MASTERS OF DEATH: GRAVE, DISMEMBER, ENTOMBED, UNLEASHED, EXTERMINATOR / 18.11.2006 – Hannover, Faust

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Ihr habt sicher bemerkt, dass beim letzten Upgrade einige Fotos auf der Strecke geblieben sind. Zufällig habe ich kürzlich bemerkt, dass sich auch einige wenige Artikel nicht mehr in der Dremu-Datenbank befinden. Das geht natürlich gar nicht! Zum Glück habe ich zumindest die von mir verfassten Dokumente auf externen Festplatten gespeichert und so kann restauriert werden. Hier der erste Teil in der Serie "verlorene Berichte" (sagt gern Bescheid, wenn ihr weitere "Lücken" entdeckt), ein Live-Review der legendären MASTERS OF DEATH-Tour, der zugleich auch die Vorfreude auf die DISMEMBER-Reunion anheizt:

 

Was für ein Billing! Als ich das erste Mal von dieser Tour hörte, konnte ich es kaum glauben – DIE vier schwedischen Death Metal-Bands schlechthin endlich mal zusammen auf Tour. Zwar nicht in Hamburg oder gar noch weiter nördlich, aber der Hannover-Termin war für einen Sonnabend angesetzt. Da war der Plan schnell gefasst, eine kleine Reisegruppe zu versammeln und sich die Ochsentour mit der Bahn zu geben. Gut, dass wir auch daran gedacht hatten, Tickets zu bestellen, denn bereits Wochen vorher war das Fest im Faust ausverkauft. Jetzt sitze ich hier mit Schlafentzug und brummendem Schädel und versuche die Eindrücke des über 20-stündigen Trips in Worte zu fassen…

 

Zu sechst schnappten wir uns zwei Wochenend-Tickets und schonten unsere Kasse noch durch die Hinzunahme einiger weiterer Reisender. Doch halt – zu sechst? Das war geplant, doch wo war S. aus K.? Wie sich später herausstellte, schlief der Gute zum vereinbarten Zeitpunkt noch den Schlaf des Gerechten. Naja, um 14.00 Uhr KANN man am Samstag auf den Füßen sein, muss man aber nicht… Nun ist S. aus K. jedoch Profi-Pendler und verfolgte uns nach einem sicher hektischen Aufbruch per ICE, der dann nur 10 Minuten nach uns in Hannover eintraf. Na, wir hatten auch zweimal umsteigen müssen und waren mit der Bummelbahn gegondelt. Trotz der kürzeren Reisezeit hatte es S. aus K. jedoch geschafft, breiter als der ganze Rest zusammen aus dem Zug zu eimern – Respekt!

 

Es gelang sogar, ein Großraumtaxi zu ordern, dessen Driver sich unseren exorbitanten Forderungen nachzukommen beeilte („wir wollen zum Faust, auf dem Weg dorthin bitte Halt an 1. einem Frittenschmied, und 2. einem Baum“). An jeder Station (wie auch schon auf der Fahrt) natürlich großes Hallo, ein ständiges Gegrüße von alten Bekannten war an der Tagesordnung. Von überallher strömten die Freaks, wir trafen eine ca. 40igköpfige Fraktion aus Hamburg (inkl. der INSTINCT OF SURVIVAL-Jungs), den Stendal Mob, Wolfsburger Schüttelrüben oder gar wesentlich weiter Gereiste.

 

EXTERMINATOR aus Belgien waren bereits dabei, den Reigen zu eröffnen und hatten eine volle Hütte vor sich, die auch recht positiv reagierte und offenbar heiß aufs Feiern war. Wir bekamen allerdings noch nicht viel mit, da Jacken abgegeben sowie Getränke organisiert werden mussten usw.

 

Nun waren alle gespannt, wer denn nun als erstes spielen würde, denn die vier Bands spielten auf dieser „Masters Of Death“-Tour nicht in einer festen, sondern vielmehr stetig rotierenden Running Order. Irgendwie cool, auch wenn das heißen konnte, dass die beliebteste Band vor der unbekanntesten spielen mochte. Und in der Tat eröffneten UNLEASHED! Man hatte das Rotationsmotto also wirklich voll durchgezogen und auf jegliches Headlinergehabe verzichtet! Was weiterhin von einer familiären und entspannten Atmosphäre unter den Bands sprach, war die Tatsache, dass sich alle Bands eine Backline teilten und keine Roadies Soundcheck machten, sondern die Musiker selbst. Der Merchstand wurde ebenfalls von den Zockdachsen themselves bedient – so verscherbelte ein ziemlich durchgerockt aussehender LG Petrov gerade Shirts, als wir dort eintrudelten.

 

UNLEASHED hatten den Mob von der ersten Sekunde an im Griff, das Faust kam fix in Wallung. Kein Wunder, ballerte man doch erstmal „Before The Creation Of Time“ und „Never Ending Hate“ in die Meute, zwei Titel, die Zugabencharakter haben und RICHTIG laut mitgegrölt wurden. Die Band strahlt immer etwas Besonderes aus, finde ich. Johnny Hedlund hat einfach eine souveräne und sympathische Art, mit den Leuten umzugehen. Positive Vibes, und das in einem Musikgenre, welches den Tod in seiner Stilbezeichnung trägt… Der Sound war übrigens hervorragend, was bei den zermalmenden Midtempoparts besonders effektiv wirkte – bang that head that doesn’t bang…   Angesichts der sehr guten aktuellen Platte hätte ich mir sogar mehr neue Songs gewünscht, aber es gab nur drei, nämlich „Blood Of Lies“, den politischen Song „Triumph Of Genocide“ (es geht um die Ignoranz der Industrienationen in Bezug auf den Völkermord in Afrika) und „In Victory Or Defeat“. Ansonsten regierte kompromissloser Death Metal in Form von „Into Glory Ride“, „The Immortals“, „To Asgard We Fly“, „Winterland“ oder natürlich „Death Metal Victory“. Nachdem Johnny den Leuten noch mit seinem Trinkhorn zugeprostet hatte und der letzte Ton verklungen war, gab es überall nur begeisterte Statements und es dauerte, bis die UNLEASHED-Sprechchöre verstummten...

