UDO LINDENBERG / 03.05.2017 - Kiel, Sparkassen-Arena

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Huch, wie ist denn DAS passiert, dass ich mal bei Udo Lindenberg lande? Ganz einfach: Vaddi hat mich gefragt. Und auch noch die Tickets spendiert. Da sag ich doch nicht „nein“! An dieser Stelle nochmal „Danke, Vaddi!“

Ich hab mit Lindenberg ja nie so richtig viel am Hut (höhö) gehabt. Musikalisch verbinde ich mit ihm hauptsächlich alte Sachen wie „Sonderzug nach Pankow“ oder „Hinterm Horizont geht’s weiter“. Die neueren Sachen gehen irgendwie komplett an mir vorbei. Bleibt nix von hängen.

Und was sonst noch? Das übliche Halbwissen: Eierlikör, Zigarre, Hotel Atlantic, Villa Kunterbunt... Und natürlich seine Bemühungen, in den 80ern in der DDR spielen zu dürfen. Und dass Helge Schneider ihn WAAAAAAHNSINNIG gut nachmachen kann. Dann hörts aber auch schon auf.


Als wir vor der Halle in die Schlange einreihen, fallen mir zwei Dinge ins Auge. Erstens: Ein Blick aufs Ticket offenbart mir, dass mein alter Herr offensichtlich keine Kosten gescheut hat. Über 90 EUR für nen 1A-Sitzplatz. Puuuh... das is echt viel Kohle, besonders dann, wenn man sonst eher nen Zehner für Punkrock-Konzerte gewöhnt ist. Und zweitens: Ich werde mit meinen Mitte 30 definitiv einer der Jüngsten in der Halle sein. Die meisten sind schätzungsweise eher Ende 40 bis Mitte 60.

Nach der Kontrolle durch sehr nette und höfliche Security-Mitarbeiter stehen wir dann in dem Rundgang. Bierbuden, Eisstände, das Übliche in solch größeren Locations. Zwingend ins Auge springt mir der Merch-Stand. Es gibt hauptsächlich schwarze T-Shirts mit neonfarbener Beschriftung wie „Ich mach mein Ding“ oder „Coole Socke – Lindenberg“. Und natürlich wieder das allseits bekannte Phänomen: Nicht wenige Besucher_Innen rennen sofort nach dem Betreten der Halle zum Merchstand, um sich n Shirt zu kaufen und sich dieses dann direkt über das kurzärmelige Karohemd zu ziehen. Und ganz wichtig: Der Kragen muss ordentlich oben rausgucken. Und dann wird mit dem neuen Shirt durch die Halle stolziert wie ein 4-jähriger, der mit seinem neuen Cowboy-Kostüm in den Kindergarten kommt. Sowas find ich ja immer lustig-faszinierend.

Die Stimmung vor dem Konzert ist recht gut. Der Rundgang ist gerammelt voll. Lange Schlangen vor jeder Bierbude. Einige belacken sich, als wären sie jahrelang nicht aus ihrer Doppelhaushälfte in Schuby herausgekommen. Andere wiederum bedienen das norddeutsche Klischee, indem sie, in der Ecke stehend und die Mundwinkel bis auf die Knie runter gezogen, keinen Hehl aus ihrer schlechten Laune machen. Gesichtsausdrücke sprechen manchmal Bände. Sätze wie „Hoffentlich geht das nich so lange heute, ich muss morgen früh hoch“ oder „Mir is das eigentlich viel zu voll und zu laut hier“ glaube ich in manchen Mienen zu lesen.

Als wir um ca. 19:45 Uhr unsere Plätze aufsuchen, fallen mir wieder zwei Dinge auf. Zum einen sind das wohl wirklich die besten Sitzplätze. Wir sitzen rechts von der Bühne im Unterrang und haben nen sehr guten Blick. Zum anderen scheinen ALLE Schlechtgelaunten in diesem E2-Block zu hocken. Als die Leute in unserer Reihe sich erheben müssen, um uns zu unseren Plätzen durchzulassen, werden wir mit Blicken getötet. Ist ja auch ne Frechheit von uns, dass wir nicht mindestens ne halbe Stunde vor Konzertbeginn da waren. Doch dann sitzen wir endlich, und alle Spaßbefreiten in unserer Reihe dürfen auch wieder sitzen, natürlich schweigend und mit verschränkten Armen. Wir sind hier ja nicht zum Spaß.

Bevor das Konzert losgeht, gucke ich mir mal die Bühne an. Laufsteg. Riesengroße Leinwand im Hintergrund. Und n kleiner Tresen an der linken Seite. Voll die gute Idee ja eigentlich. Ich bin zunehmend neugierig, was da wohl kommt.


Um 20:00 geht es los. Pünktlich auf die Sekunde. Kurz meine ich zu vernehmen, wie diejenigen, die morgen früh hoch müssen, erleichtert aufatmen. Gott sei Dank, keine Verspätung!

Die Band, das „Panikorchester“, betritt die Bühne und fängt an, irgendwas „Rockiges“ zu spielen. Und dann kommt der olle Lindenberch in nem Käfig unter der Decke auf das Ende des Laufsteges geschwebt. Mit Zigarre, Hut, Sonnenbrille, Nietengürtel und fragwürdiger Motorik. Wie man ihn kennt also.

Das Konzert beginnt mit eher neuen Sachen (sowas wie „Einer muss den Job ja machen“ und „Mein Ding“), und ich muss sagen: Auch live gespielt kriegt mich das irgendwie nicht.

