KÄPTN PENG & DIE TENTAKEL VON DELPHI, DANIEL FREITAG / 28.01.18 – Kiel, Pumpe

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Unterschätzt. Die Beliebtheit von Käptn Peng ist in den vergangenen Jahren zu recht gestiegen, nicht erst seit dem legendären Video zu „Der Anfang ist nah“. Konsequenz: Lange vor dem Termin ist das Konzert ausverkauft. Es bedarf also einigen Anstrengungen, um doch noch in den Genuss von genügend Karten zu kommen. Dafür – soviel vorweg – hat es sich gelohnt.


Daniel Freitag als Warm-Up steht leider auf ziemlich verlorenen Posten, ist mit seinem langsam-chilligen Singer-Songwriter-Programm zwar ein echter Gegenpol zu dem quirligen Käptn Peng, aber vom Hocker reißt es leider niemanden, und so verschwindet Daniel Freitag nach einem tapferen Auftritt auf verlorenem Posten, ohne viel im Hirn zu hinterlassen.

Dann betreten Käptn Peng & die Tentakel von Delphi die Bühne und damit die bei Hip-Hop-Bands ja immer bange Frage, ob das Gehörte live genauso gut rüberkommen kann wie auf Konserve. Mit den ersten Tönen der Band zu „WobWobWob“ ist aber klar, dass uns ein heißer, bewegungsvoller Abend bevorsteht. Mit fetten Funkbeats beginnt von der ersten Minute an erst der Fuß zu zucken, innerhalb von kürzester Zeit folgen Beine, Arme, Körper und Kopf. Der Kopf hat heute Abend allerdings Schwerstarbeit zu leisten. Denn Käptn Peng bläst seine komplexen, bedeutungsschwangeren Hochgeschwindigkeitsmultireime in das Publikum, welches er stets mit einem neuen Namen bezeichnet, weil er es doof findet, die Menschen mit dem Namen der Stadt anzureden.

Die harmonische Kombination aus Band und extrem sympathischen Frontmann zündet. Dieser lässt keine Chance aus, um zu beweisen, dass ein guter Reim nicht aus zwei, sondern mindestens aus vier, besser sechs oder acht Zeilen bestehen MUSS. Dabei sind die Texte aber intelligent, und Käptn Peng „im Methaphorienrausch“ spannt ein buntes Sammelsurium aus Fabeln, Gleichnissen, und skurrilen Geschichten rund um den Kreis, das wiederkehrende Element aller Texte aus. Dabei kommen Perlen wie der Song mit dem sperrigsten Titel „ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ“ oder dem mathematisch-nerdigen „Pi“ (Chorus: „3,14 … usw.“) vom neuen Album „Das nullte Kapitel“ zum Einsatz. Natürlich dürfen aber auch die Hits der Debütalbums „Expedition ins O“ wie „Sockosophie“ und „Der Anfang ist nah“ nicht fehlen. Dazu noch einige Songs, die Käptn Peng zusammen mit seinem Bruder Shaban aufgenommen hat und  nun auch mit diesem kredenzt wie „Sie mögen sich“.

Die Performance an sich ist schon anspruchsvoll, intellektuell und trotzdem voller Gefühle. Dazu kommen passende Schauspieleinlagen, so spielt Peng oft mit sich selbst in den Dialogen der Songs als schizophrenes Ein-Mann-Theater. Der Käptn lässt es sich nicht nehmen, ein paar Freestylepassagen einzustreuen, auch hier so genial und in einer affenartigen Geschwindigkeit, dass man denken müsste, das wäre einstudiert - wäre da nicht der Umstand, dass Peng aus Sachen, die ihm aus dem Publikum zugeworfen wurden – Mütze, Notizbuch, Labello, Bonbon - einen Text zusammenklamüstert. Wenn er sich selbst dabei schrottlacht, so kann man sich dem nicht entziehen.

Wer jetzt von mir noch hören will: „Käptn Peng, der Sohn von … und …“, der wird enttäuscht werden. Denn diese Hörner, seine prominenten Eltern, Starthilfe und Last zugleich, hat Peng sich längst abgestoßen und im deutschen HipHop nicht nur seine Duftmarke hinterlassen, sondern ein neues Kapitel aufgeschlagen, sei es das nullte oder wie auch immer.


Wer Peng noch nicht kennt und Reime mag, hier noch ein schöner Mehrfachreim aus „Neue Freunde“ zum Abschluss.

Ihr seid Hipster dissende Hipster, die Hipster dissen
Doch Hipster dissen ist nicht hip, seit alle Hipster Hipster dissen
Sogar deine Geschwister wissen
Dissen ist wie nackt auf einem Turm in ein Gewitter pissen:
Am Anfang witzig, doch danach wird dich der Blitz erwischen
Karma ist ein Bumerang, ich hab doch nur'n Witz gerissen
Aber der Witz ist alt und die Pointe ist beschissen
Du hast keinen Witz, sondern deine Verbindung abgerissen
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