WACKEN OPEN AIR XXX / 02.08.2019 – Wacken, Tag 3

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Philipp: Heute kann mensch sein persönliches Wacken im Grunde auf zwei völlig verschiedene Arten gestalten, würde komplett unterschiedliche Bands sehen und hätte in beiden Varianten Musikgenuss: Entweder den Infield-Marathon QUEENSRYCHE, LIFE OF AGONY, BODY COUNT, ANTHRAX, DEMONS & WIZARDS, SLAYER sowie D-A-D oder stattdessen die Zelt-Zockung mit DOWNFALL OF GAIA, NAILED TO OBSCURITY, VENOM INC., TRIBULATION, PRONG, NIGHT FLIGHT ORCHESTRA sowie LEGION OF THE DAMNED. (Bei beiden Varianten verpasst man THE CROWN, MICHALE GRAVES sowie MESHUGGAH.) Das  Infield gegen Mittag noch zu verlassen, wäre fahrlässig, wenn man SLAYER sehen will. Häufig hilft zur Entscheidung ja der Aspekt, ob Bands dabei sind, die man noch nie gesehen hat, aber der greift hier nicht. Letztendlich ist die Sache ja klar: Es ist wohl die letzte Chance, SLAYER sehen zu können und ich hab da doppelt Bock auf, war ich bisher doch noch auf keinem Konzert der Abschiedstour.

 

ANTHRAX

Bericht von Strecker, Matt und Philipp, Fotos von Toni B. Gunner (https://mondkringel-photography.de/) und Strecker.

 

QUEENSRŸCHE

 

QUEENSRYCHE

 

Philipp: Yeah, erst vor einer Woche hat die Seattle-Legende auf dem HEADBANGERS OPEN AIR begeistert. Waren sie dort Tagesheadliner, müssen sie heute im grellen Sonnenschein zum Frühschoppen raus. Wenn man ganz krüsch ist, könnte man Todd La Torre unterstellen, dass er zu dieser frühen Tageszeit auch noch nicht vollständig in Form ist. Den Schrei bei „Queen Of The Reich“ schmettert er sonst mühelos, heute gerät er sprichwörtlich ins Schwitzen. Aber das ist natürlich Erbsenzählerei, La Torre kann getrost zu den fünf besten Sängern des gesamten Festivals gezählt werden. Die Setlist ist kürzer als letzte Woche, dafür ist heute „Operation: Mindcrime“ drin. Leider fehlt gerade “Silent Lucidity“, eins der HOA-Highlights. Auch die neuen Songs werden auf einen gekürzt, gespielt wird nur „Blood Of The Levant“. Klar, mittags auffem Wacken solltest du auf Hits setzen, und das tun QUEENSRYCHE mit „I Am I“, „NM 156“, „Walk In The Shadows“, „Screaming In Digital“, „Take Hold Of The Flame“ (Wahnsinn!), „Jet City Woman“, „Empire“, „Eyes Of A Stranger“ plus die bereits erwähnten. Die Aufwärtskurve geht bei QUEENSRYCHE seit dem Bruch mit Geoff Tate weiterhin nach oben, nachdem die Jahre 1997 bis 2011 die reine Agonie darstellten. Toller Tagesbeginn!     

Matt: Arbeitsbedingt konnte ich erst am Freitag anreisen. Dank des Umstands dass das Wacken ja glücklicherweise in meinem Heimatbundesland sein Zuhause hat, war die Anfahrt aber fix hinter mich gebracht, und so traf ich zur frühen Mittagsstunde am Check-In ein. Dank der traditionell guten Wacken’schen Organisation ging auch dieses Prozedere schnell über die Bühne und ich konnte meinen Wagen auf dem Presseparkplatz abstellen. Da nette Mitreisende bereits meinen Krempel mitgenommen hatten, musste ich mich aber dort hinbegeben – auf den „normalen“ Campingplatz, was, wie ich feststellen musste mit gut 45 Minuten Fußmarsch verbunden war. Nicht das letzte Mal, dass ich mich erinnerte, dass die Dimensionen und Entfernungen auf dem Wacken mich in den letzten Jahren vom selben ferngehalten hatten.

