LA DISPUTE / 20.08.2018 - Hamburg, Sommer in Altona

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Es ist Sommer in Altona! Also hin da! Angekündigt sind La Dispute und Svalbard. Super Package, nur das Bezirksamt sieht das anders. Dieses befürchtet Lärmbelästigung und Ruhestörung bis tief in die Nacht, da der Auftrittsort ein am Nobistor aufgebautes Zirkuszelt ist. Also werden Svalbard kurzerhand von dem Billing gestrichen. Das ist jetzt aber kein Grund, traurig zu sein. Sofort finden die Veranstalter einen anderen Auftrittsort für die Abräumer der letzten 27 Kiel Explode Festivals. Sie spielen im Anschluss in der Roten Flora. Also nach La Dispute hin da, es ist doch Sommer in Altona! Und an der Schanze scheint ohnehin das ganze Jahr die Sonne...oder es brennt zumindest der Molotow Cocktail.




8 Bier mal vorweg und trotzdem ist die Location leicht zu finden. Einfach die Reeperbahn entlang, am hinteren Penny (da an der Kreuzung) vorbei und gegenüber der Aral Tanke sieht man in dem dortigen Park bereits das aufgebaute Zirkuszelt. In einem solchen ist es für mich das erste Mal, bisher kennt man Konzerte ja nur auf Schiffen (mit oder ohne Fahrt), unter Brücken, im Waschsalon oder bei Tante Frieda in der Küche. Vermutlich hat hier auch wieder Pierre Bade, Konzertveranstalter aus Hamburg und stets stilsicher in Sachen Leatherjacket with Boots on Style, seine Finger im Spiel - der Mann ist ja sehr umtriebig. Ein Kompliment muss man aber zweifellos an die Organisatoren machen. Das ganze Areal ist mit Liebe gestaltet. Vor dem Zelt, zwischen den schattenspendenden Bäumen, ist idyllisch ein Biergarten gelegen und das 0,4 Jever gibt es für faire 3,50. Dem Rat des netten Kontrolletis am Eingang, sogleich das Ticket gegen einen Stempel zu tauschen, befolgen wir umgehend. Später reicht die Schlange vor dem dafür zuständigen Zelt bis zum Eingang des Areals.


„In dem Zirkuszelt riecht es bestimmt nach Elefant“, mault ein Kumpel. Aber nein, dem ist nicht so! Nur ganz schön heiß ist es jetzt schon und weder haben La Dispute bereits angefangen, noch sind alle Gäste des ausverkauften Konzerts hier versammelt. Später erreicht die gefühlte Temperatur Saunaniveau und die Luftfeuchtigkeit erinnert an den Monsun in den Tropen.


Vor kurzem erst titelte ein Magazin des Feuilletons „Elektrische Gitarrenmusik ist tot“ und bezog sich auf die Rap-Affinität der Teenager Generation. Dem muss man heute Abend jedoch widersprechen. Auffallend viele junge und auch weibliche Besucher tummeln sich hier. Der Rest dagegen ist bärtig und reicht von Hardcore Fans, Metal Maniacs bis hin zu coolen Doom Rockern.


Mit etwas Verspätung beginnt die Chose. Angekündigt war 20:00 und um 20:15 Uhr mache ich mir bereits Gedanken, ob wir die Flora und Svalbard noch rechtzeitig erreichen. Irgendwann verdunkelt sich dann aber doch die Beleuchtung in dem Bums und augenblicklich steigt der Schlagzeuger mit hartem Anschlag ein. Zwei Gitarristen und ein Bassist vervollständigen das Line-up neben Sänger Jordan Dreyer.


La Dispute ist eine Post Hardcore Band aus Grand Rapids in Michigan. Neben Defeater, Touché Amoré, Make Do and Mend sowie Pianos become the Teeth bilden sie einen Teil der Bewegung „The Wave“ - was diese ist, kann ich nun wirklich nicht sagen. Klingt aber wichtig. Vermutlich unterstreicht jenes ihren Stellenwert im Bereich des innovativen, mit dem althergebrachten Hardcore brechenden, neuen Hardcore. Hier geht es nicht darum, wer ist hart, härter oder am härtesten. Das Zebrechliche, die Unsicherheit, die Zweifel an und ob der menschlichen Existenz stehen im Mittelpunkt. Jordan Dreyer transportiert dies mit seiner Stimme, die man nur lieben oder hassen kann. Er flüstert, spricht, schreit und unentwegt hallt die Verzweiflung in ihr wieder. Langsame Passagen wechseln sich mit schnellen ab, Spoken Word findet dazwischen seinen Platz. Irrwitzig tobt er immer wieder die Bühne, hält der ausgesprochen textsicheren ersten Reihe das Mikro hin und lässt diese brüllen. Der Rest der Band verharrt meist unbeweglich auf ihren Plätzen, obschon auch ihnen die Bühne ausreichend Platz bieten würde.


Sobald aber die Handbremse gelöst ist und die Musik geradeaus nach vorne knallt, verwandelt sich das ganze Zelt in einen riesigen Mosh Pit. Das aber mal wirklich alle mitmachen, habe ich bisher auch eher selten erlebt. Es wird zwar geschubst, sich angesprungen, nach vorne gestürzt – aber alles mit Respekt und ohne die Absicht, andere verletzen zu wollen. Kaum ist aber der Sturm vorbei, die Schlagzahl gesenkt und Jordan Dreyer flüstert, umarmen wir uns und werden eins.


Vorne werden derweil auf Bitte der Band Wasserflaschen verteilt und durchgereicht, der Sänger erzählt, wie oft sie schon in Hamburg waren. Der Auftritt heute erinnert ihn an die Anfänge der Band, als sie noch oft in Scheunen im ländlichen Michigan aufgetreten sind – die verstreuten Späne füllen das Zelt mit einem holzigen Hauch – besser als wenn es nach Elefant riecht….


Als vorletztes Lied wird King Park gespielt, einem absoluten Highlight, das selbst aus diesem überragendem Œuvre hervorsticht und noch einmal die Stimmung zum Überkochen bringt. Obwohl La Dispute mich hin und wieder an At the Drive-In (als sie noch gut waren, so vor 10-15 Jahren) erinnert, bin ich der Meinung, (Post)-Hardcore kann man (außer Svalbard natürlich) heutzutage kaum besser spielen und ich ziehe Vergleiche zu Pallbearer im weiten Feld des Dooooooom.


Großartig! Alles großartig! Und jetzt schnell ab in die Rote Flora, den zweiten Kracher des Abends ansehen und unterwegs nochmal auftanken. Ich habe nämlich stechenden Durst…..es ist doch Sommer in Altona!

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