SLIME, ZSK / 09.02.2019 – Kiel, Pumpe

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Philipp: Nach 35 Jahren des SLIME-Hörens lassen sich zwei Phänomene beobachten. Das erste: Wohl bei keiner anderen Band gibt es „aus der eigenen Szene“ derart viel Kritik, Ablehnung und Häme. Dies war sowohl bei der klassischen Bandphase der ersten drei Alben (in meiner Version von „Alle gegen Alle“ liegt ein Beiblatt, auf welchem die Band erklärt, dass sie wegen des ständigen Gemeckers keinen Bock mehr habe und sich jetzt auflösen werde) der Fall, in den 90ern wiederholte es sich zu Zeiten von „Viva La Muerte“ und „Schweineherbst“ und in Zeiten der e-Trolle wird die aktuelle Besetzung wohl in noch gesteigertem Maße mit Vorwürfen konfrontiert. Interessant ist aber, wir sind beim zweiten Phänomen, dass es der Band bisher immer gelungen ist, auch die neueren Songs in den SLIME-Kanon einzubringen, sodass ein paar Jahre nach Erscheinen keineswegs nur die Stücke von 1981 bis 1983 mitgesungen werden. (Eine Ausnahme scheint hier das „Viva La Muerte“-Album, von welchem im Grunde nichts mehr gespielt wird.) Ich darf vorwegnehmen, dass auch viele Stücke vom 2017er Album mittlerweile voll vom Mob akzeptiert werden, und das übrigens zu Recht, wie ich finde.  

 

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Bericht von Vincent und Philipp, Bilder von Julls Julls.

 

Vincent: Da zog ein Gewitter am Himmel mit Sturm über Kiel am Samstag auf…. Zwei erfolgreiche Punk Bands gaben sich die Ehre in der komplett ausverkauften Kieler Pumpe. Aber immer schön alles nach einander, mein Ticket hatte ich mir im Vorverkauf gesichert und die Sause konnte starten. Leider war mein Kollege am Samstag vorzeitig erkrankt und konnte nicht an dem Konzert teilnehmen, so kam ein andere sehr angenehmer Mitstreiter mit zum Punk Ballett. Vor der Pumpe standen schon viele Konzertsüchtige in der Schlange und enterten die Pumpe, in der Halle ein buntes Bild aus alt und jung, Hemdkrägen, Hipstern, Punks mit Iros, Alternativen und Normalos.

 

Philipp: Trotz ausverkaufter Halle sind die Verhältnisse erträglich, kein Vergleich mit einem überausverkauften Docks zum Beispiel. Bei ZSK finde ich ja interessant, dass hier der SPACE CHASER-Drummer Matthias Scheuerer zockt. Der kickt die Band dann auch ordentlich nach vorne und es geht energiereich meist im Uptempo zur Sache. Wie erwartet sind mir ZSK etwas zu eingängig, das Songwriting insgesamt zu glatt, aber andererseits gibt es inhaltlich viel Mitreißendes und wenn während des Konzerts die ganze Halle „Alerta Antifascista!“ brüllt, dann geht mein Daumen doch nach oben. Zumal Sänger Joshi einige originelle Sprüche und Aktionen bringt, welche über die üblichen Animationsklischees hinausgehen. So reicht er einen Fünfer in die vorderste Reihe – verbunden mit der Forderung, diesen doch bitte bis zum Tresen durchzureichen, dort ein Bier zu bestellen und selbiges natürlich nach vorne duchzugeben, er wolle doch mal sehen, ob das Bier hier schmecke (erstaunlicherweise klappt das). Auch klettert er zwischendrin mit Gitarre ins Publikum, stellt sich dort einen Mikroständer hin und stimmt mitten zwischen den sich hinhockenden Menschen eine Akustiknummer an. Sehr unterhaltsam also, hätte ich so nicht erwartet!

Vincent: Wir hatten einen guten Platz erwischt und ZSK legten pünktlich um 20.00h. los. Die jungen Punks der neueren Generation präsentierten uns Skate Punk mit deutschen Texten. Der Sänger, ein blonder Igelkopf mit viel Bewegung im Blut, war auf der Bühne routiniert und stand wohl auch schon auf dem ein oder anderen größeren Festival auf der Bühne. Die Band spielte ein Set von 90 Minuten mit Ansagen zur Lage der momentanen politischen Lage z.B. Flüchtlinge im Mittelmeer, AfD Vorgehen und soziale Missstände. Das Publikum war recht jung und bestand aus vielen Antifa-Anhängern mit Fahnen. Mich konnten ZSK nicht so richtig packen, da mir der Gesang etwas zu hoch erschien und ich mich auf SLIME sehr freute.

