URIAH HEEP, NAZARETH, WISHBONE ASH / 25.01.2020 – Hamburg, Sporthalle

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Ja, hallo? 150 Jahre Bristish Rock auf einen Schlag! Und wo andere Bands überteuerte VIP-Tickets verkaufen, heißt es heute „VIP mal anders“, läuft diese Tour doch unter dem Motto „Music & Stories“. Was genau dies bedeuten möge, war mir vorher nicht klar, außer der Tatsache, dass Andy Scott von SWEET den Abend als Host begleitet und es in irgendeiner Form Interviews auf der Bühne geben würde. Im Netz las ich von Leuten, die dieses Konzept abschreckte oder die zumindest befürchteten, dass zu viel Gelaber den Fluss der Konzerte stören könnte. Ich persönlich habe da nicht lange überlegt: Tickets her und ab!

 

URIAH HEEP

Fotos von Oliver Lange und Martina Junker.

 

Die ca. 1000köpfige Zuhörerschaft ist altersmäßig bunt gemischt, was ich super finde. Mit 50 triffste wahrscheinlich so ziemlich den Durchschnitt, haben wir doch sowohl zwanzigjährige Kuttenträgerinnen als auch in Ehren ergraute Rock’n’Roller in der Halle. Das Schöne: Alle erweisen sich als textsicher und haben Bock. Rock will never die!

 

Wir haben so gerade alle nötigen Dinge erledigt, als Andy Scott auch schon die Bühne betritt und uns mit charmanten Worten begrüßt. Man merkt dem Kerl sofort den typisch britischen Humor an, was ja auf (fast) alle heute zockenden Musiker zutrifft und möglicherweise zum Gelingen des Abends beiträgt. Es fällt deutlich auf, dass sich alle Bandmitglieder äußerst wohl fühlen und sehr entspannt wirken. Die Schnackpassagen sind dann auch keineswegs zu lang – es gibt jeweils in den Umbaupausen zunächst Videos und dann eine kleine Talkrunde, für die ein weißer Tisch an den Bühnenrand gestellt wird. Ich hätte davon sogar noch mehr vertragen, was auch für die Spielzeit der Bands gilt – alles sehr kurzweilig und unterhaltsam!

 

WISHBONE ASHWISHBONE ASH 

 

WISHBONE ASH eröffnen den Reigen und widmen sich mit dem Songtriple „The King Will Come“, „Warrior“ und „Throw Down The Sword“ gleich ihrem besten Album – der gigantischen „Argus“-Scheibe, die ich als eine der besten LPs der Musikgeschichte bezeichnen möchte. Eine Gänsehaut jagt die andere, als der cremige, ja seidige Twin-Gitarrensound die Halle und die Herzen erfüllt. Wow, was für Licks, was für Riffs! Dazu gefällt Andy Powells warme Stimme, welche in einigen Parts von Backings der anderen Bandmitglieder unterstützt wird. Mittlerweile dürfte es sich herumgesprochen haben, dass die sich Sporthalle akustisch ganz enorm verbessert hat. Dass der Sound jedoch so verdammt gut werden würde, überrascht dann aber doch. Nun zeigen WISHBONE ASH, dass sie nicht nur in der Vergangenheit leben, denn „We Stand As One“ ist ein Stück vom demnächst erscheinenden Album, das mit großartigen Riffs, typischen Leadgitarren und einem offenbar sehr sozialkritischem Text auf Anhieb überzeugt. Mit „Jailbait“ reisen wir dann zurück zur „Pilgrimage“-Scheibe, bevor Powell in Form von „Phoenix“ eine wahre Hymne anstimmt, die an Majestät und Epik unvergleichbar ist. Puh, und dann krönen WISHBONE ASH ihr Set noch mit „Blowin‘ Free“, also einem weiteren „Argus“-Song. Ich bin restlos begeistert und freue mich jetzt schon auf die nächste Show der Band in Hamburg, welche Powell heute ankündigt. Ein Besucher erzählt mir später übrigens, dass die MARTIN TURNER EX WISHBONE ASH-Variante live genauso gut sein solle. Kaum zu glauben, aber das werde ich hoffentlich irgendwann mal überprüfen können.   

