MASSACRE, ENTRAILS, GODS FORSAKEN / 19.01.2020 – Hamburg, Bambi Galore

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Philipp: Eine Legende nach der anderen zockt im Bambi – nach EXCITER, BENEDICTION, DEMON, PRAYING MANTIS, RAZOR, TOXIK, BLOODFEAST, RAVEN, JAG PANZER, TYGERS OF PAN TANG oder PESTILENCE, die mir auf Anhieb allein aus dem letzten Jahr einfallen, stehen heute fucking MASSACRE auf dem Programm. Ich verleihe Flo und der Bambi-Booking-Bande hiermit den heißbegehrten GOLDENEN WOLTER für extraordinäre Dienste im HEAVY-METAL! Möge die handliche Statue lange in Flos Schlafzimmer verweilen!

 

MASSACRE 2020

 

Philipp: MASSACRE, ey. Für mich ja eine dicke Nummer. Kam Lee, der für sich mal beansprucht hat, den Growlgesang „erfunden“ zu haben („There are no vocal effects on this album“, Backcover der „From Beyond“, wobei 1986 ja wirklich noch kaum jemand so geklungen hat wie Kam auf MASSACREs „Aggressive Tyrant“-Demo) hat mich tatsächlich als Sänger ein wenig inspiriert, mit BONEHOUSE coverten wir in unserer Frühphase (Mark I…) ‘ne Zeitlang den „Corpsegrinder“, weshalb mir dessen Lyrics in die Gene eingedrungen sind: „Digging up the graves to fulfill my needs / Of my necrophilic lustful greed / Sex with the dead is what I crave / Touch the cold flesh that drives me insane... / Corpse grinder / Corpse grinder / Corpse grinder / Grind! / Mutilated bodies piled on the floor / Returning to the site to get some more / Uncontrolled rage now takes its course / To fuck a maggot infested corpse... / Corpse grinder / Corpse grinder / Corpse grinder / Corpse grinder / Corpse grinder / Corpse grinder / Grind!” Solch nüchterne Sachttext-Lyrics sind halt immer noch das Beste. 1991 das grandiose Konzert mit MORGOTH und IMMOLATION, welches aus unerfindlichen Gründen aus der Markthalle ins obskure „Bürgerhaus Wilhelmsburg“ verlegt wurde, 2008 die Reunion aufm Wacken (gut!), 2014 das „Back From Beyond“-Album OHNE Kam (tatsächlich trotzdem gar nicht schlecht) und nach verwirrend vielen weiteren Wechseln, Reunions seit 2019 Kam Lee mit Ur-Bassist Mike Borders und zwei neuen Typen namens Jeramie Kling (d, u.a. RIBSPREADER, VENOM INC., GUS G.) und Taylor Nordberg (g, u.a. SCAB, GOREGANG und Livejobs für GUS G., SOILWORK etc.). Wir sind gespannt!

 

MASSACRE 1991

 

Torsten: Was gibt es Schöneres, als den Sonntagsnachmittagskaffee bei einem Konzert zu genießen? Allerdings spreizt unsere Reisegruppe den kleinen Finger nicht an einer schicken Kaffeetasse ab, sondern an einem soliden Humpen hopfenhaltigen Getränks. So geschehen, vergeht die Bahnfahrt wie im Fluge und wir landen keine Minute zu spät im Gewölbe des Bambi Galore. Es geht äußerst pünktlich los, GODS FORSAKEN wollen uns akustisch den Popo versohlen. Doch bevor es soweit ist, gilt es noch ein optisches Highlight zu bestaunen! Beim Bart des Propheten: sooo einen langen Bart habe ich noch nie gesehen. Das Gesichtshaar des GF – Frontmannes reicht bis zum Oberschenkel; geflochten wohlgemerkt. Respekt! Das musste auch erst mal schaffen!