Als ich letztlich mit etwas Mühen und der Hilfe der stets bemühten und freundlichen Ordner das Camp auf dem allerletzten Außen-Behelfscampingplatz erreichte, waren sämtliche Bewohner gerade zum Festivalground aufgebrochen, um QUEENSRYCHE anzuschauen. Also blieb mir nix übrig als zu warten, da das Nachlaufen zu lange gedauert hätte. Zum Glück kam nach einer Stunde eine weitere Nachzüglerin am Camp an und rettete mich mit leckerem gekühlten holländischem Bier. Wacken konnte also endlich losgehen. Schließlich traf auch die Reisegesellschaft wieder ein, und ich kam endlich an meine Sachen. Da der Campingplatz rund 35-40 Minuten Fussmarsch vom eigentlichen Festivalgelände entfernt lag, war einen sofortigen Wiederaufbruch natürlich nicht zu denken. Als ich schliesslich alle genug genervt hatte, uns zu LIFE OF AGONY auf den Weg zu machen, kam die Nachricht, dass das Festivalgelände wegen Unwettergefahr gesperrt wurde. Blieb also weiter nur das Warten. Das Unwetter kam dann aber nicht, und endlich konnten wir uns auf die Socken machen, nur die Frage, ob, wann und wie LIFE OF AGONY spielen würden, konnten wir nicht beantworten, und so verpassten wir diesen Gig. Die Wacken-App hätte eventuell Abhilfe schaffen können, aber da das Funknetz hoffnugslos überlastet war, war uns auch diese Informationsquelle versperrt.

So begann das musikalische Wacken für mich letztlich dann erst mit BC – BODY COUNT.

 

LIFE OF AGONY

 

LOALOA

 

Philipp: Als wir gerade im Backstagebereich ein paar Cocktails schlürfen, erfolgt eine zweite Festivalunterbrechung wegen Unwetterwarnung. Auch dieses Mal haben wir und das W:O:A Glück, denn das Ding zieht vorbei, wobei wir nicht allzu weit in der Ferne heftige Entladungen sehen. Die Running Order wird leicht umgestellt, einige Spielzeiten werden leicht gekürzt, sodass wir die Zeit schnell wieder eingeholt haben (wenn ich recht informiert bin, fallen TRIBULATION als einzige Band aus). Nach einem eher schwachen Auftritt auf der Kieler Woche 2018 und dem sensationellen MS-Stubnitz-Abriss im letzten Oktober bin ich gespannt, wie sich Mina Caputo und Band heute präsentieren. Es wird schnell klar, dass der Daumen nach oben zeigen darf. Der Sound ist fett, Joey Z.s Gitarre röhrt heavy über den Acker und Minas Stimme klingt kraftvoll melodiös. Die Setlist fokussiert sich auf den Bandklassiker, das Debut „River Runs Red“, von dem gleich sieben Stücke gespielt werden. Dazu kommen „Lost At 22“, „Other Side Of The River“, „Love To Let You Down“, “Weeds” und ein ganz neues Stück von der kommenden Platte. Das Ding überzeugt durch aggressiv gespielte Riffs und einen groovigen Mittelteil. Hardcore-mäßige Gangshouts passen gut dazu. Ein starker Song, der folgerichtig einen großen Circle Pit hervorruft. Ich denke, ich werde mir das Album holen, angekündigt wird es unter dem Titel „The Sound Of Scars“.

 

LOA

 

Strecker: Bei meinem ersten Blick auf die Running Order habe ich mir schon gedacht, das wird hart. Queensryche spielen bereits um 12 Uhr. Ich habe keine Ahnung was der Grund dafür ist, dass Queensryche bereits so früh spielen müssen. Ich habe es auch nicht zum Konzert geschafft und muss nun auf den Dremu-Bericht warten, um zu wissen, wie das Konzert war. Irgendwann war ich startklar und wollte auf das Gelände. Es gab aber wieder eine Unwetterwarnung und die Campingplätze durften nicht verlassen werden. Mit ein paar Bier begab ich mich dann zu den Camp Nachbarn und wir warteten ab was da kommt. Das Unwetter zog größtenteils wieder an Wacken vorbei und es gab mittlerweile Durchsagen und so habe ich erfahren, dass ich auf das Gelände darf. Ich machte mich also auf den Weg, traf den Rest der Dremu-Crew und wir konnten Life Of Agony gucken. Die Band um Mina Caputo wirkte engagiert und war sichtlich bemüht, das Publikum von sich zu überzeugen. Dies gelang auf der großen Bühne nur teilweise. In einem kleinen Club oder im Bullheadzelt wäre das Konzert sicherlich ein Abriss gewesen. Auf der großen Bühne und bei Nieselregen funktionierte der groovige Metal von Life Of Agony nur nicht ganz so gut. Trotzdem war das Konzert sehenswert und ein guter Einstieg in den Konzerttag.

