NO MERCY 2003: TESTAMENT, MARDUK, DEATH ANGEL, DIE APOKALYPTISCHEN REITER, NUCLEAR ASSAULT, PRO-PAIN, MALEVOLENT CREATION, DARKANE / 19.04.2003 - Berlin, Columbiahalle

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Ihr habt sicher bemerkt, dass beim letzten Upgrade einige Fotos auf der Strecke geblieben sind. Zufällig habe ich kürzlich bemerkt, dass sich auch einige wenige Artikel nicht mehr in der Dremu-Datenbank befinden. Das geht natürlich gar nicht! Zum Glück habe ich zumindest die von mir verfassten Dokumente auf externen Festplatten gespeichert und so kann restauriert werden. Hier der zweite Teil in der Serie "verlorene Berichte" oder auch „Lost And Found“  (sagt gern Bescheid, wenn ihr weitere "Lücken" entdeckt), ein Live-Review des 2003er NO MERCY-Festivals in Berlin. Ach ja, der gegen Ende erwähnte Commander hat sich später leider zum Rechtsaußen-Spacko entwickelt („Fäuste fliegen schnell“, hihi). Das war zumindest mir damals noch nicht klar. Möge er in der Hölle verrotten. Here we go:

 

Die NO MERCY-Festivals haben meistens ein starkes Billing, aber dieses Mal wird wohl lange Zeit ungeschlagen bleiben. Nur leider ist der nördlichste Gig der Festivaltour diesmal in Berlin! Arrghh, also ab zum Bahnhof und den Bahnsteig nach Leuten abgeklappert, die sich ein "Schönes Wochenende"-Ticket (der Name ist voll die Verarschung - die Dinger gelten nur noch jeweils EINEN TAG!) mit mir teilen wollen. Doch die Mutanten glotzen mich nur entgeistert an, einige keifen sogar was von "Schmarotzer"! Ihr Spacken, schon mal was von GELD SPAREN gehört?

 

Als ich gerade ein Ticket lösen will, tippt mir ein Macker auffe Schulter und fragt mich, ob ich auch nach Berlin wolle, er habe ein Wochenendticket. Na bitte, geht doch. Ereignislose Fahrt, bis auf die Geschichten des Kollegen über sein Hobby, in Husum zu Wave/Gothic-Songs auf irgendwelchen Karaoke- und Disco-Bühnen mitzuschmettern. In Berlin angekommen, rette ich erst mal einer älteren Dame das Leben! Die fragt mich nämlich völlig verzweifelt, wieso ihre Knete nicht in die Telefone passt. Ich erkläre ihr geduldig den Unterschied zwischen Karten- und Münztelefonen. Jeden Tag `ne gute Tat.

Zwischen Crackjunkies, Touris und verwirrten Omas treff ich endlich meinen Kumpel (und Ratzgelegenheit) Hacke, seines Zeichens unter dem Banner "Die Mobile Schmeißfliege" als Merchandiser für u.a. RAWSIDE tätig. Der nimmt mir Sack und Pack ab, gibt mir vertrauensvoll seinen Haustürschlüssel und setzt mich inne richtige U-Bahn, denn die Zeit schreitet gnadenlos voran. Die U-Bahnen sind natürlich schon voller besoffener Metalheads, die jeden nach Krach aussehenden Neuankömmling mit großem Hallo begrüßen. Meine neuen Freunde bieten mir wat zu saufen an, gucken aber mehr als verblüfft, als ich stolz von meinem Projekt ALKOHOLFREIER MONAT berichte. Hm, das Wort "Monat" ist den meisten offenbar geläufig, bei "alkoholfrei" allerdings sinkt die Trefferquote und die Verbindung dieser Wörter scheint ihnen völlig sinnfrei vorzukommen. So schnell wird man vom Metalbrother zum fremden Alien...

Vor der Columbiahalle können dann diverse Bekannte inne Arme geschlossen werden, denn Bands wie HARMONY DIES und WASTELAND sind nahezu komplett vor Ort, um ihre Helden abzufeiern.

