BRAINSTORM, RAGE, TRI STATE CORNER / 12.11.2022 – Hademarscher Hof, Hanerau-Hademarschen

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In diesen schwierigen Zeiten sollte man viel häufiger das gute, alte DO IT TOGETHER-Prinzip anwenden und gemeinsam miteinander etwas aufziehen. Dennoch neiden viele Bands anderen den Erfolg und sehen sich gegenseitig als „Konkurrenz“. Nicht so bei RAGE und BRAINSTORM, die ihre Kräfte für die BRAINRAGE-Tour gebündelt haben. Laut RAGE-Drummer und TRI-STATE-CORNER-Sänger Vassilios ‚Lucky‘ Maniatopoulos haben ihnen diverse Leute im Vorfeld abgeraten. „Macht das nicht, da kommen keine Leute!“, so der Tenor. Doch Pustekuchen, überall volle Hütte! Die Tour läuft sehr erfolgreich und lässt sich selbst durch eine Erkrankung Peavys nicht stoppen, der sich nach zwanzig Shows leider eine Bronchitis einfängt. RAGE können mehrere Konzerte nicht mitspielen, BRAINSTORM ziehen weiter durch. Seit zwei Tagen verkünden RAGE zum Glück, dass es nun weitergehe wie geplant. Wir sind gespannt, denn eine Bronchitis schüttelt man ja nicht einfach in wenigen Tagen ab. Ich hatte selbst mal eine, da war über Monate nicht an Singen zu denken.

BRAINSTORM

Bilder von Bianca Wamsler.

 

Herrlich, mal wieder im Hademarscher Hof zu sein! Die Konzerte von GRAVE DIGGER und RAGE im letzten Jahr hatten uns nicht zuletzt aufgrund der Location so gut gefallen. Auch heute treffen wir viele Freunde und es wird schnell klar, dass der Laden wieder gut gefüllt sein wird. Als erfreulich können die Preise am Merch bezeichnet werden, denn hier gibt es noch LPs für 20,- Euro, T-Shirts für 22,- Euro, die neue RADE-EP in CD-Form für 10,- Euro. Das erlebt man leider in letzter Zeit häufiger anders.

 

TRI STATE CORNERTRI STATE CORNER

 

Wie im November 2021 sind auch dieses Mal TRI STATE CORNER als Opener dabei. Das ergibt auch Sinn, wenn man sich die personelle Verquickung mit RAGE vor Augen hält. Dass Lucky bei letzteren Schlagzeug spielt und bei TRI STATE CORNER singt, hatte ich eingangs bereits erwähnt. Die Tatsache, dass zudem Ex-RAGE-Drummer Christos Efthimiadis bei TRI STATE CORNER trommelt, soll für den Verlauf des heutigen Abends noch eine Rolle spielen… Im Vergleich zu 2021 werden die Bouzouki-Barden wärmer empfangen, spielen sie doch bereits zum dritten Mal hier und haben bereits viele Freund:innen gefunden. Die Musik mag nicht 100%ig zu den anderen beiden Bands passen, läuft aber auch mir heute gut rein. Der spezielle Sound der Langhalslaute verschmilzt organisch mit Hardrock- und Heavy-Metal-Strukturen, die Songs besitzen tolle Melodien und Luckys Stimme trägt jeden Song. Mit „Schemer“, „Sooner Or Later“, „Run Away“, „Daydreamer“ und „Stereotype“ bleiben mir gleich mehrere Stücke im Ohr hängen.

 

RAGERAGE

 

Die Spannung ist groß, als dann schließlich das RAGE-Intro ertönt. Vom ersten Moment an ist klar, dass dies keine reguläre RAGE-Show wird, denn für Peavy steht kein Mikroständer auf der Bühne! Stattdessen singt Jean Bormann die ersten Songs – während er dabei Gitarre spielt wohlgemerkt! Respekt für diesen jungen Musiker, der die Chuzpe hat, den Job so durchzuziehen! Der Stress erhöht sich für Jean noch zusätzlich, denn Stefan Webers Gitarre fällt beim ersten Stück aus. Abgefahrenerweise starten RAGE mit einem „Soundchaser“-Song, nämlich „Great Old Ones“. Danach greift Peavy zum Mikro und erklärt die Situation. Viel muss er nicht sagen, denn der Zustand seiner Stimme unterstreicht seine Worte: „Da kommt nur heiße Luft.“ Die Folge von 40 Grad Fieber, Lungenentzündung, Kehlkopfentzündung… Dennoch wolle man spielen und habe sich einiges überlegt. Auch die nächsten beiden Stücke singt Jean („My Way“ und „A New Land“) und so langsam wird der Auftritt zum emotionalen Happening. Die Leute feiern den Einsatz der Band mit lauten „Peavy“- und „RAGE“-Sprechchören. Es kommt noch besser: Lucky wechselt von hinten zum vorderen Bühnenrand und übernimmt das Mikro. Doch wer soll nun trommeln? Tatsächlich Christos Efthimiadis (siehe oben), der „Herrscher über elf RAGE-Alben“ (O-Ton Lucky)! Die nun folgenden Versionen von „Shadow Out Of Time“, „End Of All Days“ und „Back In Time“ peitschen die Stimmung richtig hoch, sind es doch ausnahmslos Klassiker, die man zudem heute in einer einmaligen Form dargeboten bekommt. Natürlich ist Peavys Stimme nicht ersetzbar, dafür klingt sie zu speziell, aber Jean und Lucky geben Vollgas und hängen sich voll rein.