 

 

BODY COUNT

 

BODY COUNTBODY COUNT

 

Philipp: Nicht jedem scheint klar zu sein, dass BODY COUNT seit Jahren zwei gestandene Metalheads in ihren Reihen haben (also, außer Ernie C und Ice-T, höhö), nämlich Vince Dennis von STEEL PROPHET und Juan Garcia von AGENT STEEL und EVIL DEAD. Hier heißen sie Vincent Price und Juan of the Dead, dürften sich aber noch gut an ihre jeweiligen Wacken-Auftritte erinnern (AGENT STEEL 1999 mit Bruce Hall am Mikro, STEEL PROPHET ebenfalls 1999 – eins der besten Konzerte, das ich je in Wacken gesehen habe). Anyway, BODY COUNT haben mit „Bloodlust“ ein Killer-Crossover-Album rausgehauen und bereits auf der Tour im letzten Jahr überzeugt. Heute dengeln die Hunde erst mal „Ace Of Spades“ runter, wahrscheinlich einfach mal so, weil sie es können. Es folgt ein grandioser Spaß mit unterhaltsamen Ice-T-Ansagen und der gelungenen Kombination aus Thrash, Hardcore, Groove Metal und Rap, die plötzlich wieder relevant klingt. Bei „No Lives Matter“ bebt der Acker, „Voodoo“, „Black Hoodie“ und „There Goes The Neighborhood” erzeugen bei mir sogar Gänsehaut. Ice-T ist wohl einer der wenigen Bühnenmenschen, dem man derb sexistische Sprüche verzeiht, einfach weil sie so übertrieben inszeniert werden, dass sie sexistisches Verhalten eher persiflieren, zumal der Kerl immer wieder überraschend ernst wird, gegen Rassismus wettert und aufs Derbste über Trump herzieht („looking dumb, talking shit, twittering while sitting on the dump“). Selten so gelacht, als Ice-T nach den jüngsten Fans fragt und von einem Mitmusiker hingewiesen wird: „The little girl over there“. Ice-T beginnt einen längeren Monolog, wie cool die Eltern des Mädchens seien, dass sie mit ihr auf ein Rock’n’Roll-Festival gingen, jetzt habe sie aber noch einen Onkel dazu bekommen, „Uncle Ice!“. Da steht die Mutter hinter dem „Mädchen“ und verdeutlicht gestikulierend, dass es sich um einen ..Jungen handele. Herrlicher Moment, aber Uncle ice bleibt cool, rettet die Situation und erklärt, wie der Junge zu handeln habe, wenn ihn Schläger dumm anmachen wollten: „Talk Shit = Get Shot“! Während des Songs händigen Crew-Mitglieder dem Kid in Kutte Merchartikel aus, richtig coole Aktion. Nach der „KKK Bitch“ kommt das EXPLOITED-Cover „Disorder“, die SLAYER-Cover-Ecke wird dagegen auf einen Ausschnitt von „Postmortem“ gekürzt, was nachvollziehbar ist, spielen die Chefs schließlich ja heute selbst noch. Mit „Cop Killer“, dem ST-Cover „Institutionalized“ und dem epischen „This Is Why We Ride“ endet ein denkwürdiges Konzert. Begleitet übrigens von der Gebärdensprachdolmetscherin Laura M. Schwengber, welche mittels Gestik und Mimik das Bühnengeschehen für taube Zuschauende genial „übersetzt“.  

 

BODY COUNT

 

Strecker: Auf Body Count habe ich mich richtig gefreut. Das ist eine Band meiner Jugend, die ich lange nicht live gesehen hatte und es wurde mal wieder Zeit. Das Konzert eröffneten Body Count mit „Ace of spades“ und sorgten damit erstmal für Verwunderung. Im Anschluss gab es natürlich eigene Songs und einen Ice T, der über Rassismus und Trump schimpfte wie ein Rohrspatz. Trotz der bekannt deftigen Wortwahl und einigen Ansagen, die nicht unbedingt PC waren, merkte man, dass sich die Band nicht zu ernst nimmt. So kommentierte Ice T beispielsweise „Copkiller“ damit, dass er die Cops mag. Immerhin spielt er einen Cop in einer Fernsehserie. Interessant war, dass einige Konzerte von der Gruppe Tanzende Hände in die Gebärdensprache übersetzt wurden, so auch dass Body Count Konzert und ich habe gelernt, dass es sich offensichtlich auch in Gebärdensprache gut fluchen lässt. Meine Vorfreude wurde belohnt. Ich fand das Konzert super und hoffen, dass ich nicht allzu lange auf das nächste Body Count Konzert warten muss.

