KEEP IT TRUE XXII / 22.04.2023 – Lauda-Königshofen, Tauberfrankenhalle, Tag 3

3 Dislike0

Auch am Morgen des dritten Tages herrscht Vorfreude, werden mit ACID und CYCLONE doch gleich zwei klaffende Live-Lücken geschlossen. Beide Bands liebe ich seit den Achtzigern und bin daher regelrecht aufgekratzt. GEOFF TATE und SOLICITÖR habe ich erst kürzlich gesehen und weiß daher, dass uns Gutes erwartet. Bleiben noch weitere zuverlässige Garanten wie VICIOUS RUMORS und VULTURE, Wiedersehen mit ELIXIR und LEATHERWOLF (in Form von HAIL MARY) und mit MARQUIS DE SADE sowie SLANDER gar zwei Erstkontakte. Frühstück in die Luke, Wegbier auf und ab!

 

SOLICITÖR

Fotos von Florian Hille! 

 

SOLICITÖR

 

SOLICITÖR

 

Der SOLICITÖR-Auftritt im Bambi liegt erst sechs Tage zurück, aber der hat mich dermaßen umgehauen, dass ich schon wieder richtig Bock auf die Band habe. Frontfrau Amy Lee Carlson besitzt eine enorme Ausstrahlung und eine voluminöse Stimme, nicht zuletzt sticht sie aus den Dutzenden Musiker:innen dieses Wochenendes durch ihren krassen Look noch hervor (selbstgeschneiderte Lederklamotten, Tattoos bis ins Gesicht, Nieten und Spikes) – die Kombi lässt Heavy Metal Warriors aller Geschlechter auf die Knie fallen und ihr Gefolgschaft schwören. Zumindest ist die Halle knüppelvoll und alle singen mit, wenn Carlson dazu einlädt, in den Refrain von „Betrayer“ einzusteigen. Die Gitarrenarbeit lässt sich als komplex und gleichzeitig melodisch beschreiben, was den Speed Metal/Heavy Metal Mix endgültig unwiderstehlich macht. Absoluter Hammer!

 

VULTURE

 

VULTUREVULTURE

 

Mit Speed, Speed und nochmals Speed geht es weiter, denn nun sind VULTURE an der Reihe. Ich stelle fest, dass die Band noch ein Stück weiter gereift ist. Tight waren VULTURE schon immer und die Platten sind Bombe, aber mittlerweile kicken die Songs live noch heftiger. Die Band strahlt einen gewissen Wahnsinn aus, ständig passiert irgendetwas in der Musik und auf der Bühne, sodass das Energielevel hoch bleibt. Ich finde von allen umherschwirrenden Bandvergleichen EXODUS am treffendsten und so passt das Cover von „A Lesson in Violence“ super zu den eigenen Songs im Set, von denen ich „Clashing Iron“, „Vulture“, „Malicious Souls“ und „Cry For The Death“ als Höhepunkte nennen möchte. VULTURE unterstreichen erneut, dass sie keine Eintagsfliege darstellen, sondern vielmehr gekommen sind, um zu bleiben.

 

ELIXIR

 

ELIXIRELIXIR

 

ELIXIR verbinde ich vor allem mit dem HEADBANGERS OPEN AIR, spielten sie dort doch 2004, 2013 kamen mehrere Mitglieder mit dem Nachfolgeprojekt MIDNIGHT MESSIAH in den Garten und 2016 beehrte uns Paul Taylor dort mit DESOLATION ANGELS. Der Gute ist immer noch ein beeindruckender Sänger, ich würde ihn sogar zu den besten der NWOBHM zählen. Obwohl mittlerweile sieben Longplayer in der ELIXIR-Diskografie stehen, bleibt das Debut im Mittelpunkt der Setlist. Diese Songs erweisen sich abermals als zeitlos und kommen beim Publikum sehr gut an. Paul Taylor scheinen höchste Bühnentemperaturen ja nichts auszumachen und so stemmt er Biester wie „Pandora’s Box“, „Trial By Fire“, „Son Of Odin“ oder „Treachery (Ride Like The Wind)“ in voller Ledermontur. Souveränes Ding!