 

Wer würde wohl nu kommen? Die nächste Überraschung: ENTOMBED bereits! Zunächst sorgte die Band gerade bei Leuten, die nicht die aktuelle Presse verfolgen,  für einen Schock nach dem anderen:

  1. ENTOMBED ohne Uffe!
  2. ENTOMBED ohne Peter Stjärnvind!
  3. ENTOMBED mit nur einer Gitarre!

Somit waren aus fünf Nasen vier geworden, und von diesen waren gerade mal L.G. und Alex Hellid als vertraute Gesichter geblieben, das war schon strange. Der neue Schlagzeuger holperte dann auch noch in den ersten Song, so dass es zunächst erstmal doch nicht wenige erschrockene Gesichter gab. Würden wir hier heute die Demontage einer Legende miterleben? Aber Entwarnung, erstmal bekam Hellid den Klampfensound montrös fett hin, da er über drei Amps zockte und eifrig auf irgendwelche Tretminen stapfte. Dann fingen sich ENTOMBED musikalisch ganz fix und servierten uns ihre gewohnt dreckige und gleichzeitig tighte Abfahrt. UND die Songauswahl killte! Nach den beiden neuen Songs „When In Sodom“ und „Carnage“ gab es (fast) NUR noch Klassiker der ersten drei Platten. Jaa, genau das wollten wir! „Crawl“, „Revel In Flesh“, „Sinners Bleed“, „Stranger Aeons“, „Demon“ und natürlich „Out Of Hand“ verwandelten die anfängliche Zurückhaltung der BesucherInnen in stetig wachsenden Zuspruch. Zwar wurde das UNLEASHED-Stimmungslevel nicht erreicht, es flogen jedoch zusehends mehr Diver durch die Luft und die Band ackerte sich durch den Gig, bis alle Bandmitglieder patschnass geschwitzt waren. Gegen Ende gab es doch noch was Neueres, nämlich den genialen „Chief Rebel Angel“ In irgendwelchen deutschen Kauderwelsch-Ansagen kündigte L.G. dann „Left Hand Path“ sowie „Supposed To Rot“ an, so dass auch die letzten Zweifler in die Knie gehen MUSSTEN. Schöne Old School-Kelle!

 

Und ein Bier später sollten DISMEMBER den Pit wieder in Bewegung setzen. Die agilste Band des Abends sorgte für vermehrte Action sowohl auf als vor der Bühne. Brachte schon Spaß, den Freaks nur zuzusehen, wie sie über die Bühne tobten. Die Gitarristen feuerten sich permanent gegenseitig an, indem sie sich anschrieen oder jeweils ins Griffbrett des anderen griffen. Auch DISMEMBER punkteten mit ihren ältesten Klassikern wie „Override The Overture“, „Pieces“, „Skinfather“ oder „Dreaming In Red“, stampften mit „Casket Garden“ ein richtiges Highlight in den Pit und bauten die IRON MAIDEN-Gedächtnis-Gitarrenfront auf. Den Spaß minderten lediglich bullige Ordner, die sich doch glatt erdreisteten, mitten zwischen den Leuten zu stehen und zu versuchen, Diver an ihrem Treiben zu hindern. Ätzend und überflüssig – schade, dass die Band nicht eingegriffen hat.

 

Nun war die Rotatonssache zwar prinzipiell cool, aber mit GRAVE die unbekannteste Band zum Abschluss auf die Bühne zu schicken, war im Sinne einer sich steigernden Dramaturgie wiederum nicht unbedingt gelungen. Überraschenderweise blieb es immer noch recht voll und viele ließen sich gerne von GRAVE den Restbrägen durchschütteln. Man kann ruhig festhalten, dass GRAVE die brutalste Band des Abends waren. Der Gitarrensound fräste fies, Songs wie „Into The Grave“, „Soulless“, „You’ll Never See“, „Onward Into Countless Battles“, „Living The Dead Behind“ oder „Turning Black“ SIND Killer – hätten nur zum Auftakt des Abends besser gewirkt, da GRAVE auf der Bühne nicht viel Bewegung bieten. Leider musste Gitarrist/Sänger Ola Lindgren sich dann noch als beleidigte Diva outen: Seine Gitarre fiel einige Minuten aus – buhu, wie schlimm – da spackte der Typ völlig ab und bewarf jeglichen in Reichweite stehenden Tonmenschen mit Flaschen und Bechern… um dann auch noch mit zornroter Birne die Bühne zu verlassen. Sympathiepunkte sammelte der Bassist, der den Song einfach weitersang. Zum Glück bequemte sich „la diva demente“ (O-Ton Späthi) dann doch wieder auf die Bühne und brachte den Gig zu Ende, aber das war ein kleiner Schandfleck auf dem gelungenen Abend.

 

So, danach galt es noch die Zeit bis zum ersten Zug (5:20 Uhr) zu überbrücken sowie die Fahrt zurück nach Kiel (Ankunft 10:30 Uhr oder so), aber die uns stetig begleitenden Horden Langhaariger sorgten für Kurzweil, auch wenn so manches Reisegrüppchen zu späterer Stunde eher wie ein Haufen Orks klang…

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