MOSH IM MAI XVI mit REZET, ENDSEEKER, FINAL BREATH, FATEFUL FINALITY, RISE OF KRONOS, JARL, MESSTICATOR, NEVER BOW DOWN, DIVIDE / 30.04.2022 – Kiel, Räucherei, Tag 2

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Kaum aufgestanden muss man auch bereits wieder gen Räucherei aufbrechen, schließlich zocken als erstes DIVIDE und die wollen wir keineswegs verpassen. Der Tag ist super besetzt, bietet diverse Underground-Legenden, gleichzeitig mit NEVER BOW DOWN, MESSTICATOR und FATEFUL FINALITY immerhin auch drei Bands, die mir bisher noch nicht bekannt sind. Wie die wohl sind? Die Vorfreude steigt!

 

DIVIDE

Bilder von MJ 

 

Nachdem ich die Anfangsphase von DIVIDE verpasst hatte (erst 2014 live gesehen, obwohl die seit 2009 existieren), zählt das Death Metal Duo seit einiger Zeit zu meinen absoluten Kiel-Faves. Gerade ihr jüngster Release „Oblitherion“ muss als totaler Rager angesehen werden, der in jeden Haushalt gehört. Heute haben Moritz und Daniel eine spezielle Show geplant: Sie spielen nicht auf der Bühne, sondern mitten auf dem Boden der Räucherei. Beide haben ihren Kram so aufgebaut, dass sie sich gegenüberstehen. Moritz sitzt also an seinem Kit samt Mikro und Daniel steht zwei Meter entfernt zwischen Mikroständer und seinen drei Gitarren-/Bass-/Effekte-Stacks. Vorher werden wir informiert, dass die Chose gefilmt werde. Wer sich also später nicht im Netz sehen möchte, möge Konsequenzen ergreifen, Zeitung/Aktenordner vors Gesicht halten oder rausgehen. Dann böllern die Hunde mit „Rats Of Gomorrah“ los und ein herrlicher Auftritt beginnt. Von Anfang an sieht man viele lachende Gesichter, aber erst brauchen die Leute etwas Zeit, um mit der ungewohnten Situation umzugehen. Die Atmosphäre wird schnell immer geiler, weil mit jedem Stück mehr ausprobiert wird. Es gibt kleine Moshpits zwischen den beiden Musikern, dann formieren sich jeweils Halbkreise um Schlagzeug und Gitarre, später brechen alle Dämme und es gibt einen großen Circle Pit um den gesamten Innenraum der Räucherei, während im Zentrum überall geheadbangt wird. Den Vogel schießen DIVIDE mit dem ASPHYX-Cover „Deathhammer“ ab, aber auch die eigenen Songs wie „The Rise Of Baphomoth“, „Fornicate Within Fire“ oder „Oblitherion“ überzeugen mit Old School Death Metal. Hammer, nein: Deathhammer!

 

DIVIDEDIVIDE

 

NEVER BOW DOWN können dann recht schnell anschließen, schließlich muss auf der Bühne nichts umgebaut werden und es fand bereits früh ein Soundcheck statt. Ich muss wiederholt an CROWBAR denken, auch wenn NEVER BOW DOWN jetzt nicht übermäßig ähnlich klingen. Aber in den Vibes gibt’s Parallelen, zumal auch hier Metal mit Hardcore verschmolzen wird, wuchtige Gitarren braten und Phils Gesang zwischen aggressiven und melodischen Parts wechselt. Die Clean Vocals kommen seltener zum Einsatz, passen aber gut dazu und könnten durchaus ausgebaut werden. Mal wieder eine gute Band aus Neumünster, in der übrigens einige bekannte Gesichter zocken, z.B. Mossa von Ex-BGT und DREADLINK am Schlagzeug.

 

MESSTICATOR kommen aus Hamburg und erweisen sich als Volltreffer. Das Trio drischt sich bei hohem Tempo- und Energielevel durchs Set. Dieses Level ziehen MESSTICATOR mit ihrem aggressiven Death/Thrash auch konstant durch. Die Band gibt es offenbar noch gar nicht allzu lange, liefert aber bereits amtlich ab. Die Bühnenpräsenz von Bassist/Sänger Phil erinnert mich gar an den MIDNIGHT-Typen. Er pusht das Publikum unaufhörlich auf und der Mob lässt sich nicht lange bitten. Ein unerwarteter Seitenrempler schlägt so überraschend gegen meinen Bierarm, dass der komplette Becherinhalt ins Gesicht der neben mir stehenden Person gepfeffert wird. Soll ja gut für Haut und Haare sein. Highspeed-Brett!