 

 Talk

 

Yeah, man hat gerade genug Zeit, sich fix ein neues Bier zu holen, dann lässt Andy Sweet wieder seine Matte strahlen und kredenzt uns zunächst ein Video, in dem weißhaarige Männer gezeigt werden, die sich backstage herumlümmeln („Here you’ll have the FOUR NON-BLONDES“). Danach folgt ein launiger Schnack mit den URIAH HEEP-Mitgliedern Mick Box und Bernie Shaw, die gut gelaunt von 25 Alben in 50 Jahren erzählen.

 

NAZARETHNAZARETH

 

Dann folgen NAZARETH, die heute vom deutlich besseren Sound als kürzlich in der Räucherei profitieren. Vor allem Carl Sentance powert sich mit umwerfend kraftvoller Stimme durch den Gig. Bei den ersten zwei, drei Songs scheinen die alten Schotten erst auftauen zu müssen, was sich aber nach der ersten Ansage und dem folgenden Jubel ändert. Nun befindet sich Pete Agnew im Grinsemodus und er brilliert mal wieder mit seinem prägnanten Bassspiel. „Razamanaz“, „This Flight Tonight“, „Beggars Day“, „Hair Of The Dog“ und der Titelsong der aktuellen Scheibe “Tattooed On My Brain” lassen nicht nur mich derart mitzucken, dass dat sündhaft Bier über den Becherrand schwappt. Natürlich steht der Name NAZARETH auch für Balladen – aber wer „Love Hurts“ und „Dream On“ so krass schmettert, dem hör ich gerne zu, auch wenn ich eher auf die Abgehsongs der Band stehe.

 

NAZARETHNAZARETH 

 

In der nun folgenden Videosequenz zeigt man uns das Innere des Tourbusses, bevor wieder eine Talkrunde mit Andy Scott beginnt, zu der sich u.a. Andy Powell und Pete Agnew gesellen. Natürlich geht es um Gitarren und die Geschichte der Doppel-Lead-Idee. Das Publikum zeigt sich souverän und ruft auf die Frage, welche Gitarren den Rock in den 50ern/60ern/70ern dominiert hätten, die richtigen Antworten zu (Les Paul, Stratocaster), das wäre bei Jauch aber auch höchstens die 500-Euro-Frage. Wichtig für ihre klangliche Entwicklung sei für WISHBONE ASH dann vor allem die Flying V geworden, von denen Powell übrigens drei seiner Exemplare an Rudolf Schenker verkauft habe. Nettes Interview voller Anekdoten und spontaner Wortwitze.

 

URIAH HEEPURIAH HEEP 

 

URIAH fucking HEEP! Die Band liefert einfach nur grandios ab und zaubert völlig entspannt einen magischen Moment nach dem anderen in die Sporthalle. Selbstbewusst präsentieren Mick Box, Bernie Shaw & Co unter den ersten drei Titeln gleich zwei neue Songs, die aber auch verdammt gut sind. Dann packen sie richtig aus: „Rainbow Demon“ kommt mit Doom-artiger Intensität, „Gypsy“ sorgt für ‘ne Haarverknotung auf meiner Birne, „Look At Yourself“ & „July Morning“ sind Jahrhundertsongs, die nicht von dieser Welt zu stammen scheinen. Überirdisch schöne Melodien, dazu schweres Georgel (übrigens doch nicht von Don Airey, der HEEP für einige Shows begleitet hatte, aber Phil Lanzon ist zurück und zockt superb) und „… Very ‘eavy … Very 'umble“-Guitars & -Drums. Bernie Shaw strahlt eine ansteckend positive Energie aus und singt phantastisch. Auf eine akustische Version der „Lady In Black“ folgen noch zwei dicke Zugaben, „Sunrise“ sowie ein Song, der mich bereits bei Erstkontakt vor Jahrzehnten elektrifiziert hat, nämlich „Easy Livin‘“ – ich liebe die Power und das hippieske Flair des Stücks. Viel zu schnell ist alles vorbei, was dann auch der einzige Kritikpunkt an diesem Abend ist: Die Sets hätten gern von allen Bands länger sein können. Aber dafür hat man andererseits gleich drei Bands fettesten Kalibers sehen können, für längere Shows muss man dann halt wieder zu den Einzelkonzerten gehen.

 

URIAH HEEPURIAH HEEP 

 

Man kann bei allen drei Bands nur dringend empfehlen, sie sich anzusehen, solange sie noch touren und dabei derart gut in Form sind!   

 

Schnack

Bewertung: 5 / 5

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