 

BODY COUNT

 

Matt: Tja, BODY COUNT, natürlich seit Subway Zeiten irgendwie kultig, leider hatte ich mal den Fehler gemacht und in diese komische US Krimi-Serie reingeschaut, in der ICE-T einen döseligen Polizisten spielt. Das kriege ich seitdem im Kopf schwer überein, immerhin haben BC mit „Cop Killer“ einen Hit im Gepäck, den der Fernseh-ICE-T bestimmt nicht so toll fände. BODY COUNT bringen dann auch tatsächlich „Cop Killer“ und auch „Body Count“ mit, sowie das EXPLOITED-Cover „Disorder“ welches im Duett mit SLAYER auf dem legendären Crossover-Urknall-Soundtrack „Judgement Night“ Platz fand. Damit also genau die alten Hits, die man hören möchte. Garniert wurde das mit diversen anderen Songs und einigen weiteren Covern. So eröffnete BC mit „Ace of Spades“, als Zugabe gab es dann noch „Institutionalized“ von den SUICIDAL TENDENCIES. Allerdings war der Prollfaktor schon extrem hoch, und bei vielen der Mitreisenden verdarb der Fremdschämfaktor den Konzertgenuss nachhaltig – bei keinem anderen Gig wurde so viel geschimpft wie bei BC. Ich muss gestehen, ich fand es ganz unterhaltsam, wenn man ICE-T nicht ernst nimmt (was man defintiv nicht kann). Schön auch als ICE-T der vermeintlich jüngsten Zuhörerin die Patenschaft anbot „you now have an uncle ICE-T“. Dummerweise entpuppte sich das junge Mädchen als Junge, peinlich peinlich. Naja, über das geschenkte Shirt hat er sich trotzdem gefreut. 

 

BODY COUNT 

 

ANTHRAX

 

ANTHRAXANTHRAX

 

Philipp: ANTHRAX spielen bei Bombensound und vor motivierter Menge eine sehr gute Show. Danach meint eine Bekannte zu mir, sie sei enttäuscht gewesen, dass ANTHRAX so wenig alte Songs gespielt hätten. Jetzt kann es natürlich sein, dass die Gute eine absolute Diehard-Anhängerin der „Fistful Of Metal“-Scheibe ist (was legitim wäre!), aber ich fürchte, sie hat eher gar keinen Plan, haha! Denn ANTHRAX spielen fast NUR alte Songs, beginnen mit „Caught In A Mosh“ (inkl. kleinem „Cowboys From Hell“-Gedächtnis-Part) und „Got The Time“ (zweitneuester Song...), hängen „Madhouse“, „I Am The Law“ sowie „Now It’s Dark“ ran, dann kommt „In The End“ (na gut, relativ neu), darauf endlich mal wieder „A.I.R.“ und schließlich das Finale mit „Antisocial“ (TRUST!) und „Indians“ („Wardaaaaaaaaance!“). Joey Belladonna macht den ganzen Auftritt über Party und feuert die Meute an, singt dabei ziemlich geil (beim letzten Mal fand ich ihn allerdings noch etwas besser), Scott Ian schreddert seine unnachahmlichen Stakkatoriffs bei typischen Moves und Grimassen runter und Charlie Benante unterstreicht seinen guten Ruf. Sehr energievoller Auftritt; wenn SLAYER Geschichte sind, rutschen ANTHRAX für mich an die Pole Position der Big Four (wobei es natürlich unzählige hervorragende Underground-Thrasher gibt, die zum Teil noch besser sind).

 

Strecker: Obwohl es musikalisch durchaus Parallelen gibt, wirkten Anthrax, die im Anschluss spielten, im Vergleich zu Body Count wie die braven Jungs aus der Vorstadt. Anthrax legten wie immer eine Spielfreude an den Tag, die einen sofort mitriss und begeisterte. Songs wie „Indians“ oder „Got the time“ sind Klassiker, die zu meinen Alltime-Favorits gehören und so war ich wieder sehr zufrieden mit dem Konzert.