 

MARQUIS DE SADE

 

MARQUIS DE SADEMARQUIS DE SADE

 

Diese Band erweist sich als eines der Überraschungshighlights. Ich kannte sie lediglich vom Namen her und wusste nicht, was mich exakt erwartet. Es handelt sich um eine Verbindung aus NWOBHM, Epic Heavy Metal und einem Schuss Artrock. Der Gesang (Chris Gordelier) klingt angenehm und erinnert an Biff Byford, die Songs leben von melancholischen Melodien, werden in Teilen auch vom pointiert eingesetzten Keyboard getragen. „Somewhere Up In The Mountains“ und „Living In The Ice Age“ sorgen für eine entrückte Stimmung und werden von vielen mitgesungen.

 

CYCLONE

 

CYCLONECYCLONE

 

Ja, was zur Hölle! Ich hatte mich zwar schon auf den Auftritt der Belgier gefreut, aber nicht mit einer derart gelungenen Prügelorgie gerechnet. Auch hab ich die Songs der „Brutal Destruction“-Scheibe noch im Blut, welches dann auch sofort in Wallung gerät, als Guido Gevels mir ins Ohr brüllt. „Take Thy Breath“, „In The Grip Of Evil“, „Fall Under His Command“ oder „Fighting The Fatal“ zünden aber nicht nur bei mir, nein, sie explodieren geradezu im kollektiven KIT-Gehirn. Ein massiver Pit ist die Folge, wie man ihn hier nur selten sieht. (Das Publikum dieses Festivals ist sonst eher auf Fistraising und Mitsingen aus, dreht bei entsprechender Thrash-Aktivierung aber auch bewegungstechnisch mal doller am Rad.) Guido Gevel grinst über beide Backen, feuert den Mob an und röhrt wie ein Berserker, während seine Mitbarbaren alles wegschreddern. Ein gesichtsauswuchtender Auftritt bei Killersound!

 

CYCLONE

 

SLANDER

 

SLANDERSLANDER

 

Bei SLANDER begehe ich den Fehler, mir den Auftritt von oben zu geben. Die Idee, mal zwischendurch im Sitzen zuzugucken, erweist sich als nachteilig, denn auf den Rängen ist die Luft zum Schneiden. Durch den fehlenden Sauerstoff werde ich müde und penne fast ein. Dabei zocken SLANDER im Grunde ganz coolen Heavy Metal. Sie haben 1991 einen kleinen Klassiker mit dem schönen Titel „Careless Talk Cost Lives“ veröffentlicht, dessen Songs heute motiviert vorgetragen werden. Der Sänger springt über die Bühne, in den Graben und ins Publikum hinein. Ich kann den Auftritt dennoch nicht richtig genießen, vielleicht haben mich CYCLONE auch zu sehr geplättet. Für mich leider selbstverschuldet der Tiefpunkt des Festivals. Um den schiefen Eindruck geradezurücken, ernte ich kurz nach dem Festival das erwähnte Debut  ab (es gibt einen sehr geil aufgemachten Rerelease auf Lost Realm).

 

HAILMARY

 

HAILMARYHAILMARY

 

Die Triple Axe Attack ist zurück! Auch schon wieder seit 2015 nicht mehr gesehen, als sie noch unter ihrem eigentlichen Namen LEATHERWOLF das KIT begeisterten. Warum sie den nicht mehr benutzen? Offenbar gibt es Streitigkeiten mit Dean Roberts (d), der dann wohl die Namensrechte besitzen dürfte. Das nützt ihm wenig, denn hier singt Michael Olivieri mit seiner wie gewohnt samtweichen Stimme und hier performen Carey Howe (g), Geoff Gayer (g), Patrick Guyton (b) sowie Marco Farcone (d)!  Bis auf eine Ausnahme stehen klassische LEATHERWOLF-Songs auf der Setlist. Mit „Spiter“ müssen HAILMARY erst noch einige Spätmerker in die Halle spielen, aber zu „Street Ready“ und „Endangered Species“ schließen sich die Reihen. Es folgen Hit auf Hit. „Too much“, „Hideaway“, „Thunder“, „Kill And Kill Again“, das CCR-Cover “Bad Moon Rising”, “The Calling” und “Wicked Ways” – hier kannste überall mitsingen, gleichzeitig headbangen und/oder dich von den spielerischen Details berauschen lassen.