 

Als DARKANE sehr pünktlich um 17:00 Uhr loslegen, befinden sich allerdings erst ca. 50 Nasen in der Halle, der Rest ist noch nicht da oder zieht es vor, draußen zu saufen. Selbst Schuld, denn die Schweden legen bei astreinem Sound eine sehenswerte Show auffe Bühne. Vom spärlichen Publikum lassen sie sich nicht runterziehen und pfeffern uns ihre Melange aus Old School Thrash und moderneren Einflüssen a la Fear Factory um die Rüben. Die neue Scheibe hab ich noch nicht gehört, aber von den ersten beiden Silberlingen "Rusted Angel" (Klassiker!) und "Insanity" gibbet auch wat zu hören wie "Convicted" und "Emanation Of Fear". Wo zaubern die schwedischen Thrasher bloß immer diese Hammergitarristen her? Statt Quälsoli mit Griffbrettgewichse gibt es hier jedenfalls eher klassische Melodien im Stile von olle Michael Schenker zu hören.

Danach kann ich mich zum ersten Mal in der Columbiahalle umsehen, die größenordnungstechnisch so zwischen Markthalle und Docks liegt. Bisken steril wie alle größeren Hallen, aber mit durchgehend hervorragenden Sound-, Licht- und Sichtverhältnissen. Neben der Halle ist ein Biergarten geöffnet, dessen Grillbude natürlich nix für Vegetarier anbietet. Na ja, irgendwie würge ich vier Toastbrote blank runter, um den Mosh-Overkill zu überstehen.

 

WIE gut dat Programm heut ist, zeigt sich an der Tatsache, dass mit MALEVOLENT CREATION eine der besten Thrash/Death Bands überhaupt bereits als ZWEITES auf die Bretter muss. Und die Jungs zögern nicht lange setzen zum totalen GITARRENSPERRFEUER an. SLAYER auf 45! Der alte Sänger ist rausgeflogen, nachdem er mal mit Hakenkreuz-Shirt aufgetreten ist. Das nenn ich konsequent, schön aufs Maul gehauen und `nen finalen Arschtritt verpasst. Nu singt der HATE PLOW-Fronter, der seine Sache ebenso gut macht. Aber der Gesang ist bei MALEVOLENT CREATION eher Nebensache, vor allem überzeugt die technisch exakte Brachialgewalt der Band. Was für Riffs! Das Berliner Publikum ist zu dieser frühen Uhrzeit aber noch ganz schön zurückhaltend und glotzt eher apathisch zu statt zu Granaten wie "Kill Zone" die Schädel kreisen zu lassen.

 

Erst PRO-PAIN können daran was ändern! Leider hat ein P.A.-Ausfall die Umbaupause extrem verlängert, aber als dann endlich Gary Meskil & Co. (zunächst nur über Backline!) anfangen, kann kaum jemand still stehen bleiben. Kein Wunder - der tighte Groove geht gnadenlos ins Tanzbein! Nur fehlt heute der 2. Gitarrist Eric Klinger. Schade, denn der geht immer am meisten auf der Bühne ab und so entstehen bei Klimchucks Soli immer Löcher in der Soundwand. Aber: ""F**k It" wie Meskil treffend ins Mikro brüllt. Auch so überzeugen die stoisch nach vorn gezockten Songs. "In For The Kill", "Down For The Cause", "Stand Tall" und natürlich "Make War Not Love" sind mir als Highlights in Erinnerung geblieben.