 

ANTHRAX

 

Matt: Nun aber schnell rüber zur anderen Bühne, denn meine Lieblings-Alten-Thrash-Heroen ANTHRAX sind dran. Ich bin ja immer sehr traurig, dass ANTHRAX seit der Wiedervereinigung mit Altsänger Joey Belladonna keinerlei Songs aus der John Bush-Ära mehr spielen. Haben ANTHRAX in der Zeit doch mit „Sound of White Noise“ und „Stomp 442“ meiner Meinung nach ihre stärkste Phase gehabt. Also gibt es die volle Breitseite „Among the Living“, garniert mit weiteren Krachern aus den Neunzigen und nur einen einzigen neueren Song mit „In the End“. Partytime, denn natürlich gehen die alten Songs direkt in Nacken und Beine. Im Nacken hat man des öfteren auch crowdsurfende Angestellte des Kaufland Supermarkts. Betriebsausflug? Werbeaktion weil zu wenig Umsatz? Man weiß es nicht, aber irgendwann nervt die Flut von heranfliegenden Menschen, da man ständig ein Auge hinten haben muss, um keine Stiefel an den Dötz zu bekommen. Der guten Performance des Band tut das aber keinen Abbruch, und auch Joey Belladonna liefert einen excellenten Job am Mikro ab – ein echtes Highlight. MOSH!

 

ANTHRAX

 

WITHIN TEMPTATION

Matt: Weil es sich so ergeben hat, checken wir noch kurz WITHIN TEMPTATION ab. Ich konnte diesen Pompös-Metalbands mit Frauengesang noch nie viel abgewinnen. Und so ist es auch heute. Gut gemacht, professionell, mit charismatischer Sängerin, aber nix für mich. Also ab zum Mampfen, denn in Kürze warten PRONG im Zelt auf uns. Wobei es zu einer ziemlich ärgerlichen Überschneidung kommt, denn MESHUGGAH haben Ihren Slot getauscht und spielen parallel zu ein New Yorkern. Aber für mich gibt’s da kein Vertun, PRONG ist einfach ein Muss. 

Philipp: Erschreckend übrigens auch, wie sehr sich bei WITHIN TEMPTATION und BEYOND THE BLACK, die ich beide jeweils beim Warten ein Stück ertragen muss, die gesamte Präsentation bis hin zu fast wortwörtlich identischen Ansagen gleichen. Widerlicher Plastikschrott, unabhängig vom Geschlecht der Beteiligten übrigens natürlich.

 

DEMONS & WIZARDS

 

DEMONS & WIZARDS

 

Philipp: Da ich DEMONS & WIZARDS auf der Kieler Woche wegen eines für mich relevanteren Konzertes (ENFORCER im Bambi) nicht gesehen habe, bin ich nun gespannt. Die Reviews vom Kieler Auftritt waren durchgehend gut, aber was Hansi Kürsch, Jon Schaffer und Band sowie Gastmusiker*innen bieten, übertrifft die Erzählungen noch bei weitem. Und zwar in allen Belangen. Ich hätte zum Beispiel nicht gedacht, dass das Material der beiden Platten für eine Wacken-Headlinershow reicht. Doch da habe ich mich geirrt, die Setlist ist geschickt aus den Highlights beider Alben zusammengesetzt und enthält noch jeweils zwei Stücke von ICED EARTH und BLIND GUARDIAN. Tatsächlich ist es auch knackevoll vor der Bühne (bzw. auf dem gesamten Gelände) und erstaunlich viele Leute singen jedes Wort mit. Aber die musikalische Qualität ist auch überzeugend, die Band tight eingespielt, Backgroundsänger*innen fügen Farbtupfer hinzu und nicht zuletzt ist Hansi Kürsch gut bei Stimme. Dazu gönnt man sich aufwändige Bühnenaufbauten und opulente Pyro-/Licht-Effekte. Natürlich reißen  „Burning Times“, „Welcome To Dying“, „I Died For You“ und „Valhalla“ den roten Bereich der Lärmampel, aber auch bei D&M-eigenen Material wie „Heaven Denies“, „Poor Man’s Crusade“, „Crimson King“, „The Gunslinger“, „Blood On My Hands“ oder „Fiddler On The Green“ brennt der Baum. Für mich eine echte Überraschung, obwohl ich beide Alben mag.    

 

MESHUGGAH

 

MESHUGGAHMESHUGGAH

 

Strecker: Nun gab es eine für mich ärgerliche Überschneidung. Meshuggah und Prong spielten zeitgleich. Beides Bands, die ich sehr mag. Ich habe mich für Meshuggah entschieden und wurde nicht enttäuscht. Vor riesigen The Violent sleep of reason Bannern präsentierte sich die Band gewohnt distanziert und ansagenarm. Ich glaube, es gab lediglich einmal ein Thank You zu hören. Viel Entertainment haben Meshuggah bei der komplexen Musik nicht nötig und ich finde, dass es nicht passen würde. Hier heißt es let the music do the talking. Voll war es vor der Louder Stage und ich finde es immer wieder amüsant wenn einige Leute versuchen im 6/8 Takt zu bangen. Schönes und imposantes Konzert.

