Stumbling Pins – "Common Angst" (CD/LP Fire and Flames Music/Plastic Bomb Records)

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Eine zweite Platte rauszubringen ist eine Erfahrung, die mir bisher mit jeder der Bands, in denen ich spielen durfte, verwehrt blieb. Bei vielen anderen Bands empfinde ich das zwar als nicht weiter tragisch, weil sie nach meinem Dafürhalten entweder ohnehin nicht allzu viel hergeben, oder aber nach einer Platte einfach alles gesagt ist, was sinnvollerweise in einer bestimmten kreativen Formation zu sagen ist, so dass alles, was danach kommt, zwar nicht schmerzt, aber sich im Grunde anfühlt, als wäre etwas Nettes nochmal breitgelatscht und aufgewärmt worden. Die Gaarden-basierten STUMBLING PINS zeigen jedoch aktuell mit ihrer lang erwarteten zweiten Platte, wie unerwartet große Schritte eine Band mitunter noch tun kann.


Stumbling Pins




Die fulminante Entwicklung, die sich zwischen dem Debut „Aged Colours and Behaviours“ und dem Zweitling abzeichnet, vollzieht sich auf so vielen Ebenen, dass ich dieses Review – oder, nehmen wir das mal vorweg: die Lobeshymne - in mehrere Punkte gliedern muss: 1. Das Songwriting. Das Wichtigste zuerst: Ich erinnere mich noch, wie mich das generalüberholte Live-Set schon Anfang des Jahres in der Medusa sofort gekriegt hat (Link: http://www.dremufuestias.de/index.php?option=com_content&view=article&id=5050%3Astumbling-pins-the-dutts-23-01-2016-kiel-medusa&catid=15&Itemid=290). Jetzt, wo ich das Ganze nochmal im Detail nachvollziehen kann, verfestigt sich der Eindruck, dass die PINS musikalisch mittlerweile genau wissen, was sie wollen und auch, wie sie das hinkriegen. Melodien und Spannungsbögen funktionieren jedenfalls perfekt und wirken sehr, sehr ausgereift. Dazu passt, dass die Texte mit wesentlich mehr persönlichen Anteilen daherkommen, ohne an politischem Biss zu verlieren. Meine drei Favoriten folgen auf der Trackliste übrigens direkt aufeinander. „Shiver Alone“ kriegt mich sofort mit seinem sehr einprägsamen Gitarrenriff, die „Ode to joy“ wartet mit einem unwiderstehlichen Hook und auf („repeat the lies a million times they are true/ it is not our fault / turn history around and cover it up /Europe's past it shines so bright / united in hypocrisy“). Nimm das, Schiller, du lahme Pottsau! Das Anti-Yuppie-Manifest „Gentrifucks“ baut sich schließlich handwerklich bravourös zu einer wahren Hymne auf. Auch wenn sich die Platte insgesamt wirklich sehr gut zum skipfreien Durchlauf eignet, läuft dieses Trio bei mir seit rund einer Woche nochmal in einer Extradauerschleife.

2. Willers Stimme. Die hat nämlich stark an Charakter und an tonaler Bandbreite gewonnen, so dass sich ihr auch über die Dauer einer ganzen Platte problemlos zuhören lasst, ohne dass sie anstrengend wird, wie Kindergequäke, oder sich sonst irgendwie abnutzt. Ich habe zwar immer wieder den Eindruck, dass sich manche Harmonien mehr als einmal auf der Platte finden, aber selbst wenn das kein Fehleindruck ist, macht es überhaupt nichts, da trotzdem kein Song so wie der vorangegangene klingt.

3. Mos Drumming. Dass ein Trommler einer Band so im positiven Sinne nochmal einen ganz neuen Stempel aufdrückt, habe ich zuletzt vielleicht bei AFFENMESSERKAMPF erlebt. Hier passt es wie die Faust aufs Auge und macht die Songs nochmal interessanter. Ich bin nach dem Genuss dieser Platte daher auch nochmal mehr gespannt auf die ersten Aufnahmen von MOOD CHANGE.

4. Die Produktion: Ich finde ja den Tonmeisterei-Sound nicht unbedingt bei jeder Band bzw. Musikrichtung passend, hier aber absolut. Sehr poppig und aufgeräumt, aber ohne den Wumms zu verlieren, oder die Band nicht mehr nach sich selbst klingen zu lassen. Insbesondere das bereits erwähnte „Gentrifucks“ oder auch das nicht weniger hymnische „Empty Pockets“ profitieren sehr vom erstklassigen Sound.

5. Was sonst noch? Für das hübsche Bandfoto und das eher unkonventionelle Artwork (sieht irgendwie nach Frühachtziger-Wave/NDW mit viel Handarbeit aus) zeigt sich Svetlana Grigorieva verantwortlich, beim Song „The Beauty of Imperfection“ gibt es Gastgesänge von Flicke.

Fazit. Hier fasse ich endlich mal kurz: Mit über einer Woche Abstand ist die neue Platte der STUMBLING PINS nicht nur eine Kandidatin für die engere Auswahl meiner Platten des Jahres, sondern auch für meinen persönlichen Olymp der besten Kiel-basierten Platten. Ich rate ausdrücklich zum Genuss.

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