ES WAR MORD, TRAININGSEINHEIT KATZENKOTZE / 09.07.2021 – Hamburg, Knust Lattenplatz

2 Dislike0

Aaaaah, der erste DreMu-Konzertbericht seit September 2020! Im letzten Jahr habe ich immerhin noch 60 Bands live sehen können, was natürlich an diversen Festivals wie HELL OVER HAMMABURG, FUCK CANCER, den regulären Veranstaltungen bis März und ein paar Konzerten unter Hygiene-Bedingungen lag. Nach den drei VLADIMIR-HARKONNEN-Auftritten im Oktober ging aber nichts mehr, sieben Monate lang haben wir nicht mal geprobt. Und nun endlich die langersehnten Lockerungen im Sommer! Ob es nur eine kurze Phase ist, ein kleines Zeitfenster, bis wieder im Herbst mit Einschränkungen zu rechnen ist? Wer weiß, ich nehme jedenfalls so viel wie möglich mit und besuche in den nächsten drei Wochen vier Konzerte. Fast schon normal.

                                                

Heute also ein Hafenklang-Konzert, welches auf dem Open-Air-Platz vor dem Knust stattfindet, dem Lattenplatz. Herrlicherweise weiß ich nicht, was mich musikalisch erwartet. Ich liebe so etwas ja. Einfach nach Hamburg rollen und sich überraschen lassen. Diesen Effekt vermiese ich mir auch bewusst nicht durch ein „Reinhören auf YouTube“. Ich weiß allerdings, dass bei ES WAR MORD Tom Schwoll Gitarre spielt, was aufgrund seiner Vergangenheit bei u.a. JINGO DE LUNCH und KUMPELBASIS für eine gewisse Qualität steht. Reicht mir als Info aus, um Tickets abzuernten.

 

ES WAR MORD

Bilder: MJ

 

Wir genießen allein schon (allein schon!) die Fahrt im Regionalzug mit Dosensekt und Bierchen. Auch das konnten wir jetzt schon so lange nicht mehr zelebrieren, dass unsere Vierergruppe die ganze Fahrt über aufgeregt durcheinanderplappert und so einige andere Fahrgäste genervt die Plätze wechseln.

 

Kleine Ernüchterung in Hamburg: Es regnet. Und zwar richtig. So war das nicht abgemacht. Wir stehen ziemlich belämmert da, hat doch nur Martina daran gedacht, ein Regencape einzupacken. Als wir gerade die Entscheidung treffen, uns Knirpse zu kaufen, klart der Himmel dann doch zwischenzeitlich auf. Letztlich ist das Wetter bei dieser Location dann doch fast egal, denn jede Tisch-Sitzbank-Kombination ist mit einem großen Schirm versehen. Ein paar mittelgroße Löcher sorgen für den nötigen Nervenkitzel, aber insgesamt bleiben wir somit trocken.

 

Großes Hallo beim Aufeinandertreffen auf alte Bekannte aus Hamburg, Bremen, Flensburg und dem Nirgendwo! Fast alle sind da, mit denen man gerechnet hat, dazu ein paar Überraschungen. Ich versuche gar nicht erst eine Komplettauflistung, da ich sonst Leute vergessen würde. Aber wir landen an einem Tisch mit Ballo, Martin (Flensburg), Gregor Samsa und (Ex)-Hafenklang-Daniel. Herrlich. Es gibt Bier aus Halbe-Liter-Gläsern (leider Jever – mein Kopf!) und vegane Burger. Ebenfalls erhältlich: Das gierige Fanzine zum 25-jährigen Jubiläum des Hafenklangs.

 

ES WAR MORD99 Dosenbier

 

TRAININGSEINHEIT KATZENKOTZE stoßen auf zwei große Vorteile. Unter präpandemischen Bedingungen hätte der gemeine Hamburger wohl schlecht gelaunt draußen Street Boozing betrieben und die „Vorgruppe“ ignoriert. Schockt schon mal nicht bei Regen (der mittlerweile wieder eingesetzt hat). Aber tatsächlich haben auch alle Bock! Zu ausgehungert sind alle, um eine Band einfach zu versabbeln. So ertönt nach dem ersten Stück tosender Applaus, dass die Sängerin vor freudiger Überraschung einen kleinen Luftsprung macht. TRAININGSEINHEIT KATZENKOTZE machen Laune. Die Berliner*innen zocken einfach gehaltenen Punkrock, der gut reingeht und ab und zu etwas an HANS-A-PLAST erinnert. Die Texte lassen sich sogar in der Livesituation gut verstehen, so meine ich bei „Laufrad“ die Worte „Euer Laufrad, das ist mir viel zu schnell, ich hab keinen Bock, ich mach nicht mit! / Ich nutze heut mein dickes Fell und bleib in meinem Bett!“ Für das NENA-Cover mit dem Titel „99 Dosenbier“ verteilt die Band dennoch lieber Textblätter. Jemand in unserer Nähe kritisiert, wie man die Schwurblerin Nena covern könne, aber ich finde jetzt nicht zwingend, dass Zeilen wie „99 Dosenbiere bringen uns noch nicht auf alle Viere“ mit Verehrung der Chanteuse gleichzusetzen sind. Gegen Ende kommen noch Freund*innen der Band mit auf die Bühne und schmettern bei „Pommes Rot-weiß“ mit (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen PRIEST-Coverversion von MÜLHEIM ASOZIAL). Mir hat’s Spaß gemacht!

 

TRAININGSEINHEIT KATZENKOTZE TRAININGSEINHEIT KATZENKOTZE

 

ES WAR MORD liefern! Häufig liest man als Stilbeschreibung bei dieser Band den Begriff „Düsterpunk“. Der weckt bei mir eher Assoziationen an melancholische und langsame Klänge. Doch ES WAR MORD zocken treibend und uplifting! Recht flott und mit WIPERS-artigen Gitarren, dazu rauh-melodiöser (Sprech-)Gesang mit der nötigen Grundaggression. Das erinnert einerseits an ANGESCHISSEN, OMA HANS oder frühe RAZZIA, ist aber doch zu eigenständig, um mehr als einen Anhaltspunkt darzustellen. Die Band punktet durch das geschmackvolle Gitarrenspiel beider Gitarristen, sehr geil auch der Punch des (gefühlt) recht jungen Drummers. Alles sehr tight und souverän gespielt, dabei auch mit viel Bock an der Sache. Der Sound auf dem Lattenplatz ist mindestens okay, wobei der Gesang etwas lauter abgemischt sein könnte. Egal, wir hauen begeistert unsere Köpfe auf die Tischplatte, denn Tanzen und Mitsingen ist schließlich immer noch nicht möglich. ES WAR MORD haben zwei sehr schick aufgemachte Tonträger dabei, eine LP („Unter Kannibalen“ von 2017) und eine 10“ („Tod im Garten“ 2018), die beide auf Sounds Of Subterrenia erschienen und liebevoll aufgemacht sind (Pappkarton, Textheft, Rückenaufnäher und all so’n Schweinkram). Die werden selbstverständlich beide abgeerntet und seien hier ausdrücklich empfohlen.

 

ES WAR MORDES WAR MORD

 

Boah, das war geil und hatte so derbe gefehlt. Wir bleiben noch auf ein, zwei Biere sitzen, bevor wir die entspannt verlaufende Rückreise antreten. I WANNA ROCK!

 

Knust

 

Hier noch zwei Videos von Shitty Videos Galore - Punk Rock and other crap:

Bewertung: 4 / 5

Stern aktivStern aktivStern aktivStern aktivStern inaktiv