 

MESHUGGAHMESHUGGAH

 

PRONG

 

PRONG

 

Matt: Die Entscheidung pro Prong erweist sich als gute Wahl, denn die Kulttruppe um Tommy Victor legen los ohne Schnörkel. Es gibt kaum Ansagen, kaum Pausen, sondern von der ersten bis zur letzten Minute nur auf die Fresse. Ausgiebig laben sich PRONG zu Beginn an Stücken der „Beg to differ“, womit ich sehr gut leben kann. Nach dem Einstieg mit „Unconditional“ folgt gleich ein Dreierpack mit „Lost & Found“, „Beg to differ“ und „For dear Life“. PRONG prügeln sich durch die Bandgeschichte und liefern ein Highlight nach dem anderen. Ein Gig ohne Schwächen, Gaspedal von Anfang an durchgedrückt und das Publikum goutiert das entsprechend. Leider ist die Stimmung vor der Bühne ziemlich Aggro, das schmälert den Genuss etwas. Dafür kann die Band aber nix, von daher volle Punktzahl. 

 

SLAYER

 

SLAYERSLAYER

 

Philipp: Holy shit! Mit einer derartigen Attacke hatte ich nicht gerechnet. Im Nachhinein erfahre ich, dass Tom Araya durch eine sog. Diskektomie operiert wurde, das heißt, dass angegriffenes Bandscheibenmaterial chirurgisch entfernt und die Wirbel durch ein künstliches Implantat stabilisiert werden. Und so ist es ihm wieder möglich, mit voller Kraft zu singen, während er vor dieser OP schlicht nicht genug Luft holen konnte. Die gesamte Band ist aber in Topform und hämmert jeden Song mit absoluter Präzision und Aggression raus. Ein Extra-Lob muss an Gary Holt und Paul Bostaph gehen, die ihren Job jeweils hervorragend erledigen. Der Sound ist mächtig und laut, die Flammenshow völlig irre und ich habe eine perfekte Position, denn um mich herum befinden sich ausschließlich textsichere Maniacs, die jede Silbe mitraspeln. Ich ignoriere die im Sekundentakt eintrudelnden Crowdsurfer – sorry, kein Bock, für euer Geblödel meinen Musikgenuss einzuschränken. Witzigerweise stört es nicht mal, dass die Setlist einige Stücke enthält, die gut und gerne durch deutlich geilere Klassiker hätten ersetzt werden können. Aber in dieser Intensität trifft selbst B-Ware wie „Gemini“, „Payback“ oder „Hate Worldwide“ wie ein Faustschlag ins Gesicht. Als Fan seit „Show No Mercy“-Tagen muss ich ganz klar sagen: Das Ding hier ist so gut wie ganz früher in den Achtzigern. Im letzten Drittel drehen die Totschläger noch mal richtig an der Schraube, auf eine irrwitzige Version von „Born Of Fire“ hagelt es nur noch Killersongs: „Seasons In The Abyss“, „Hell Awaits“, „South Of Heaven“, „Raining Blood“, „Black Magic“, „Dead Skin Mask“ und „Angel Of Death“ (inkl. Einstiegsschrei wie aus dem Bilderbuch). Danach geschieht noch etwas Schönes: Aus dem Gegröhle der Fans schält sich ein Chor heraus, der immer lauter wird: „THANK YOU, SLAYER! THANK YOU, SLAYER!“ Tom Araya verweilt minutenlang und guckt lächelnd. Und man weiß, dass nach der Tour Schluss ist, denn trotz der OP sind die Schmerzen wohl heftig und permanent. Aber auf so einem Niveau abzutreten, das hat ja auch etwas. Kleiner Fun Fact am Ende: Am Tag nach dem Wacken spielen SLAYER in Stuttgart in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle.    

 

SLAYERSLAYER

 

Strecker: Nun wurde es Zeit, um Slayer noch ein letztes Mal zu sehen. Ich war etwas zu spät vor der Bühne und stand dadurch gefühlte fünf Kilometer entfernt. Der Sound war trotz der Entfernung zwar super, aber richtig intensiv wurde das Konzert dadurch nicht. Slayer spielen ein Best Of Set und das mit einer Energie, die ich der Band ehrlich gesagt nicht mehr zugetraut hätte. Obwohl die Abschiedstour  bereits einige Zeit läuft, ist Tom Araya gut bei Stimme und es gibt sogar einige der hohen Screams zu hören, die in der Vergangenheit gerne mal gestrichen wurden. Nach „Angel of death“ heißt es dann This is it. Auf Wiedersehen. Das Publikum bedankt sich minutenlang mit „Thank You Slayer“-Sprechchören und die Band genießt noch einmal das Bad in der Menge. 