 

NUCLEAR ASSAULT verstehen es, die Stimmung weiter zu steigern, bieten sie doch ausschließlich Classics ihrer ersten vier Scheiben. Erstaunlich, wie viele Freaks die Texte noch aus dem FF mitschmettern können! Mit “Critical Mass“ geht es furios los – “Another Oil Spill / Atomic Waste Displaced / Another Forest Dies / Bring On The Acid Rain!“ – da grölt man sich doch begeistert die Kehle wund! John Connelly wirbelt über die Bühne, der hat offenbar gut einen Im Tee. Jedenfalls hechtet er Klampfe zockend oft zu spät vors Mikro oder brüllt am Mike vorbei. Überhaupt spielen die Jungs im Taumel ihrer eigenen Spielfreude eher unsauber, aber das dadurch entstehende CHAOTISCHE, punkige Feeling heizt die mittlerweile ca. 1000 Leuts noch mehr an. Nach drei Songs hält es Connelly nicht mehr auf der Bühne, er springt in den Fotograben, wirft sich mit dem Rücken auf die Absperrung – die ganze Zeit wild am Riffs runterrotzen. Ein Roadie schmeißt ihm seinen Mikroständer hinterher und die nächsten drei Songs werden unten geschmettert. Egal, ob“My America“, “New Song“, “Butt F**k“, “Equal Rights“, ”Hang The Pope“, ”Brainwashed” (einer der besten Songtexte, den ich kenne: “Televisison, the idiot tube, helps to raise our children as fools / Watch the news see what they want you to see, our awareness is limited by network VP`s”), ”Trail Of Tears” (sehr geil die ruhigen Parts), oder “Vengeance” gezockt werden – die Leute im Pit rasten gut ab. Connelly springt nach Setende mit `ner Palette unterm Arm in die Menge und verteilt Dosenbier...

 

DIE APOKALYPTISCHEN REITER werden immer besser! Ihre kompromisslose Attitüde, ALLES an vorstellbaren oder unvorstellbaren Einflüssen mit extremem Metal zu mischen, schadet erstaunlicherweise dem Songwriting nicht im Geringsten. Da erklingen orientalische Melodien, Polka-Rhythmen und durchgedrehte Keyboards und dennoch wirkt alles völlig authentisch. Nur die REITER können vollen Metal-Pathos mit viehischen Knüppelparts mischen und das IN EINEM SONG flüssig klingen lassen. Mittlerweile verstärkt um einen neuen (Session-?) Gitarristen kann sich Sänger Fuchs frei auf der Bühne bewegen und turnt munter barfuß über die Bühne, schlägt Purzelbäume und grinst übers ganze Gesicht. Basser Volkmar Weber lässt sich nicht lumpen, bangt wie ein Wilder oder springt synchron mit Fuchs in die Luft. Dagegen bewegt Dr. Pest am Keyboard – übrigens heute mit schicker Latexmaske - keinen Finger, wenn es denn nicht nötig ist. Verdientermaßen werden Smasher wie “Erhelle meine Seele“, “Ride On“, “Reitermania“ (fette BRATZE!), oder die HYMNE “Metal will never die“ (mit PRO-PAIN-Drummer und –Drumroadie im Background) bedingungslos abgefeiert. Unter der Asche ist noch Glut!

 

Doch so geil das alles bis jetzt war, erst jetzt wird es vor der Bühne richtig eng und Spannung erfüllt den Saal. DEATH ANGEL sind zurück! Diese Band hat zwar nie den verdienten Erfolg eingefahren (rein qualitativ gesehen hätten sie meiner Meinung nach zehnmal höhere Plattenabsätze verdient als METALLICA), aber die Undergroundfreaks haben sie nicht vergessen. Mit ”Seemingly Endless Time“ geht der Reigen aus BRILLIANTEN Thrashsongs los und gleich wird deutlich, dass DEATH ANGEL keinen Deut schlechter geworden sind. Die sehen auch noch verdammt jung und FIT aus, die Jungs waren 1987 bei Release ihres Debuts auch erst 15, 16 oder so. Rob Cavestany trägt jetzt dicke Rastazotteln, die beim Bangen wie Schlangen auf dem Haupt der Medusa hin- und herwackeln und Mark Oseguedas Rastas reichen bis übern Arsch. Oh Mann, ich geh ab wie ein Fanboy, aber was soll man machen? Nie wieder hat eine Band Thrash Metal mit so filigranen Strukturen und intelligenten Arrangements gespielt. Und dann – ich dreh durch! - folgt “Voracious Souls“ und alle schmettern mit: “Men without anguish, men without fear, men CHOSEN TO RIDE THE EARTH, evil confrontation nears“! Wat geil! Osegueda nippt zwischendurch genüsslich an `ner Pulle Gin, singt insgesamt etwas aggressiver, aber immer noch so variabel wie früher. Herrlich auch der mehrstimmige Gesang der fünf Cousins. “Stop“, “3rd Floor“ folgen, ich moshe mich in die Raserei, sorry, Songtitel verschwimmen in meinem Hirn, aber da kommt das funkige Riff von “Bored“, bevor der Song in das BETONGEILE Bratmonster mutiert. Leider müssen alle Bands ihr Set aufgrund des P.A.-Ausfalls kürzen, das war definitiv ZU WENIG DEATH ANGEL! Die Band verspricht, auf ihrer kommenden Tour wesentlich länger zu spielen (“Veil Of Deception“ fehlt z.B. heute leider) und mobilisiert noch mal alle Kräfte beim alles ZERMALMENDEN “Kill As One“ (mit geiler Unity-Ansage). THRASH WITH CLASS!!!

