DIE BULLEN, ANGORA CLUB / 05.10.2019 – Kiel, Schaubude

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DIE BULLEN haben etwas geschafft, was ich noch vor wenigen Jahren zumindest bezweifelt hatte: Sie haben ihrer guten ersten LP einen noch besseren Nachfolger zur Seite gestellt. Es gab Leute, die bezüglich einer Fortsetzung der Bandgeschichte den Spruch brachten, dass ein Witz nicht besser werde, wenn man ihn nochmal erzähle. Das stimmt zwar, passt aber hier gar nicht, sondern auf STEEL PANTHER oder JBO-Gülle. Denn auch auf dem ersten DIE BULLEN-Album gab es keine oberflächlichen Spaßtexte, und jetzt ist es der Band eben gelungen, sich gewissermaßen selbst neu zu erfinden. Düsterer, ernster ist es bisweilen, was „Einigkeit und Recht und Sicherheit“ textlich bringt. Aber auch realistisch, zum Teil gar eher eine Analyse der Verhältnisse als überzogene oder/und provokative Polemik. „Jemand wird Bulle sein“: „In einem Land voller Mitläufer und Biedermänner findet man immer einen willigen Befehlsempfänger / der auch gerne mal ein heftiger Vollstrecker wäre. / Der Beruf beruht auf Macht, Gewalt und Angst / Das klingt jetzt erst mal negativ, aber wenn man damit das zu kurz geratene Ego pushen kann, wird jemand Bulle sein.“

 

DIE BULLEN

Bilder von PROJEKT STEREO BAR - Jören Gloe, https://www.facebook.com/projektstereobar/ 

 

Erst mal machen wir dicke Backen, stehen wir doch gegen halb neun Uhr vor einem „Ausverkauft!“-Schild. Da hätte man sich wohl vorher Karten kaufen sollen… Wir sind bei weitem nicht die einzigen Besucher*innen, die in die Röhre gucken, setzen uns aber dennoch zu Murat, statt auf der Straße Leute anzuquatschen. Im Nachhinein ein eiskalter Move, fällt dort doch kurz nach uns ein Flensburger Mob ein, der tatsächlich noch überzählige Karten feilzubieten hat. Also merken: Wenn‘s in der Bude mal ausverkauft ist, guckste einfach mal bei Murat rein.

 

Wertige Sache: Als „Vorband“ haben DIE BULLEN den ANGORA CLUB rangeholt. Diese Band hat mich bereits auf dem diesjährigen ENZO-Festival (Bericht ist noch in der Mache) begeistert. Mit Knott an der Gitarre und Olli am Mikro befinden sich gleich zwei Ex-MR. BURNS-Nasen in der Band. Aber ANGORA CLUB gehen definitiv in eine andere Richtung, auch wenn sowohl Olli als auch Knott einen charismatischen Stil haben. In Verbindung mit Simon am Bass und Helge am Schlagzeug ist eine fluffigere Geschichte entstanden, vielleicht mehr Punkrock als Hardcore/Punk. Trotzdem geht’s natürlich immer wieder flott zur Sache und der rotzige Gesang von Olli erfreut die meisten Besucher*innen. Vom fellüberzogenen „Hasenangst“-Tape (allein wegen der Aufmachung ein Muss) stammen „Minusmann“, „Johannes a. D.“, „Utopia“ und „Schatten“. Ein echter Ohrenflausch!

 

DIE BULLENDIE BULLEN

 

Während JoyBoy Law bereits die ersten Synthieklänge in sein Tasteninstrument hämmert, bahnt sich Hannes mit jaulendem Megafon eine Schneise zur Bühne – bei den ersten Songs trägt sein Alter Ego Andy Schlüter zusätzlich noch eine fiese Schweinemaske. Schnell wird deutlich, dass DIE BULLEN ihr Auftreten noch weiter perfektioniert haben. Hannes setzt statt wilder Herumspringerei (wie noch bei TACKLEBERRY) auf Details in Schnurrbart-Mimik und Gestik. „Jemand wird Bulle sein“ und „Einigkeit und Recht und Sicherheit“ steigern sich während der Livedarbietung in ihrer Intensität und erzeugen erste Knochenbrecher-Pogopits. Leider im wahrsten Sinne des Wortes, ich kann von meinem Standpunkt direkt vorn am linken Bühnenrand beobachten, wie sich ein Besucher den Knöchel bricht (gute Besserung!). Da bin ich mit meiner Bänderruptur vor zwei Wochen vergleichsweise glimpflich davongekommen. Augen auf beim Budenpogo also!

 

DIE BULLENDIE BULLEN

 

Noch mehr Alarm lösen die altbekannten Stücke „Die Bullen komm‘“, „Cops United“ oder „Kumpelhaft“ aus, schließlich ist die neue Scheibe gerade erst erschienen. Ich hab das Ding bereits vor ein paar Tagen bei Media Markt abernten können (eigentlich hätte ich mir den Songtitel „Ladendiebstahl bei Media Markt“ zu Herzen nehmen müssen…) und feiere daher die neuen Stücke besonders. Sogar die „Ballade“ „Heiko“ kommt zum Zuge, in welcher Hannes in schmierigster Weise die Worte schmettert: „Auf der Suche nach Respekt findest du nur Ehrfurcht, aber das ist auch nicht schlecht / (…) Im Dienst bist du tough, privat bist du ganz anders / Im Dienst machst du die Abschiebung, privat gehst du gern wandern.“ Weitere Höhepunkte: „Reaktionäre Revolution“, Horst Seehofer gewidmet, der Disco-Smasher „Undercover“ oder das beklemmende „Nacht in Dessau“. Sogar nach „Feierabend“ wird der Zugriff nicht beendet – mit Gummiknüppel in der Hand und Lederkäppi auf der Birne röhrt Hannes (zumindest optisch) wie ein junger Halford „Protecting The Law“. Insgesamt ein extrem abwechslungsreicher und zu keiner Sekunde langweiliger Auftritt!

 

DIE BULLENDIE BULLEN

DIE BULLEN

Kommentare   

+1 #1 Philipp 2019-10-10 20:51
Jetzt mit Bildern von Jören Gloe - PROJEKT STEREO BAR! Danke, Jören!
Mehr in der Galerie:
http://www.dremufuestias.de/index.php?view=category&catid=787&option=com_joomgallery&Itemid=516
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