 

SLAYER

 

Matt: Auf dem Rückweg vom PRONG-Gig im Zelt zur Hauptbühne erwartet uns eine sehr böse Überraschung, denn es heißt: InField ist voll, und alle Schleusen sind dicht. Waaaass? Hier komme ich mir zum ersten Mal richtig verarscht vor, denn neben uns stehen hunderte, wenn nicht tausend entsetzte Freaks, die aufs Gelände wollen, um dem vermeintlich letzten Festivalgig der Thrashgötter SLAYER beizuwohnen. Liebe Wackenianer: Das geht mal gar nicht, denn es ist doch klar, dass fast alle diesen besonderen Giig sehen wollen. Dazu mus man kein Hellseher sein. Eventuell sollte man mal nicht so viele Karten verkaufen, wenn gar nicht alle Platz finden KÖNNEN. Wir sind jedenfalls mal richtig genervt, und als wir im Laufe des Gigs dann irgendwann aufs Gelände gelassen werden, bleibt uns auch nur ein Platz in der 1000. Reihe, wo wir das Geschehen  dann im überdimensionierten Fernsehen verfolgen „dürfen“. Das Konzert selbst ist der Hammer, geile Songauswahl, großartige Spielfreude und Tom Araya in Bestform. Ein würdiger Abschieds(?)gig, zumindest was Festivals angeht. Mit SLAYER tritt nun wirklich eine der besten Metalbands ab, die es trotz durchaus umstrittener Attitüde wie keine zweite Band geschafft hat, Fans verschiedenster derber Musikrichtungen zu vereinen. Chapeau!

 

D-A-D

 

D-A-DD-A-D

 

Philipp: Nach dem großartigen SLAYER-Konzert bleiben einem nur zwei Möglichkeiten, entweder sich irgendwo hinzusetzen und das Gesehene zu analysieren oder sich ein weiteres Konzert anzugucken. D-A-D bieten die Möglichkeit, noch mal auf etwas völlig Anderes umzuswitchen. Das neue Album „A Prayer For The Loud“ ist ja mal der Hammer, ich höre das Ding seit Erscheinen Anfang Juli rauf und runter. Vor der Louder-Stage finden sich viele Rock’n’Roll-Fans ein, die Bock auf die Dänen haben. Und die liefern wie immer mit extrem unterhaltsamen Ansagen und einer originellen Show. Als Schlagzeugpodest dient wieder das überdimensionierte Wohnzimmersofa. Sänger/Gitarrist Jesper Binzer baut eine Interaktion mit dem Publikum auf, indem er Dialoge mit Drummer Laust hält. „Laust, kannst du eigentlich auch Thrash Metal spielen?“ – „Natürlich!“ – „Und – willst du?“ – „Jetzt?“ Und plötzlich holzt der gute Laust wie Dave Lombardo los, die Band feuert dazu wilde Thrashriffs ab. Aber D-A-D haben die Show von SLAYER noch genauer unter die Lupe genommen und schießen mit der folgenden Aktion den Vogel ab: „Laust, ich habe dir ein Schlagzeug mitgebracht. Willst du es spielen?“ Und zack!, wird vor das Sofa-Drumset noch ein kleines Schlagzeug geschoben, zu welchem Laust samt Kabelage mitten im Song wechselt. Nachdem die Band erst mal ein, zwei Stücke mit dem neuen Setup gespielt hat, steigert Binzer den Dialog: „Komm schon, Laust, wir lieben dich! Komm schon, Laust, burn that drumset down!“ Laust steigert sein Spiel, plötzlich bewegt sich Binzer auf ihn zu und zeitgleich passieren zwei Dinge: Während Laust aufspringt, setzt Binzer das Mini-Schlagzeug in Flammen! Ob der Brand derart heftig gedacht war, frage ich mich, denn die Flammen blecken meterhoch. Die Band spielt seelenruhig weiter, nach weiteren zwei, drei Songs kommt die Crew mit Feuerlöschern und schiebt schließlich das z.T. noch lodernde Set wieder seitlich von der Bühne. Spektakuläre Show mit unzähligen Hits!

