SPERMBIRDS, MARODAR / 26.05.2022 – Kiel, Luna

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Was war ich traurig, als mich die Absage von ENZOS WALDFEST erreichte. Die Karte hatte ich vor allem wegen SPERMBIRDS gekauft, die ich viel zu lange nicht mehr live gesehen habe, nämlich vor zwölf Jahren 2010 in der Alten Meierei. Umso größer die Freude, als die Nachricht vom SPERMBIRDS-Auftritt im Luna bei mir eintrudelt. Über die üblichen Kanäle verbreitet sich die frohe Kunde recht schnell, obwohl es bis auf einen Facebook-Post so gut wie keinen offiziellen Hinweis auf die Veranstaltung gibt. (Warum eigentlich nicht?) Ein Bekannter sagt mir Tage danach, dass er davon gelesen habe, aber die Nachricht für Fake hält, für einen Versuch eines DJs, die Leute in den Club zu locken. Der Kollege hätte aber verdammt heiße Scheiben auflegen müssen, um den Unmut der Besucher:innen zu besänftigen… Von Veranstalter Jan Marxen erfahre ich, der ich fanboymäßig wie ein blutiger Anfänger um 19:00 Uhr vorm Luna steht (als einziger natürlich), dass die guten Jungs von TURBOSTAAT die Chose vermittelt haben. Dies sei übrigens weder das erste noch das letzte D.I.Y.-Punk-Konzert, was er im Luna veranstalte.

 

Wann war ich wohl zum letzten Mal im Luna? Spontan erinnere ich mich an Konzerte von SMOKE BLOW (da hieß es noch Six Pack), ARMSTRONG / TANNHAUSER GATEARMSTRONG / KEINE ZÄHNE IM MAUL ABER LA PALOMA PFEIFEN und einmal bin ich irgendwie nach einem Schaubudentrip hier gelandet. Eigentlich ganz nett hier. Man löhnt einen korrekten Zehner, latscht ein paar Treppen hinunter und freut sich, dass es heute eine Floorshow gibt.

 

So ca. 80 bis 100 Nasen sind wohl da, als die Kieler MARODAR loslegen. Respekt überhaupt erst mal an diese junge Band! Wofür? Na, dass sie existieren. Dass sie spontan vor den SPERMBIRDS zocken. Stilistisch sind MARODAR zwischen Post Metal und Post Punk einzuordnen, würde ich sagen. Jedenfalls verbinden sie flirrende Gitarrenparts mit treibenden Rhythmen, der Gesang ist mal knurrig tief, mal eher klar gesungen. Auf den ersten Hör habe ich den Eindruck, dass die Stücke recht lang sind und viele Parts enthalten. Akustische Passagen, Breaks, flächig Getragenes, riffbetonte Moshparts, Soli – all diese unterschiedlichen Elemente kommen in fast jedem Song vor. Das kann natürlich geil sein, wirkt auf mich aber nicht in jedem Stück schlüssig arrangiert. Aber vielleicht bin ich auch gerade fixiert auf den deutlich geradlinigeren Stil der SPERMBIRDS und müsste mir MARODAR nochmal anhören. Spaß machen sie auf jeden Fall und die nächste Chance wird bestimmt kommen, die Band erneut zu sehen.

 

Was jetzt folgt, muss als das perfekte Hardcore/Punk-Konzert bezeichnet werden! Es ist verrückt – Band und Publikum sind seit 1983 zwar deutlich älter geworden, aber kaum ertönt der erste Song, scheint das keine Rolle zu spielen. Was für ein Time-Warp! Schnell verschwimmen die Grenzen zwischen herumpogenden Besucher:innen und wie im Rausch aufspielenden Musikern. Alles wabert ineinander. Ich hätte nicht gedacht, dass die Leute überhaupt so abgehen, kann aber auch nicht an mich halten. Zu dem leichtfüßigen Spiel der SPERMBIRDS segle ich schwerelos durch die Lüfte, haha! Ab und zu ist nur ein anderer Kopf im Weg und auch der Korpus der Bassgitarre kühlt unverhofft so manches Mütchen. Ein Kracher jagt den nächsten. Ich denke mehrfach: „Jetzt ruhste dich mal aus und glotzt nur.“ Aber kann man stillstehen, wenn „Americans Are Cool“, „Something To Prove“, „My God Rides A Skateboard“ (Nico Harkonnen-Meinheimer wagt einen One-Man-Circle-Pit mitten durch den Mob), „Knifethrower“ (jaaa!), „Set An Example“, “You’re Not A Punk”, “Nothing Is Easy” oder “Only A Phase” gespielt werden? Und die neuen Songs von der 2019er LP “Go To Hell, Then Turn Left“ sind ja auch so genial! Lee Hollis und Schlagzeuger Beppo wechseln sich mit den Ansagen ab, erzählen immer wieder Interessantes und auch einfach Charmantes. So erfahren wir, dass der erste SPERMBIRDS-Song überhaupt „Texas Cowboy“ gewesen sei und Lee ihn geschrieben habe – bevor eben jener gespielt wird. Der Sound ist überraschend gut, auch ohne dass die Band großartiges Hi Tech-Equipment am Start hätte (eher im Gegenteil, alles schön basisch). Lee sagt, dass die Band seit Beginn von Corona nie geprobt habe. Das mag man kaum glauben, denn ihr Zusammenspiel ist traumhaft und ansteckend bockerfüllt. Ja, kleinere Fehler sind dabei, aber die werden herrlich aufgefangen, wie es eben bei einer Combo mit jahrzehntelanger Erfahrung passiert. Witzigerweise gibt’s gerade bei „Try Again“ ein Missverständnis, sodass der Song ein zweites Mal gestartet wird, was die Leute natürlich umso doller feiern. Punk is love!

 

Ein kleines Stück Punkrockgeschichte für Kiel war das gerade. Ich bin sicher, dass man über diesen Auftritt noch lange reden wird!

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