TV SMITH / 18.10.2018 – Kiel, Schaubude

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TV Smith kann eingängige Songs schreiben, charismatisch singen und punkig-monoton seine Akustikgitarre malträtieren: Wie gut das ein schlüssiges Gesamtbild gibt, konnte er am vergangenen Donnerstag in der Schaubude beweisen.



Vor Konzertbeginn hängt der Künstler für seine Fans zugänglich am Merch-Stand herum, allmählich trudeln die knapp 60 Punkrockfans ein und kurz nach 9 beginnt auch schon die Show ohne jegliches Vorprogramm: „Fernseh Schmidt auf die Buhne. In die Schaubude. Ich bin der Schau, also geht’s sofort los!“ Sein Programm moderiert der Sänger den ganzen Abend lang durchgängig auf Deutsch – charmant mit ausgeprägtem Akzent und üblichen Grammatik-Ungenauigkeiten.

TV Smith, live in Kiel 2018


Gerne wird TV Smith als Urgestein bezeichnet, aber dass er sich darauf nicht ausruht, beweist er dadurch, dass er stets neues Material raushaut, zuletzt das 2018er Album Land Of The Overdose, von dem er über den 29-Song-langen Abend verteilt sieben Stücke vorstellt. Und bei einer viele Jahrzehnte überspannenden Karriere darf man natürlich auch alte Lieder nicht missachten. So kann es schon einmal passieren, dass zwischen zwei Songs 40 Jahre Entstehungsabstand liegen, etwa wenn auf das neue Sunny Side Up der 1978er The-Adverts-Song Great British Mistake folgt – das ist doch irgendwie auch ein Sinnbild für die bleibende Relevanz, zumal letzteres Lied inhaltlich mit den Brexit-Ereignissen verknüpft wird: „So eine Scheiße. Wir sollten alle zusammenarbeiten für eine bessere Welt. Dann England will plötzlich weg, wir will nicht mehr helfen, so: Tschuß! Es ist ganz dumm eigentlich.“

TV Smiths Art Lieder zu schreiben zeichnet sich nicht gerade durch innovative Akkordfolgen oder exquisite Songstrukturen aus; wenn man ehrlich ist, ist vieles vorhersehbar und folgt bisweilen altbewährten Schemata. Aber umso mehr ist es dann eine Kunst, dennoch Abwechslung hineinzubringen, um das Publikum, das schätzungsweise nur zu einem Drittel aus völlig eingefleischten TV-Smith-Fans besteht, über anderthalbstunden interessiert zu halten. Das gelingt durch die geilen Gesangsmelodien und charismatische Stimme des Sängers. Der Gesang bringt die Wärme und Dynamik, die dem recht monotonen Gitarrenspiel (punkig, fast gleichbleibend stark und laut und rhythmisch simpel) fehlen.

Der Fokus im Werk des Künstlers – und in der Songauswahl des Abends – liegt auf eher düsteren Liedern mit tendenziell nachdenklichen gesellschaftlichen Beobachtungen (etwa No Hope Street: „Never felt invincible / But I thought there were principles / And if I was ever facing defeat / Someone would help me up on my feet“), oft gegen das Establishment gerichtet und mit einem Appell an mehr Mitgefühl. Aus der Seltenheit richtig fröhlicher Songs macht sich der Künstler selbst einen Scherz: „Ich habe echt versucht, meine neue Platte ein bisschen glücklicher zu machen, aber es hat nicht geklappt.“

Gegen Ende des Sets folgt schließlich ein Hit auf den nächsten (Gary Gilmore’s Eyes, Bored Teenagers, One Chord Wonders). Und in den Zugaben wird wird es noch einmal nachdenklich (What If?) und zum Ende betont optimistisch (Good Times Are Back), bevor ein Last-Minute-Publikumswunsch (Runaway Train Driver) den endgültigen Abchluss bildet.

Unterm Strich ist bei TV Smiths Konzerten für jeden etwas dabei, denn mit neuem Album im Gepäck und riesigem Repertoire alter Songs wird es für große Fans wohl nie langweilig, und wer einfach nur auf ein Urgestein neugierig ist, wird von den eingängigen Songs mit Haltung, bei denen man dank klarem Gesang jedes Wort versteht, in den Bann gezogen. Jedenfalls wird allen vor Augen geführt, wie es möglich ist, mit 62 Jahren authentischer Punker zu bleiben.

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