B-S-T, THE HIDDEN SPIRIT, WELTPUNK / 17.01.2020 – Hamburg, Bar 227

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„Over The Years… Under The Radar“ haben die Hamburger Hardrocker DEVIL’S DAY OFF ihr bisher einziges Album genannt (bald erscheint übrigens der Nachfolger, auf den ich mich schon sehr freue). Dieses Motto passt auch auf die Hamburger Kollegen B-S-T, die bereits seit unfasslichen 25 (!) Jahren im Untergrund wühlen. Der Vergleich kommt mir nicht nur aufgrund der Hamburg-Parallele in den Sinn, sondern auch wegen der krassen Diskrepanz zwischen musikalischer Qualität und dem jeweiligen (eben viel zu geringen) Bekanntheitsgrad. Vielleicht sind manche Bands einfach zu gut für die breite Masse, möglicherweise fallen B-S-T bei einigen Doom Metal Hörer*innen durchs Raster, weil sie deutsche Texte haben, was in diesem Genre eher selten ist. Dass es bei Dremu erst ein Live-Review von B-S-T gibt (Support für PENTAGRAM 2015), ist jedenfalls ein Skandal, der hiermit aus der Welt geschafft oder zumindest relativiert wird – „25 Jahre Hamburg City Doom“ sind ein Anlass, um eine kleine Reisegruppe zusammenzustellen.

 

Seltsam ist übrigens auch, dass die meisten von uns vor dem heutigen Termin noch nie in der Bar 227 waren. Endlich lerne ich nun auch den dritten Schuppen der Dreieckskonstellation Fundbureau – Astra Stube – Bar 227 kennen. Das Ding gefällt mir auf Anhieb – wie erwartet recht klein, aber gemütlich sowie mit gut bestückter Bar und der Sound ist auch okay.

 

Zum 25-jährigen Jubiläum haben B-S-T offenbar alte Freunde eingeladen, die zur selben Zeit wie sie 1994 ein Bandprojekt begonnen hatten („aka die große Glinder Schule Revival Show“, B-S-T in ihrer Veranstaltungseinladung). WELTPUNK erklären, dass sie aber nach ihrer Gründung vor 25 Jahren nichts mehr gemacht haben… Also auch nicht geprobt… Für die Angehörigen und Freunde dürfte die Chose ein großer Spaß sein, für uns als Nichteingeweihte kommt das etwas schräg rüber. Das planlose Geschepper dürfte eher als Insidergag durchgehen, eine tiefgründige Analyse spare ich mir hier also…

 

THE HIDDEN SPIRIT schlagen in eine andere Kerbe, nämlich die des leicht metallischen Stonerrock. Ein mitgereistes Individuum und ich kommen zu recht unterschiedlichen Einschätzungen: Sie bezeichnet die Musik als „guten Stoner mit zu knödeligem Gesang“, während ich von schön knödeligem Gesang zu eher durchschnittlichem Stoner spreche. Die Schönheit des Geknödels liegt eben im Gehör des Betrachters (bzw. der Zuhörerin).

 

Volle Hütte, derb drückender Sound – B-S-T könnten zufrieden sein, müsste nicht Sänger und Gitarrist Heiko Wenck heute im Sitzen zocken. Offensichtlich ist ein Unfall die Ursache, also gute Besserung an dieser Stelle. Der musikalischen Qualität tut das ja sowieso keinen Abbruch, der showtechnischen auch nicht, erwartet man bei einer Doomband schließlich in der Regel keinen wild herumspringenden Sänger. Monströse CROWBAR’sche Klangwände türmen sich auf, als B.S.T. mit „Stimmen“, dem Opener der genialen „Unter Deck“-Scheibe, loslegen. Kirk Windsteins leidendes Organ ist ein passender Vergleich, wenngleich Wenck in den ruhigen Passagen auch mal klar trällert. Riffs und Harmonien können ebenfalls begeistern, Vergleiche mit ISOLE, WARNING oder MIRROR OF DECEPTION sind durchaus gerechtfertigt. Während ich zeitlupig bangend schwelge, wird mir wieder mal klar, was mich an Doom Metal so fasziniert – es ist die Antithese zu einer von Streaming dominierten Wegklick-Welt. In einen B.S.T.-Song „mal kurz reinzuhören“, das wäre das Verhalten eines Schwachsinnigen, gönnen sich die Hamburg City Doomer doch Songungetüme in Überlänge. „Die Moral“ und „Die Hoffnung“ knacken zum Beispiel die Neun-Minuten-Grenze, das erwähnte „Stimmen“ baut sich über zehn Minuten lang auf. Short-Attention-Span? Biste hier falsch, Kollege. In selten erlebter Perfektion verschmelzen B-S-T heute brachial-sludgige Passagen mit ruhig-melancholischen Akustik-Kontrasten. Ein Höhepunkt ist die Coverversion der Irish Singer/Songwriter Christy Moore & Jimmy MacCarthy „Ride On“, das B-S-T stimmungsvoll und schwermütig bringen, sodass es nahtlos in den eigenen Bandkosmos passt. Unterstützt wird der Auftritt gleich bei mehreren Stücken vom THE-HIDDEN-SPIRIT-Sänger Marcus, was den familiären Charakter des Abends nochmal unterstreicht.  

 

Keep on dooming in a free world! Auf die nächsten 25!

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