AHAB, HIGH FIGHTER, MAMMOTH STORM / 31.10.2015 – Hamburg, Bambi Galore

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Lauscht man einem AHAB-Album, zählt zu den ersten Gedanken oder Assoziationen nicht unbedingt die Vorstellung, dass diese Musik völlig neuartig, modern und DAS neue & hippe Ding sei. Aber man stelle sich mal vor, man würde diese Band miten auf ein Festival der 70er oder 80er durch die Zeit zurück auf die damaligen Bretter beamen! Wer ist hier das Monster of Rock? Diese Vorstellung zeigt, dass sich im Metalbereich doch viel verändert und weiterentwickelt hat. Die extrem langsam gezockte und nahezu lautmalerische Nautic Funeral Doom-Brummorgie gepaart mit der unprätentiösen Darbietung samt dauerhaft beschlagener Brille hätte zwischen VAN HALEN und AC/DC wohl eher für offene Münder und ein Bombardement aus vollgepissten Trinkbehältern gesorgt...


Ab ins Bambi. Ich bin tatsächlich ein wenig aufgeregt, habe ich AHAB doch bisher nie live sehen können, obwohl ich der Band seit dem “Call Of The Wretched Sea”-Album verfallen bin. Ausverkauft ist es und das zum zweiten Mal in unserem Billstedter Lieblingsladen (beim ersten Gastspiel war ich verhindert). Zunächst wird das Merch bestaunt, welches maritime Motive vielfältiger Art auf Patches, Krustenlappen, Taschen, Beuteln, Shirts etc. präsentiert. Schick!


Zu MAMMOTH STORM ist es bereits voll und wie immer im Bambi überaus warm (angemessenerweise trage ich mein hauptsächlich aus Löchern bestehendes “Decline Of Kiel's Civilization”-Shirt). Die Schweden passen durchaus zu AHAB, treiben sie ihr Unwesen doch ebenfalls in doomigen Gefilden, toben sich hemmungslos in überlangen Songs aus. Der harsche Schreigesang gewinnt durch viel Echo an Atmosphäre, die Gitarre soll nicht hektisch frickeln, sondern darf einen angeschlagenen Ton auch einfach mehrere Takte lang dröhnen lassen. Ich höre auch psychedelische Elemente in den Songs und denke, dass das Cover des Debuts nicht umsonst leicht an HAWKWINDs “Warrior At The Edge Of Time” erinnert. Die zeitlupig bangende Meute saugt den sludgigen Sud gierig auf und applaudiert. Das Album nehme ich für 20,- Euro allerdings nicht mit, das find ich für Konzertmerchpreise etwas zu hoch gegriffen. Gefallen hat's mir aber!


HIGH FIGHTER haben bereits im März Erwähnung in einer Dremu-Rezi gefunden und zwar anlässlich ihres Supports für CORROSION OF CONFORMITY. Passten sie dort mit ihrem Heavy Stoner Bluescore stilistisch einigermaßen dazu, wirken sie heute deplatziert. Man kann natürlich verschiedene Einflüsse miteinander verbinden, bei manchen Bands find ich das sogar ganz hervorragend (es gibt immer noch viel zu wenig Metalpunk!), aber die Hamburger wirken auf mich zerfahren und unentschlossen. Wohin soll die Reise gehen? Eher 90er Jahre Groove Metal, vielleicht doch Hardcore mit Death Metal-Vocals oder lieber Stonerrock? All diese Stilrichtungen sind vorhanden, handwerklich ist das auch gut gemacht, Mona Miluski ist dazu eine fähige Sängerin (Growls und Klargesang), aber die Band kickt mich persönlich letztendlich nicht. Auch andere Besucher_innen ziehen es vor, ein paar Bierchen im Freien zu genießen. Nun, HIGH FIGHTER existieren auch erst ca. seit einem Jahr, vielleicht fokussiert sich die Band ja noch.