 

MARDUK bilden heute das schwächste Glied in der Kette. Auf die Old School Thrasher wirken sie mit ihrem Black Metal deplaziert, Fans von extremerem Metal haben die Band hingegen schon x-mal gesehen. Deutlich überpäsent die Jungs, was zu Lasten der Kultigkeit geht. Und so kann mich der Gig heute nicht wirklich mitreißen, obwohl ich MARDUK sonst schätze. Aber alles wirkt zu routiniert und nach DEATH ANGEL auch zu eintönig. Ein weiterer Abtörner ist das lächerliche Eiserne Kreuz, welches der Gitarrero feist auf seinem tollen Lederwams trägt. Mit “Fistfucking God`s Planet“ endet der MARDUK-Gig und ein letzter Umbau setzt ein.

 

Warten auf TESTAMENT. Ich treff dat Berliner Metal-Urgestein schlechthin – DEN COMMANDER. Der ist gerade auf Pilzen und hält mir eine PHILOSOPHISCHE METAL-SPEECH: “Der Metal is für mich wie`n Fluss, wa? Die Heavies kommen und gehen, Bands kommen und fließen vorbei, aber Leute wie du und ich stehen wie ein Fels in der Brandung, wa?“ Yeah right Commander, jetzt wisch dir erst mal den Schaum vom Mund. Und - zack! - stehen TESTAMENT auf der Bühne. Wie wird Chuck Billy wohl nach seinem Krebsleiden aussehen und singen? Der olle Chuck ist keinesfalls vom Fleisch gefallen, vielmehr stämmig wie ein Baum (sieht mehr denn je aus wie der Indianer aus “Einer flog übers Kuckucksnest“), hat sich in die nach der Chemotherapie kurzen Haare hüftlange Zöpfe flechten lassen und singt vor allem mit einem ENORMEN VOLUMEN. Brachiales Gebrüll und die charmanten Melodien kommen mindestens so gut wie auf Platte. Die Playlist besteht ausschließlich aus Songs von “The Legacy“, “New Order“, “Low“, “Demonic“ und “The Gathering“ – gut so! Vor allem die ganz alten Sonx wie “Over The Wall“ oder “Into The Pit“ sind erwünscht und erzeugen vor der Bühne noch mal einen amtlichen Moshpit (für Berlin). Cool auch Chucks Angewohnheit, auf seinem halben Mikroständer Luftgitarre zu spielen (eigentlich müsste es dann ja Mikroständergitarre heißen).

 

Ein kurzweiliger Abend! Vor Hackes Haustür in der Kreuziger Str. stehe ich später allerdings vor einem fiesen Problem: Hinter der Tür bellt und knurrt ein riesiger Hund (Pitbull, weiß ich vom letzten Mal) und zwar jedes Mal, wenn ich mich mit dem Schlüssel dem Schloss nähere. Leider kommt niemand auf mein Klingeln und so pack ich mich lieber in den Hausflur, statt mich zerfleischen zu lassen. Oder was hättest DU gemacht?

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