 

D-A-DD-A-D

                                                                                                    

Strecker: Damit nach dem Slayer-Abschied keine schlechte Stimmung aufkommt, machte ich mich auf den Weg zu D-A-D, obwohl ich Opeth auch gerne gesehen hätte, hatte ich mehr Lust auf Gute-Laune-Hardrock. Ich freute mich natürlich auf die Klassiker der Band, aber Philipp hatte mir die neue D-A-D Platte „a prayer for the loud“ bereits wärmstens empfohlen und von daher war ich auch auf die neuen Songs gespannt. Die Empfehlung  war berechtigt. Die neuen Songs reihten sich nahtlos in die Setlist ein und überzeugten mich, so dass ich mir die Platte gleich am Montag besorgt habe. Wer D-A-D kennt, weiß natürlich, dass Bassist Stig Pedersen ausgefallene Bässe spielt. Neu in der Kollektion war diesmal ein IPhone Bass mit funktionierendem Display. So konnte man auf dem Display Live Bilder aus der Sicht des Basses sehen. Ich bin kein Freund von Solos bei Festivalkonzerten. Da mich aber keine gefragt hat, durfte Schlagzeuger Laust Sonne ein Drumsolo auf einem eigens dafür aufgebautem Schlagzeug spielen. Das Solo war ok. Highlight war aber, dass das Schlagzeug im Anschluss angezündet wurde. Ich hatte den Eindruck, dass sowohl Band wie Bühnenhelfer überrascht davon waren, wie gut ein Schlagzeug brennt. Es dauerte zumindest etwas, bis alles wieder gelöscht war. Der Band waren die Löscharbeiten aber egal und das Konzert ging ohne Unterbrechung mit Hits wie „sleeping my day away“ weiter. Es wieder ein sehr gelungenes und unterhaltsames Konzert, das Lust auf die anstehende Tour gemacht hat. 

 

D-A-DD-A-D 

 

Matt: Auf dem Rückweg stehe ich dann vor einem logistischen Problem: Als ich das Festivalgelände verlasse, versuche ich mich zu orientieren, wo lang es zu unserem Außenplatz geht. Von Horizont bis Horizont kann ich aber nur Zelte sehen, alles sieht gleich aus. Zum Glück hängt an einem Zaun ein Lageplan, den ich flugs mit dem Handy abfotografiere und der mir letztlich den Mors rettet. Denn vermeindliche Wegmarken die ich wiederzuerkennen meine („Oh, ein Wacken Breakfast-Stand? Super, da bin ich auf dem Hinweg auch vorbeigekommen.“) stellen sich als trügerisch heraus („Oh, noch ein Wacken Breakfast-Stand und er sieht genau so aus wie der erste …“). Also lasse ich mich vom Smartphone-Bild leiten und finde so (mit bangem Blick auf den rapide sich leerenden Akku) endlich unseren Zeltplatz (40 Minuten strammer Marsch). Anderen erging es weniger gut, ein Mitreisender irrte des Nachts viereinhalb Stunden über das Gelände bis er morgens um halb sechs dort eintraf, ein anderer fand den Platz nur wieder, indem er sich den Standortverlauf auf Google Maps (erster sinnvoller Einsatz dieser gruseligen Totalüberwachung) anzeigen ließ.

 

D-A-D

 

TBC….

Kommentare   

+2 #4 Philipp 2019-11-05 18:13
Okay, der Text ist tatsächlich richtig dumm. Gerade über dieses Album habe ich ein extrem positives Review im Zine von der BEYOND-PINK-Schlagzeugerin gelesen, was mich überhaupt erst hat aufhorchen und in das Folgealbum hat reinhören lassen. Ich meine, da war sogar ein Interview drin, muss ich mal raussuchen.
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+2 #3 bockfred 2019-11-05 16:37
Der Text des Songs sagt irgendwie alles, das ist echt übelst beschissen und bei der Ansage dazu ist für mich keine Ironie erkennbar.
Triggerwarnung vor folgendem Link, ekelhafter Typ redet ekelhafte Scheisse: https://youtu.be/EtKNkw1kyo4?t=649
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+2 #2 Philipp 2019-11-05 15:19
Wenn dahinter keine Ironie steckte, wäre es natürlich indiskutabel. Wir haben nach dem Auftritt natürlich darüber geredet und waren der Meinung, dass es eher eine Persiflage gewesen sei. Ob das Wunschdenken war?
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+2 #1 bockfred 2019-11-05 12:29
Sorry, aber die Verharmlosung von ICE-Ts Sexismus geht mir ganz schön auf den Keks, die Ansage in Wacken zu "Manslaughter" kann man sich auf YouTube reinziehen, den Text zu dem Song findet man überall im Internet, das ist keine Persiflage, keine erkennbare Ironie, dafür eine Menge erkennbare Dummheit. das ist üble Scheisse, der Typ ist einfach ein ätzender Macker.
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