uns für ca. zwei Stunden mit auf eine Reise in isländische Sphären. Zwar ohne Projektoren, doch die Filme laufen hier im Kopf ab. So wenig wie SÓLSTAFIRs Musik irgendwelchen Standards entspricht, so wenig sehen die Typen wie Rockstars aus. Svavar Austman (B) beispielsweise mit schickem Hut und geflochtenen Zöpfchen. Ist ja aber auch vollständig egal, wenn man über Stücke wie "Köld", „Lágnaetti", „Rismál" oder „Svartir Sandar" verfügt und diese live gar noch intensiver als auf Tonträger darbietet. Einige Nuancen wie z.B. die Backgroundchöre fehlen, doch dafür klingt Aðalbjörn Tryggvasons Gesang noch trauriger und zerbrechlicher. Obwohl mit Karl Petur Smith ein Ersatzschlagzeuger mit auf Tour ist, geht die Band souverän auf Blindflugmodus, wobei Gefühl stets über Technik steht, die Schönheit der Trauer wichtiger als Gefrickel ist. Zwischendurch beweist ein Teil des Publikums dann tatächlich Isländisch-Kenntnisse – als der zum Plaudern aufgelegte Karl Tryggvason eine Besucherin fragt, ob sie denn wisse, was „Svartir Sandar“ bedeute, antwortet diese offenbar korrekt mit „schwarzer Sand!“ (na gut, hätte man sich in diesem Fall auch ohne Studium denken können). Zwei Stunden sind nicht kurz im Vergleich zu den Spielzeiten anderer Bands, dennoch schockiert es, als SÓLSTAFIR mit „Fjara“ bereits den Zugabenblock einleiten. Der Übersong lässt nochmal alle Herzen aus dem Takt geraten, bevor man uns in das passend unangenehme Wetter entlässt.


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Vielleicht die Setlist:

  • Köld
  • Lágnaetti
  • Rismál
  • Ótta
  • þín Orð
  • Dagmál
  • Svartir Sandar
  • Djákninn
  • Fjara
  • Goddess Of The Ages


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Kommentare   

+3 #1 Philipp 2015-02-09 15:37
Jetzt mit Bildern von Toni Gunner. Mehr und in besserer Quali hier: http://mondkringel-photography.de/category/solstafir/
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