 

Ein fettes Schwert als Mikroständer kann als aussagekräftiges Symbol für die nun folgende Combo gelten: JARL (Neumünster). Urwüchsiger Black Metal lässt die Räucherei erbeben. Der bärtige Fronthüne sieht aus, als sei er für genau diese Rolle geboren worden. Die deutschen Texte lassen sich zum Teil sogar verstehen, obwohl fies gekreischt wird. Gut finde ich auch die Ansagen, die der Sänger nicht ins Mikro spricht, sondern ohne Verstärkung in den Saal ruft: „Das nächste Stück handelt vom wunderbaren Prozess des Alterns: ‘Trümmerfestung‘“. Die Stimmung ist sehr gut, JARL räumen mächtig ab. 

 

JARL

  

Yeah, auf RISE OF KRONOS hatte ich mich richtig gefreut. Der Auftritt der Hamburger Death Metal Historiker gerät dann auch zum Triumphzug, das kann man wirklich nicht anders sagen. Einerseits schroten RISE OF KRONOS unerbittlich, gleichzeitig setzen sie auf eingängige Gesangslinien (existiert der Begriff „Grunzlinie“ eigentlich?) und Refrains, die derbe im Ohr bleiben und begeistert von den MIM-Horden mitgeschmettert werden. Die Texte über griechische Mythologie („Gladiator“, „Olympus Has Fallen“…) sorgen für zusätzliche Originalität und als i-Tüpfelchen kommt obendrauf noch der Fakt, dass die Band eine charismatische Bühnenausstrahlung hat. Bin auf die kommende Platte gespannt, die erste, welche unter dem Bandnamen RISE OF KRONOS erscheint (ein guter Move, denn der vorherige Name SURFACE war vergleichsweise doch recht nichtssagend). Join the Legio Titanum! (Ich bin schon Mitglied.)

 

Mit FATEFUL FINALITY kommt für mich die größte Überraschung des Festivals. Bei Bands wie ENDSEEKER, DISBELIEF oder REZET wusste ich ja, was mich erwartet, aber diese Schwaben-Thrasher hatte ich unverzeihlicherweise bisher gar nicht auf dem Schirm. Börbel sagt später, dass er sich dies nicht erklären kann. Aber nun habe ich diese schwere Lücke ja geschlossen und nach dem Auftritt gleich noch eine LP abgeerntet („Mankind“, das dritte von immerhin schon vier Longplayern). FATEFUL FINALITY zocken schnellen Thrash, der immer wieder Verweise zum Old School Heavy Metal und auch zum derben Punk aufzeigt. Auch ohne den an Corona erkrankten Bassisten gelingt es der Band, einen satten Sound aufzufahren – tight sind sie sowieso und der Drummer groovt und ballert, dass es eine Freude ist. Für FATEFUL FINALITY dürfte sich der weite Trip nach Kiel gelohnt haben, denn sie kommen sehr gut an und haben sicher nicht nur mich als neuen Hörer gewonnen!   

 

FATEFUL FINALITY

 

Im Grunde überraschen mich aber auch FINAL BREATH. Denn ich muss gestehen, dass ich die Band bis auf einen Liveauftritt 2010 etwas aus den Augen verloren hatte. Ihr erstes Demo „Soulchange“ (1995) und die EP „End Of It All“ (1997) habe ich, weil wir damals Briefkontakt führten. Ja, diese Band ist älter als das Internet und entstand zu einer Zeit, als man noch Briefe schrieb und sich gegenseitig Tapes zuschickte. Die fast dreißigjährige Erfahrung spiegelt sich beim Auftritt in positivster Weise wider! FINAL BREATH haben den vielleicht besten Sound des Festivals, gerade die Gitarren klingen einfach nur herrlich. Das ist wirklich ganz großes Kino und im Grunde auf Augenhöhe mit großen, etablierten Bands. Aggressiver Old School Death / Thrash Metal mit eingängigen Refrains wird gespielt, wobei FINAL BREATH die Kunst beherrschen, die Songs durch Rhythmuswechsel abwechslungsreich zu halten. Die schnellen Attacken werden immer wieder um stampfende Parts und atmosphärische Leads ergänzt. Zu Recht drehen viele bei „Let Me Be Your Tank“, „Agonized, Zombified, Necrotized“ oder „Eyes Of Horror“ hemmungslos am Rad. 