Ich achte in dieser Phase weniger auf die Musik und richte den Blick eher auf die Leute, die Udo da noch so mit auf die Bühne geschleppt hat. Und das sind verdammt viele. 1 Schlagzeuger, 3 Keyborder, 2 Gitarristen, 1 Bassist. Alle in die Jahre gekommen, aber in so „Rockstar-Klamotten“, die graue Matte dunkel gefärbt und mit Sonnenbrille. Aber die wissen schon, was sie tun, und liefern souverän und solide ab. Dann gibt’s da noch 4 Backgroundsänger_Innen. Machen nen guten Job, soviel ist sicher. Kommen teilweise etwas arrogant und so möchtegern-rockstar-überdreht rüber. Aber was solls.

Die Bühne voll machen dann immer wieder sporadisch auftretende Mitglieder, wie die 4 Tänzerinnen, eine Akrobatin (kommt hier und da mal in nem Reifen von der Hallendecke runter) und 10-12 Grundschulkinder, die mehrere Songs mitsingen und mitspielen. Teilweise hampeln da bis zu 30 Leute auf der Bühne rum. Kommt mir fast vor wie ein Musical.

Apropos Musical: Gastsänger_Innen kommen natürlich auch. Zunächst die junge Dame, die bei Udos Musical das „Mädchen aus Ostberlin“ spielt. Die verhält sich, als hätte sie entweder zuviel Kaffee getrunken oder als kämpft sie händeringend um eine Vertragsverlängerung. Irgendwie völlig drüber und affektiert. Und später kommt noch ein Typ namens Daniel Wirtz für einen Song auf die Bühne. Kannte ich vorher nicht. Musste ich googeln. Hab auch schon wieder vergessen, was da stand.

Irgendwann fällt mir auf, wie penibel das ganze Konzert durchchoreografiert ist. Zunächst bemerke ich die 7 über die Bühne verteilten Flatscreens, von denen Udo nicht nur immer wieder seine Gewaltreime (da reimt sich schon mal „Schnarcho“ auf „Anarcho“) abliest. Auch die Ansagen zwischendurch, die hier und da durchaus ins Politische und Persönliche gehen, werden ihm in altersgerecht großer Druckschrift auf den Schirm geknallt.

Laut lachen muss ich dann aber doch, als ich bemerke, dass unter dem Laufsteg ein Crewmitglied wartet, um an mehreren vorher abgesprochenen Stellen ein Sitzkissen auf den Laufsteg zu werfen, auf dem Udo sich dann auf die Knie fallen lassen kann. An dem Kissen ist sogar eine Art Wäscheleine, an der besagtes Crewmitglied das Kissen wieder einholen kann. Definitiv eines meiner Highlights des Abends.

Was die Setlist angeht, wird es dann doch noch angenehm bunt. Hier und da eine Ballade wie „Hinterm Horizont...“, und gegen Schluss haut er dann doch die alten Sachen raus. So Dinger wie „Honky Tonky Show“, „Johnny Controlletti“, „Sonderzug nach Pankow“. Das schockt dann schon! Damit wird dann das Publikum auch endlich wach, die sich bisher eher... naja... zurückgehalten haben. Sogar die Schlechtgelaunten um uns herum lösen ihre Arme aus der Verschränkung und klatschen hier und da mit. Ganz zum Schluss steht sogar fast die ganze Halle. Hätte ich am Anfang nicht gedacht, dass der Mann mit dem Hut das schafft. Und ich freue mich für ihn. Der hampelt mit seinen fast 71 Jahren ohne Pause auf der Bühne rum, ist gesanglich noch richtig gut unterwegs und und gibt auf der Bühne immer noch mehr Gas als so manch 30-jähriger.

Nach fast zweieinhalb Stunden ist dann Schluss. Udo steigt in nen Raumanzug, schwebt wieder zur Decke und is wech. Dann gibs noch n paar Stichflammen, Konfettiregen, und dann geht das Licht an.

Fazit: Ein unterhaltsames Konzert, das den Zuschauern nicht nur musikalisch viel geboten hat. Es gab viel zu sehen, und mir war während der zweieinhalb Stunden nicht einmal langweilig. Also nochmal: Danke, Vaddi!

Das Publikum war ne harte Nuss. Skeptisch, teilweise verschlossen und irgendwie distanziert. Schade eigentlich. Konzerte sind doch was Schönes! Muss sich hier und da wohl noch erst rumsprechen.

Ach ja, ne Aftershow-Party gabs glaub ich nicht. Wir mussten ja alle am nächsten Morgen früh hoch.

Kommentare   

0 #4 boller 2017-05-10 08:09
Klasse Bericht!
Mein Halbwissen sagt mir noch, dass er in den 70ern sich für die HH (Musik)Punkscene interessierte und sich als Produzent betätigte sowie Kontakte zum Teldec Label vermittelte.
Hatte er zu den Anfangszeiten von Big Balls & The Great White Idiot(HH), Punkenstein(HH)und Pack(M)die Finger im Spiel?
Bin mir nicht sicher und ist eigentlich auch egal. Seine Mucke ist jedenfalls immer noch nichts für mich.
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+1 #3 Joachim Gauck 2017-05-04 21:11
Zauberhaft ;)
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+1 #2 Kad Käsebrot 2017-05-04 17:11
Wie schön :-D
Der Absatz "Die Stimmung vor dem Konzert ist recht gut..." - gefällt mir besonders. * chr *
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0 #1 Philipp 2017-05-04 14:48
Haha, geil!
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