Zeit, den weißen Wal zu jagen! (Tatsächlich hat sich der Schlagzeuger so einen lütten Stoff-Moby Dick zwischen die Toms geklemmt. Sweet.) Ich hatte es bereits in meiner Einleitung angedeutet: Die Band legt mal so gar keinen Wert auf eine beeindruckende Erscheinung. Und während ich überrissene Heavy Metal-Klamotten samt Spendex, Nieten und Leder ja gerne mal feiere, kommt das Anti-Outfit bei AHAB gerade gut. Sänger/Gitarrist Daniel Droste sieht halt aus wie ein verwirrter Physikstudent, der gerade direkt aus der Vorlesung gestolpert kommt. Das ist irgendwie schon fast Punk! Dafür spricht übrigens auch das CHAOS Z-Shirt des Bassisten. Beeindruckend ist eh vielmehr, dass Droste trotz seiner beschlagenen Brillengläser stets auf die richtige seiner unzähligen Tretminen kickt. Sein Gesang hat bei den Growlparts, von denen es heute viele gibt, eine perverse Zerre drübergelegt. Da kann man also immer noch mit ruhigem Gewissen von Funeral Doom sprechen, auch wenn AHAB auf Platte mittlerweile vielschichtiger zu Werke gehen. Die clean gesungenen Passagen kommen fast noch besser, ich kann mich bei AHAB gar nicht entscheiden, was ich lieber mag (sonst heißt die Devise selbstverständlich pro Neanderthal-Gebrüll). Das Bambi ist vollgestopft mit Doomheads, die alle im selben Rhythmus bangen – geiler Anblick. Trotzdem gelingt es mir immer wieder mal zum Tresen zu wieseln und mich biergewappnet zurück in die erste Reihe zu zwängen. Beeindruckend sind bei AHAB die Kompositionen, die perfekt zu den Texten passen: Du meinst, dich auf hoher See zu befinden, den Möwendreck auf den Planken zu riechen, das sanfte oder manchmal auch mächtig anschwellende Schaukeln der Wellen zu spüren. Dann wieder das Gefühl des Ertrinkens, des Versinkens in unheilvolle, dunkle Tiefen, Auge und Auge mit tentakelbehafteten blinden Kreaturen, welche nie ein Sonnenstrahl getroffen hat! Im Grunde ein Konzert, welches weniger Action bietet oder dazu einlädt, sondern vielmehr zu träumerischem Schwelgen reizt. Sofas wären bei AHAB voll gut! Reinfläzen, abhängen und den Doom-Fantasien freien Lauf lassen...


Unsere Rückreise ist unbedingt noch eine Erwähnung wert: Die Fahrt zum Hamburger Hbf verläuft noch reibungslos. Dort haben wir theoretisch noch eine Stunde Zeit, bis unser nächster Zug fährt. Ich entschließe mich spontan dazu, in einem offenbar still stehenden und wartenden Zug eine kurze Entschlackung vorzunehmen. Jan ML protestiert noch: “Da steht aber 'Bitte nicht einsteigen!'", aber da sitze ich schon auf der Brille. Doof nur, dass plötzlich alle Lichter im Zug ausgehen und so ein verdächtiges Rütteln zu spüren ist. Mit hastig hochgezerrter Hose stürme ich aus dem Abort und oh Schreck: Der Zug fährt! Mit mir als einzigem Passagier. Wohin mag die Fahrt mich führen? Das gefällt mir jetzt alles gar nicht mehr. Mein Sack voller Getränke steht z.B. noch bei meiner Reisegruppe auf Gleis 7. Und ich habe das Gruppenticket. Diese drückende Last der Verantwortung drängt mich zur einzig möglichen Entscheidung: Kurz vor Dammtor betätige ich die Notbremse. Jetzt der bange Moment: Wird sich auf Bedienung des Türsensors überhaupt der Ausstieg öffnen? Mein Zeigefinger drückt zittrig auf das Feld – die Türen gleiten auf! Strike! Ich springe beherzt ins Dunkel – um mich herum nur Gleise und dazwischen höchstens zentimeterbreite Plattenpfade. Mich ständig umblickend, damit mich auch ja kein Zug überrollt, eile ich ca. eine halbe Stunde zurück zum Hauptbahnhof, wo ich von meiner johlenden Reisegruppe empfangen werde. Was danach passiert, ist mir fast schon egal: Da wir über eine Gleisänderung nicht informiert werden, verpassen wir um Sekunden unseren Zug. Auf unseren Protest hin verlängert die Bahn unsere Karte, die eigentlich um 03.00 Uhr abgelaufen wäre und spendiert uns pro Kopf einen Snack-Gutschein für unfassliche 2,- Euro. Ach ja, die letzten Stationen werden dann noch per Schienenersatzverkehr absolviert, so dass wir etwas später als erwartet in unsere Betten sinken. Still loving DB!

Kommentare   

+3 #1 Ayhan Maiden 2015-11-03 12:04
:D

Die Notbremsen Nummer ist der Knaller! AAAHAAAHAAAA
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