 

Philipp: Zunächst gibt’s aber die mir noch unbekannten GODS FORSAKEN auf die Omme. Des Sängers Bart besitzt eine ehrfurchtgebietende Länge und geht dem Kerl sogar im geflochtenen Zustand bis zu den Knien. Das schwedisch/norwegische Quintett existiert seit 2016 und hat mit „In A Pitch Black Grave“ sowie „Smells Of Death“ bereits zwei Longplayer veröffentlicht. Ich spare mir das Namedropping, aber alle Mitglieder sind altbekannte Gesichter aus x Bands. Die Hunde wissen, wie man Qualitäts-Death Metal schwedischer Prägung zockt, kommen dementsprechend gut an im sich langsam füllenden Bambi, auch wenn den meisten Anwesenden zunächst noch eine gewisse Sonntagsbehäbigkeit anhaftet. Der Gitarrensound hat die typische HM2-Bratze, besitzt aber dabei Schärfe und Heaviness. Außer den Titelsongs der Scheiben werden „By Hate He Comes“, „From The Inside They Came“, „Ashes Of The Dead“, “They Crawl”, “The Process Of Death” und “Birth Of Insanity” zum Einsatz gebracht. Ich bin sicher, dass alle Texte/Titel von Kam Lee einen gehobenen Daumen bekommen. Richtig guter Opener, der heute zahlreiche Fans gewonnen hat!

Torsten: Nun gut, genug bewundert. Die Schweden sollen vor allem Dingen musikalisch liefern. Ich hab vorher noch nichts von GODS FORSAKEN gehört, kannte diese Band so gar nicht. Das ändert sich aber schnell. Der Sound der Band klingt einfach zu gut und eben auch bekannt: schwedischer Old-School-Death-Metal. Einfach aber sehr effektiv. Wer Entombed und Dismember mag, kommt hier vollstens auf seine Kosten! Was für ein Brett! Mit jedem Song wird es besser und intensiver. Die Band ist gut drauf, hat Bock und versprüht jede Menge morbiden Charme. Was auffällt ist, daß quasi in jedem Songtitel der Band die Worte "Death", "dead" oder vergleichbares auftaucht. Haha, seeehr true! Death Metal Victory!

 

Philipp: ENTRAILS schrauben das Energielevel derart hoch, dass ich beim ersten Stück sprichwörtlich zusammenzucke! Die Schweden haben für mich die Kollegen von ENTOMBED schon seit Jahren überholt. Bekanntlich hatten die Jungs lange Pech und konnten trotz früher Gründung 1990 erst 2010 debutieren, aber die bisherigen sechs Longplayer machen alles wett – für mich derzeit tatsächlich die Swedish Death Metal Band Nr. 1. Nach dem „Tomb Awaits“-Intro geht’s gleich mit „Unleashed Wrath“ in Überschallgefilde, wobei Jimmy Lundqvist und Markus Svensson ins Geknatter herrlich diabolische Melodic Leads einstreuen. Ich brauche vielleicht nicht alle Songs aufzuzählen, aber die persönlichen Höhepunkte seien mit „Beyond The Flesh“, „Gravekeeper“, „Crawling Death“ und „Eaten By The Dead“ genannt. Facettenreicher geht es in diesem Genre nicht, ohne die Grenzen zu verwischen, besitzen genannte Songs doch Elemente aus Swe-Death-Galoppel, Doom-Geschlürf, Speedpunk-Höllenhatftigkeit und Schlachtfesthymnenpathos. Einfach geil – eeeeeeeeeeeeee!

