HOTEL KEMPAUSKI, MELKUS, REST IN FLEAS / 26.11.2022 – Kiel, Schaubude

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„Der nächste Song ist für alle FDP-Wähler: ‘Haus der tausend Reichen‘“ – für derartige Schrammi-Ansagen bucht man doch allein schon wiederholt im Hotel K. ein.

Dennoch gilt es heute zunächst, eine bittere Pille zu schlucken: Denn dieser Releasegig findet ohne Release statt. Klar, das hat man schon bei diversen Bands erlebt, aber dieser Fall gestaltet sich doch sehr speziell. Denn HOTEL KEMPAUSKI bekamen knapp, aber rechtzeitig die übliche Testpressung, befanden sie für gut und gaben dem Presswerk das Go. Wenige Tage vor dem heutigen Konzert kommt die Ladung 7“s dann auch an und HOT KEMP beginnen mit dem Verschicken der ersten Singles an Fanzines und so. Doch als ein Bandmitglied die Platte auflegt, bekommt es den Schock: Die Single enthält die Musik einer anderen Band! Jazz oder wat. Da wurden also im Presswerk zwei Pressungen vertauscht und jeweils mit den falschen Labelstickern versehen. Das habe ich so noch nie gehört oder mitbekommen. Noch wissen HOTEL KEMPAUSKI nicht, wie man nun am besten vorgehen sollte, aber verkauft wird die Jazzplatte heute nicht. Dennoch lässt sich natürlich heute niemand die Stimmung vermiesen.

 

Kundenstopper

Bilder von MJ

 

Zunächst gibt’s heute eine brandneue Kieler Band, die ihren allerersten Auftritt zelebriert: REST IN FLEAS, benannt nach einer Ziege, die regelmäßig auf Crustkonzerten in ihrer Region zu sehen war und kürzlich verstorben ist. R.I.P:, unbekannte Ziege, hallo REST IN FLEAS! Gestern hatte Melli Schlagzeug bei HOW TO SEA SQUIRT gespielt, hier steht sie jetzt am Mikro. Die Gitarre zockt Feli von MÖRDER und FROST, PISSE, ELEND und das Schlagzeug verdrischt Nico Harkonnen! Drei Bekannte im Line-up, das ist wieder ein Fall für den DreMu-Band-Schlächter. Doch so wie gestern HTSS machen es auch REST IN FLEAS dem Rezensenten unmöglich, einen Verriss zu schreiben. Schön derbe geht es nach vorne, Nico hat ganz klar den Beat drauf. Feli schreddert zwischen Hardcore/Punk-, Crust- und Black Metal-Riffs und lässt ab und zu einen infernalischen Schrei vom Stapel. Melli steht dem in nichts nach und pöbelt gleichfalls aus voller Kehle. Der Wechsel von der hinteren Position zum Bühnenrand ist für viele Musiker:innen ja mit einer gewissen Unsicherheit verbunden, aber bei Melli ist davon nichts zu bemerken, vielmehr zeigt sie eine souveräne Bühnenpräsenz. Zu den Texten kann ich nichts sagen, da muss man wohl den nächsten Auftritt oder Aufnahmen abwarten. Insgesamt ein kurzer, aber fast vollständig überzeugender erster Auftritt. Fast? Ja, das Fehlen eines Basses wirkt sich doch insofern aus, als dass der Gesamtsound etwas dünn ausfällt. Mal sehen, ob REST IN FLEAS in der Hinsicht noch personell aufstocken. Ich glaub, dass es dann noch geiler werden könnte.  

 

REST IN FLEASREST IN FLEAS 

 

MELKUS erweisen sich als die Wildcard des Abends! Ich hatte noch nie von ihnen gehört, dachte nur kurz, dass Elchus von DISTÖT auch hier spielt. Der ist aber einfach nur angereist, um dem Abend beizuwohnen und seine verhinderte Band zu vertreten. MELKUS sind für DISTÖT eingesprungen, kommen aus Leipzig und ziehen heute so einige Scheitel gerade. Erst mal wuchtet man amtlich Equipment auf die Bühne, was ich schon mal anerkennend vermerke. Denn: Rock’n’Roll braucht Gerät! Die Basis der nun folgenden Abfahrt ist zwar Hardcore/Punk, aber der kommt with a difference. Synthflächen und –fiepser mischen sich in einen tanzbaren Beat. Das Ganze geht furchtbar nach vorne und was das Beste ist: Jedes Bandmitglied spielt mit dieser gewissen Selbstverständlichkeit und Überzeugung, die sich sofort auf die Zuschauenden überträgt. Bang that head that doesn’t bang! Ich mag die Stimme des Sängers auf Anhieb und fühle mich auch angenehm an einen anderen Sänger erinnert, kann aber den Finger bis jetzt nicht drauflegen. [Edit: HORSE THE BAND kommen mir mittlerweile in den Sinn.] Melodisch, aggressiv, gleichzeitig auch etwas melancholisch. Da ich nach dem Konzert die MELKUS-Platte ernte, kann ich mit Songtiteln dienen. Da wären zum Beispiel „Get In The Van“, „Shift“, oder „I’m So Bored“. Ergänzt wird diese Songauswahl um eine Coverversion von PRODIGY. MELKUS kommen richtig gut an und verabschieden sich angemessen mit ein paar Schüssen aus einer Glitzerkonfettiknarre. Geil!

 

MELKUSMELKUS

 

Natürlich waren HOTEL KEMPAUSKI schon immer gut, aber heute setzen die Kieler klar einen drauf. Ich habe es jedenfalls bisher nicht erlebt, dass die Band so gedrückt hat! Liegt es am Sound? An der hinzugewonnen Liveerfahrung? An der Tatsache, dass man dem MELKUS-Auftritt einfach liefern muss? Vielleicht an einer Mischung aus allem. Jedenfalls wirken HOTEL KEMPAUSKI heute schon rein musikalisch dringlicher als bisher. Dazu gesellen sich Schrammis Ansagen, der mal wieder gegen „Metaphern, Maritim“ pöbelt, „Rechte Spießer“ disst und das Netzwerk der Vergessenen beleuchtet („Dunkle Tetrade“). Die neue Single „Sternzeichen Kartoffel – Aszendent Sauerkraut“ kann eigentlich nur ein Banger werden, jedenfalls bleiben mir „Pünktliche Punks“ und „Foodtruck-Festival In Güstrow“ nach Liveerstkontakt nachhaltig im Ohr haften. Wie uns Schrammi erzählt, gebe es dieses Foodtruck-Festival wirklich. Auszug: „Hier wird Plattenbau zwangsgentrifiziert Hier werden Verkehrswege mit Rennrädern blockiert Hier werden Banksy-Kopien an Wände geschmiert Und Streetfood aus regionalem Anbau probiert“. Ich finde, dass er da einen guten Blick für Themen hat, die sich für Punktexte eignen. Bei zwei der neuen Songs brüllt übrigens Melli mit und natürlich wird sie auch heute live zum Duett gebeten. Ein weiteres Highlight stellt der ebenfalls neue und noch nicht veröffentlichte Song „E-Roller Roadkill BBQ“ (oder so) dar, wird auch Zeit, dass darüber mal jemand auf Punkrockart schimpft! Die Bude stinkt nach Schweiß, als das HOTEL die Rezeption schließt.

 

HOTEL KEMPAUSKIHOTEL KEMPAUSKI

 

 

Während ich das hier schreibe, läuft wohl im Schleswig-Holstein-Magazin ein Beitrag über die Schaubude. Ma reinziehen!

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