 

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Philipp: Bei SLIME gibt dann gar keine Animation, sondern einfach Song auf Song auf die Glocke. Ausnahmen sind natürlich Dirks Reaktionen auf Zwischenrufer: „Halt mal die Schnauze, ich mach hier die Ansagen!“ oder „Nee, die Scheiße spielen wir nicht mehr!“ Ist ein Original, da gibt’s nichts. Und sein Gesang erscheint mir eher stärker als früher. Ob er sich Gesangsunterricht oder zumindest Atemtechnik-Input gegönnt hat? Jedenfalls kommen „Unsere Lieder“ oder „Sie wollen wieder schießen dürfen“ sehr souverän und werden – siehe oben – von fast allen Anwesenden leidenschaftlich mitgebrüllt. Bis auf den Akustikblock (obwohl: „Gewalt“ funktioniert so durchaus!) habe ich nichts auszusetzen. Mit „Computerstaat“ (ABWÄRTS) knüpfen SLIME an die Tradition an, Punkrockklassiker zu covern – ich liebe das Stück ja, und es wird gekonnt gecovert. Angesichts von 25 Stücken in der Setlist gehen die paar ruhigen Nummern letztlich auch voll klar, schließlich geht der Großteil des Sets als knochenpogokompatibel durch. Der letzte Songblock bringt mit „A.C.A.B.“, „Legal, illegal, scheißegal“, „Linke Spießer“ (Dirk: „Sind wir nicht alle irgendwo linke Spießer?“), „Religion“ und mit Beteiligung von ZSK „Let’s Get United“ einige spektakuläre Szenen in den Pumpensaal.

Vincent: Nun war die Pumpe gerammelt voll und das Warten am Biertresen dauerte, das Becks Bier war uns etwas teuer, so dass wir uns Jack - Cola gaben. Pünktlich um 22:00 Uhr standen SLIME aus Hamburg auf der Bühne und knallten uns deutschen Punk der ersten Stunde um die Ohren. So echt wie SLIME in 40 Jahren Bandgeschichte mit Unterbrechung uns ihre Musik präsentierten, war auch die Reaktion des Publikums. Viele Hits wurden gespielt, sei es von der aktuellen Scheibe – „Hier und Jetzt“ von 2017, meinen Lieblingsalbum „Schweineherbst“ usw. Lieder wie „Goldenen Türme“, „Gewalt“, „Gerechtigkeit“, „Albtraum“, „Linke Spießer“, „Störtebeker“, „Deutschland muss sterben“, „Ich kann die Elbe nicht mehr sehen“ und „Unsere Lieder“ waren keine Wünsche mehr offen. SLIME spielten ein Set von 90 Minuten und ließen ihre alten und jungen Fans eskalieren. Mir gefielen besonders die älteren Songs meiner Jungend. Gegen 23:30 Uhr war dann die Show leider schon gelaufen und der letzte Song – „Let‘s Get United“ - wurde von SLIME und ZSK zusammen zum Besten geben. Im Anschluss verabschiedeten sich SLIME mit dem Lied aus der Konserve – „In Hamburg sagt man Tschüsssss“. Fazit: 35,- Euronen für das Ticket ist zu viel Geld für zwei Punkbands (Wieso eigentlich für "zwei Punkbands"? Sollte das nicht für alle Genres gelten? Anm. Red.), das Becks Bier in der Pumpe ist zu teuer. Zwei Bands mit je 90-Minuten-Sets ist top und SLIME haben auch im Jahren 2019 mit ihren Songs immer noch Recht, es lebe der Punk.

 

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Kommentare   

+2 #3 Philipp 2019-02-20 13:35
Danke.

Jetzt mit Bildern von Julls Julls.
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+1 #2 Matt 2019-02-18 13:25
"Computerstaat" wurde auch mal von Westbam gecovert - auch ne sehr witzige Version.
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+3 #1 Hackel 2019-02-18 10:04
Schöner Bericht von beiden!!!

@Vincent: "kein Zwanni fürn Steher" sollten wir auch für (Punkt-)Konzerte fordern!
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