Torsten: Geiler Beginn! Macht Spaß – und durstig. Obwohl der olle Montag umme Ecke lauert, wandert ein Bier nach dem anderen in die Kehle. Zum Glück schwitzt man das gleich wieder aus, denn es ist muckelig warm im gut gefüllten Bambi. Das sah am Beginn gar nicht danach aus. Erst im Laufe des Abends füllt sich der Club. Gut so! Denn jetzt sind ENTRAILS dran. Und die setzten locker(!!!) noch mal einen drauf! GODS FORSAKEN klangen schon fett, ENTRAILS aber schütteln sich ganz easy einen Sound aus den Ärmeln, der alles Vorrangegangene einfach so'n büsch'n wegschubst. Unfasslich. Dabei klingen die Jungs so tight, daß einem der Mund offen stehen bleibt. Gleich beim ersten Song ("Unleashed Wrath") denke ich: "Mehr Entombed geht nicht." Da klingt soviel "Left Hand Path" mit, daß es eine wahre Pracht ist. Da fühlt man sich gleich "zuhause". Gut aber, daß ENTRAILS eben NICHT wie eine x-beliebige Kopie der Old-School-Schweden-Bands klingen. Die Jungs, allen voran Chefriffer Jimmy Lundqvist, sind mit Leib und Seele dabei, und wissen was sie machen. Immerhin gründete sich diese Band schon 1990 (als quasi alle Bands so klangen), brachte aber erst sehr viel später das erste Album raus (2010). Seither gab es zwar einige Besetzungswechsel, aber es erschien eine Platte nach der anderen. Auch hier steigert sich die Band von Song zu Song. Herrlich! Was für ein Fest. Das Publikum frißt der Band förmlich aus der Hand. Kein Nacken bleibt verschont, Haare und Bierfontänen fliegen tief. Diese feisten, dicken, fetten Old – School - Riffs zerren dich hinunter und die geilen melodiösen Leads, die ab und zu wie aus dem Nichts auftauchen, lassen dich gefühlt schweben. Fragt nicht, von welchen Scheiben die Songs sind – alle klingen super und sehr homogen. Wie aus einem Guß. Wahnsinn! Old – School – Hammer!!! Weiter so ENTRAILS; grabt euch tiefer in meine EINGEWEIDE!!!

 

MASSACRE-Disco

 

Philipp: Zeit für das Direktgeballer von MASSACRE! Es zeigt sich vom ersten Song an, dass Kam Lees charismatische Stimme wirklich noch zu 100% so klingt wie früher. Ebenfalls relevant: Der Gitarrist hat es voll drauf und rifft wie Rick Rozz inkl. der fies quietschigen Nicht-Soli. Mike Borders und Mr. Kling erzeugen den urtypischen MASSACRE-Groove, wobei der (bei allen Bands) eingesetzte Trigger das einzige Manko des Abends ist, da für Old School Death Metal meines Erachtens unnötig. Die Snare kloppt mir trotz Gehörschutz das Hirn weich, eiei. Aber was für herrliche SONGS sind das auch bitte! Nahezu komplett ohne Breaks donnert ein Ultraklassiker nach dem anderen durch die PA, die Alben „Promise“ (1996) und „Back From Beyond“ werden erwartetermaßen komplett ignoriert. Dafür genießen wir „Cryptic Realms“, „Biohazard“, „Chamber Of Ages“, „From Beyond“, „Succubus“ (totale Zerstörung!) oder „Symbolic Immortality“ in ihrer ganzen Pracht und Herrlichkeit. Kam Lee erweist sich einmal mehr als Entertainer der alten Schule, reißt einen Spruch nach dem anderen, springt in den Mob – man merkt mal wieder, dass der frühe Extrem Metal auch stark vom HC/Punk beeinflusst war. Besonders schön: Es werden diverse neue Songs gespielt, die komplett zum alten Kram passen. Wenn die Combo sich nicht wieder selbst zerlegt, könnte uns ein weiterer Klassiker bevorstehen. Kam erzählt uns, dass Mike Borders nicht nur auf den 86er Demos zu hören ist, sondern auch auf „From Beyond“ – entgegen aller bisherigen offiziellen Infos. Ob das stimmt? Anyway, natürlich gehen MASSACRE zurück in die MANTAS/DEATH-Vergangenheit und böllern eine eruptive Version von „Evil Dead“. Großartig! Und war der „Corpsegrinder“ dabei? Selbstverständlich, was für eine Frage! Wir bangen mit und skandieren noch später im Regio mindestens bis Neumünster „Digging up the graves to fullfill my needs“…