 

FINAL BREATHFINAL BREATH

 

Mit zwei alten Bekannten aus dem Norden schließt das MOSH IM MAI: Erst der Swedish Death Metal Hammer von ENDSEEKER, dann die Schleswiger Kult-Thrasher REZET. Lenny und seine Bande überzeugen wie immer auf ganzer Linie. Kein Live-Review kann ohne Erwähnung der Grimassen des Frontgrunzers auskommen. Mal guckt der Typ wie ein durchgeknallter Serienmörder, dann wie der freundliche Dauerzecher beim Späti umme Ecke. Aber ich will die Qualitäten der Band nicht auf ihren Sänger beschränken, denn neben seinem eindringlichem Gesang stechen ENDSEEKER aus dem Meer der stilistisch ähnlich ausgerichteten Bands durch ihr gekonntes Songwriting hervor. Die Gitarrenharmonien kannste fast mitsingen, die Beats grooven durchgehend und die Balance zwischen Dynamik und Brechstange wird perfekt gehalten. Fast muss man Angst um REZET haben, denn ENDSEEKER scheinen mit Vorschlaghämmern wie „Flesh Hammer Prophecy“, „Bloodline“ oder „Corrosive Revelation“ aus dem Publikum den Rest an Energie herauszuprügeln.

 

ENDSEEKERENDSEEKER 

 

Doch REZET erwarten viele mit Spannung, spielt die Band heute doch erst ihren zweiten Auftritt in neuer Besetzung. Das Kernteam um Ricky und Attt hat seit 2021 einen neuen Bassisten zur Seite, nämlich Lorenz Kandolf (von den ebenfalls sehr guten TRAITOR). Interessant auch der Wiedereinstieg von Jan-Erik Fischer, der vor ein paar Jahren schon mal Gitarre bei REZET gezockt hat. Der Vierer liefert dann einen Auftritt, der angesichts der Umstände überraschend routiniert wirkt. Ricky klingt stimmlich stärker denn je, der Gesamtsound bringt jede Nuance gut zur Geltung. Manche Fans der ersten Stunde wünschen sich vielleicht die alte Ruppigkeit und pure Thrash-Attitüde zurück, aber ich mag gerade auch den Abwechslungsreichtum neuerer REZET. Neben Thrashern wie „Minority Erazer“, „Toxic Avenger“ oder „Have Gun, Will Travel“ gibt es klassischen Heavy Metal („Reality Is A Lie“) und Punk-Einflüsse („Populate. Delete. Repeat“) herauszuhören. Neun Bands an diesem Tag samt dem Gemeter von gestern stecken vielen Besucher:innen in den Knochen. Trotzdem bleibt ein Großteil bis zum Schluss und feiert diesen würdigen Headlinerauftritt. Man darf gespannt auf die nächste Scheibe sein, von der Ende Mai schon mal eine Single namens „The Devil’s Bride“ herauskommt. Geiler Song, der heute auch präsentiert wird. Zum Abschluss knüppeln REZET das bewährte VIOLENT-FORCE-Cover „Dead City“, was den Pit ein letztes Mal in Wallung bringt. Thrrrrrrrrrrrash!

 

REZETREZET

 

Das MOSH IM MAI 2022 wird nicht nur als perfekt organisiertes Festival in Erinnerung bleiben, sondern auch als eine äußerst emotionale Angelegenheit. Nach der langen Pause war die Aufregung vielen Besucher:innen und Bands anzumerken. Ich glaube, die meisten haben die Musik und alles drum herum noch intensiver wahrgenommen. Danke an das MIM-Team für dieses herrliche Fest! Onward to 2023! 

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