 

RAGERAGE

 

„Einige Songs funktionieren allerdings wirklich nur mit Peavys Stimme. Und so wie er kann keiner von uns singen“, erklärt Lucky, dass für die folgenden Stücke nun Live-Aufnahmen vom Band eingespielt würden, die auf der laufenden Tour entstanden seien. Die Band spielt also so tight wie möglich, während Peavys Stimme per Tape erschallt. Ich merke, dass das Ganze einen interessanten Nebeneffekt hat: Ich achte mehr darauf, was Peavy auf seinem 5-Saiter-Bass spielt. Und das ist ja richtig geile Scheiße, das war mir bei regulären RAGE-Konzerten nicht immer so bewusst! Dieser Block umfasst „To Live Is To Die“, „From The Cradle To The Grave“ und “Don’t Fear The Winter” und zeigt, dass Peavy vor der Bronchitis in Topform war. Ich bin aber froh, dass man dieses Verfahren nur für drei Stücke gewählt hat, denn richtiger Live-Gesang kickt doch mehr. Außerdem ergeben sich durch ganze Gewechsel skurrile Situationen, z.B. dadurch dass Lucky verschiedene Brillen für Nah- und Fernsicht braucht, mehrfach die jeweils andere Brille sucht („Nimm die hier!“ – „Nee, die ist für fern, ich muss doch die Texte lesen können“). Und RAGE haben noch ein weiteres Ass im Ärmel: Andy B. Franck von BRAINSTORM kommt auf die Bühne und singt „Empty Hollow“ sowie „Straight To Hell“ in furiosen Interpretationen. Coole Geste, welche die freundschaftliche Beziehung der Bands untereinander unterstreicht. Das Finale bringen RAGE abermals mit Chris an den Drums und Lucky am Gesang, der bei „Higher Than The Sky“ natürlich das Publikum mitsingen lässt. Fazit: Nun sind alle Anwesenden heiser und klingen wie Peavy, gleichzeitig aber auch restlos begeistert von diesem besonderen Konzert! 

 

RAGERAGE

 

BRAINSTORMBRAINSTORM 

 

BRAINSTORM wirken motiviert bis in die Zehenspitzen. Andy B. Franck ist ein Wahnsinnssänger, der sich nicht hinter Todd Michael Hall oder Harry Conklin verstecken muss. Ich frage mich, warum eigentlich erst „Wall Of Skulls“ Einzug in meine Sammlung gefunden hat und keines der vorherigen zwölf Alben. Live hatten mich BRAINSTORM mehrfach überzeugt, auf Platte habe ich sie bis 2021 offenbar unterschätzt. Mit „Where Ravens Fly“, „Glory Disappears“, „Escape The Silence“ und „Turn Off The Light“ stehen vier Stücke von “Wall Of Skulls” auf der Setlist. Allein diese Songs zeigen die Qualitäten der Band: Doublebass-Nackenbrecher, hohes Energie-Level, PRIEST-Gitarren, clever komponierte Gesangslinien, hymnenhafte Refrains, melodische Chöre und generell Riffs mit Hook-Charakter. Im Gegensatz zu manch anderen (deutschen) Power/Heavy Metal Bands werden BRAINSTORM dabei nie zu kitschig oder bombastisch. Ich muss eher ab und zu an frühe ICED EARTH denken. Der druckvolle Livesound bringt die genannten Eigenschaften top zur Geltung. Sympathisch auch die Ansagen Andy Francks, der mit einem „leichten“ schwäbischen Dialekt den richtigen Tonfall trifft, indem er daran erinnert, dass ein Abend wie der heutige keine Selbstverständlichkeit ist. Von den älteren Songs fallen mir „Devil’s Eye“, „Highs Without Lows“ (inkl. kurzem Drumsolo), „All Those Words“ und „Ravenous Minds“ besonders positiv auf. Der Schlagzeuger ist unbedingt hervorzuheben, wertet er die Stücke durch sein tightes und swingendes Spiel nicht unwesentlich auf. Im Publikum befinden sich viele Fans in BRAINSTORM-Shirts, ein mir bekannter Rendsburger sogar im „Hungry“-Lappen von 1997, was Andy B. Franck auch erfreut anspricht: „Da war ich zwar schon geboren, aber noch nicht in der Band“ (Anspielung auf Jean von RAGE, der „Don’t Fear The Winter“ mit den Worten „so alt, da war ich minus 12“ angekündigt hatte). Insgesamt ein mitreißender Auftritt, der mich zu dem Fazit kommen lässt, dass ich unbedingt einige der älteren BRAINSTORM-Alben abernten sollte.

 

BRAINSTORMBRAINSTORM 

 

Fettes Ding also wieder im Hademarscher Hof, die Bands haben gemeinsam das Beste rausgeholt und allen einen unvergesslichen Abend beschert. Mit JESPER BINZER, ERIC CLAYTON, GEOFF TATE und ROSS THE BOSS sind für 2023 übrigens bereits mehrere Pflichttermine angekündigt.

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