Torsten: Verdammt! Mit jedem derzeitigen Jubiläum von Bands und Platten, wird einem bewußt, wie alt man selber geworden ist. Naja, aber immerhin hat man dauernd einen Grund zu Feiern ;-) In diesem speziellen Fall sind die Florida – Death – Metal – Veteranen MASSACRE an der Reihe. 35 Jahre ist es her, daß sich Kam Lee mit Chuck Schuldiner und anderen Gleichgesinnten in einer Garage trafen, Horrorfilme und Pornos guckten und quasi nebenbei ein paar Klassiker des Death Metal schlechthin schrieben. Klingt irgendwie nach "guter, alter Zeit". Wie gut, daß die "alten Herren" Lust haben, davon zu erzählen und den jüngeren Metalfans zeigen wollen, wie geil und gut ihre Songs klingen. Mitgebracht hat Mr Lee einen alten Kampf - und Garagengefährten und zwei "Neulinge". Beides passt wunderbar zusammen – den Bass bedient Mike Borders. Ein absolutes Urgestein, welches noch vor Terry Butler die vier Seiten in der Band malträtierte. An Schlagzeug und Gitarre finden sich zwei Musiker, die deutlich jünger sind, gemeinsam in einer eigenen Band spielen, und hier bei MASSACRE tolle Arbeit leisten. Der Gitarrensound hat genau deeeen Crunch, der das '91-er Album "From Beyond" so unverwechselbar macht (bei diesem Song grölt das Bambi voller Inbrunst mit). Wie geil, diese Songs live erleben zu können. Ich hatte die Amis bisher nie gesehen. Hinterm Schlagzeug sitzt Muskelmasse mit Armen und Beinen dran. Weiß gar nicht, warum der Fitnessfreak sein Kit triggert; der Typ haut so ins Mett, daß es mich wundert, das nichts kaputtgeht. Alle Mann sind sie bestens aufgelegt und besonders Kam Lee sprüht vor guter Laune (immer wieder entfährt ihm ein "Sexyyy"). Ihm gefällt der Club und er lobt die familiäre Atmosphäre hier. Erzählfreudig berichtet er von seinen Lieblingsserien ("Stranger Things") und den 80-ern. Womit sich hier ein Kreis schließt, denn er schreibt heute wie damals gerne Songs über Filme, die er gesehen hat. So gibt es einen neuen Song, der von eben "Stranger Things" beeinflußt wurde, sowie den Uralt – Kracher "Evildead" (den Film kennt wohl jeder). Zwar gab's diesen Song auf dem ersten Death – Album "Scream Bloody Gore", aber geschrieben wurde er noch unter dem Banner MANTAS, der Vorgängerband von Death, Massacre und auch Autopsy. Aber auch der/die neue(n) Songs können überzeugen, sind sie doch im alten Verve geschrieben, also mit Erinnerungen an die Vergangenheit. Klingt dann auch so. Sehr gut! Viel zu schnell ist das Ende der Show erreicht. Aber ohne "Corpsegrinder" geht's nicht nach Hause. (wie oft habe ich DIESEN Song wohl gehört? Allein dieser Brüller am Ende … ) Nochmal werden alle Register gezogen, die Menge singt enthusiastisch mit und mosht verzückt. Am Ende sind ALLE glücklich und streben unter den Klängen von "We care a lot" (Faith No More) dem Ausgang (oder einem Absacker) entgegen. (Zum Abgang sagt Kam Lee auch noch: "We're MASSACRE and we care a lot!" Anm. Philipp)

Danke! War einfach nur geil!!!

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