LA FEMME / 16.10.2017 – Portland, OR, Doug Fir Lounge

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Da denkt man im Vorwege, schau dir doch mal etwas Unbekanntes an dem bisher nicht verplanten Abend an. Etwas, bei dem der Schuppen nicht voll ist und welches sich später womöglich als Geheimtipp erweist. Und dann das! “Sold Out!“ steht an der Ticketkasse vom Doug Fir im schönen und gleichsam recht provinziellen Portland, Oregon.

La Femme aus Frankreich spielen laut Wikipedia Krautrock. Das passt auf den ersten Blick ungefähr so gut wie eine Chanson Sängerin aus Essen-Kray. Zudem werden sie auf jener Seite als Psychedelic Band beschrieben, die zusätzlich noch den Genres Cold Wave (super!), Punk (krass!), Yéyé (was auch immer das sein mag) und Surf (das ist ein Genre?!?) zuzuordnen ist.  

Die Vorband verpasse ich, da diese scheinbar auf die Minute pünktlich loslegt und ich mich vor dem Eingang noch festquatsche. Macht aber nichts! Rein, die stylishe Treppe herab und zuerst eine Kanne Bud Light an der herausgeputzten Bar holen. Billig ist das hier aber nicht, denke ich und lasse den Blick schweifen.

Die Doug Fir Lounge mit einer Kapazität von 299 sieht im inneren aus wie eine Blockhütte. Alles ist mit Holz verziert und halbrunde Baumstämme verkleiden Decke und Wände. Beleuchtete wie transparente Böden, Sitzecken und Barmitarbeiter, die „Bitte“ und „Danke“ sagen – der Bums ist aber ganz schön „posh“.

Zudem trägt das Publikum hier Hüte... also keine Mützen... oder Baseball Caps… Hüte! Und gesoffen wird aus Cocktail Glasern, in denen sich auch noch Gemüse tummelt. Ich erkenne kleine Gürkchen, so ne Art Sellerie, das andere könnte Petersilie sein...da lasse ich doch die Kanne Bud Light lieber gleich wieder unter der abgeranzten Armeejacke verschwinden – man möchte ja nicht negativ auffallen und mit einem Lampenschirm auf der Birne hat sich die Frage nach dem scheinbar nötigen Hut auch geklärt. Das Doug Fir wurde vom amerikanischen Rolling Stone auf Platz 13 der besten Clubs Amerikas gewählt – Meiers oder die Bude hätten es auch nicht unter die Top 10 geschafft.


Nun betreten La Femme die Bühne. Die Stimmung ist jetzt schon ausgelassen. Typische Franzosen, denke ich jedoch. Alles irgendwie überzogen. So erinnert mich der Gitarrist ganz in Leder an den Häuptling der Village People, die Sängerin trägt (noch) einen Hut und der Typ am Synthesizer (die ganze Zeit) eine Sonnenbrille. Letzteres ist für mich persönlich ein absolutes No-Go! Wenn, dann darf das nur einer: Andrew Eldritch von den Sisters! Schlagzeuger und Bassistin (sofern auf der Bühne) verschwinden dezent im Hintergrund.

Die Band eröffnet mit „Sphynx“ den Abend, „Mycose“ folgt. Alles auf Französisch und dabei bleibt‘s auch. Trotz der Sprachbarriere ist das im Durchschnitt relativ junge Publikum begeistert. Ich vergesse den Fauxpas mit der Sonnenbrille, als ich die Dance Moves der Sängerin und Keyboarderin Clémence Quéllenec (wer kann das bitte fehlerfrei aussprechen?) bemerke... die sind schon 11 von 10 Punkten wert und auch wie sie grazil das Tambourine anschlägt... könnte ich mir den ganzen Tag ansehen. Super!

Teilweise zweistimmige Vocals treffen auf ein seichtes aber gleichsam energisches Schlagzeug, eine gerne auch mal sägende Gitarre ohne fette Riffs reiht sich ein und ständig schwirren die Synthesizer über allem. Klingt apart, fast hypnotisch. Der Chorus sitzt und überall wird getanzt. Nur ganz vorne nicht immer, da entwickelt sich von Zeit zu Zeit gerne mal ein wahrer Mosh Pit. Für mich nicht unbedingt verständlich, die Musik lädt alles andere als zum Violent Dancing ein, aber es fliegen teilweise die Gliedmaßen (und Hüte) nur so. Ich würde die Musik „chillig“ nennen und bin überzeugt, Kraftwerk ist der Band nicht unbekannt.

Ist das nun aber Krautrock? Wer bei dem Begriff an zugekiffte Oberschullehrer denkt, die stundenlang auf ihrer elektrischen Gitarre schrubbeln und ein Lied erst nach 2 Stunden 45 für beendet erklären, dann nicht. Wer aber auch komplexe, vielschichtige Strukturen und elektronischen Einfluss wie bei Tangerine Dream vor Augen hat, dann ja.

Die Gitarre ist definitiv Surf, die Synthesizer Cold Wave. In Verbindung wird das Psychadelic und Punk ist da auch irgendwie dabei. Nur Yéyé habe ich wohl übersehen.

Heute gibt’s sogar eine Zugabe, aber bei dieser kommt noch ein Rapper dazu, der wohl auch im Vorprogramm war. Hmpf, aber so ist das eben. Gefallen hat‘s mir trotzdem und beide Scheiben (Psycho Tropical Berlin & Mystere) liefen seitdem durchaus öfter. Ich hätte sie mir sogar in New York im Warsaw ein zweites Mal angesehen...aber da war tatsächlich längst „Sold out!“….

Sur la plage, dans le sable
Je recherche des sensations
Sur la planche, sur la vague,
Je ressens des sensations
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