 

HAILMARY

 

ACID

 

ACIDACID

 

Streng genommen muss man von KATE’S ACID sprechen, denn auch hier kam es zu einem Split und einem Streit über den Bandnamen. Egal, Kate De Lombaerd hat sich neue Mitstreiter gesucht, den Gitarristen Andreas Stieglitz kennt man zum Beispiel von SPEED QUEEN. Endlich geht es los, endlich kann ich Songs wie „Maniac“, „Hooked On Metal“, „Hell On Wheels“, „Bottoms Up“ oder „Black Car“ live genießen, nachdem ich die belgischen Speed-Pioniere jahrzehntelang auf Platte hörte! Kate ist gut bei Stimme, da merkt man im Grunde kaum einen Unterschied zu den Aufnahmen, die ja alle aus den frühen Achtzigern stammen. Die Musiker lassen nichts anbrennen und wirken spielfreudig. Man darf davon ausgehen, dass sie als Belgier quasi mit der Musik von ACID aufgewachsen sind. Ein DIO-Cover lässt sich Kate nicht nehmen und dem Imperativ „Stand Up And Shout“ kommen alle Anwesenden gerne nach. Noch mehr Geshoute gibt’s aber zu den Zeilen „Acid is the name / Heavy Metal Is our game“ und „Max Overload / Overpowering the stage“. Richtig geil, und auf dem HOA wird’s in ein paar Wochen Nachschlag geben!

 

VICIOUS RUMORS

 

VICIOUS RUMORSVICIOUS RUMORS

 

Man hat sich schon daran gewöhnt, dass VICIOUS RUMORS selten zwei Mal nacheinander mit demselben Sänger auf Tour kommen. Zumindest ist das seit dem Tod von Carl Albert (R.I.P.!) so. Trotzdem ist die Spannung groß, denn Ronny Munroe hat mit METAL CHURCH tolle Konzerte gegeben und erscheint als passende Wahl. Nach dem „Replicant“-Intro geht die als „Atlantic Years“ angekündigte Show mit „On The Edge“ in die Vollen. Geoff Thorpe und Larry Howe grinsen zu Recht, denn Munroe liefert einen Topjob und auch die anderen beiden „Neuen“ (laut Metal Archives Robin Utbult am Bass und Gunnar DüGrey an der zweiten Gitarre) liefern souverän. Bei sehr fettem Klang macht das „Best Of“-Programm einen Mordsspaß. Es gibt keinen Schwachpunkt in der Setlist, da ausschließlich zwingende Stücke gespielt werden. Eher bleibt man mit dem Eindruck zurück, dass da doch noch ein paar Smasher fehlen, ich vermisse zum Beispiel „Towns On Fire“, „World And Machines“, „The Crest“ und „Don’t Wait For Me“. Das soll aber keine Kritik sein, sondern nur aufzeigen, wie viele Volltreffer VICIOUS RUMORS allein in dieser frühen Phase geschrieben haben. Und mit den elf gespielten Stücken plätten sie eh alles und jeden, ich sag nur „Abandoned“, „You Only Live Twice“ oder „Digital Dictator“!

 

VICIOUS RUMORS

 

GEOFF TATE

 

GEOFF TATEGEOFF TATE

 

Während einige Bekannte durchaus skeptisch sind, was GEOFF TATE betrifft, kann ich mich auf das Konzert freuen, denn ich sah die aktuelle Besetzung erst Anfang April im Hademarscher Hof mit einem „Operation: Mindcrime“-Set. Heute sollen „Rage For Order“ und „Operation: Mindcrime“ in Gänze aufgeführt werden. Und genau das geschieht, wobei „Suite Sister Mary“ weggelassen wird, ich vermute mal, dass es schlicht am Fehlen von Sängerin Marilla Zangrandi Roch liegt, welche diese Rolle sonst ausfüllt. Dennoch bleibt es eine epochale Setlist mit insgesamt 26 Stücken. Ich persönlich stehe nicht auf den Einsatz von Modeling Amps, da die Bühne ohne Rock’n’Roll-Gerät zu leer und steril aussieht. Aber das ist mein einziger kleiner Kritikpunkt. Ansonsten erweist sich die Band als perfekt eingespielt und „covert“ das Songmaterial bis in kleinste Nuancen. Geoff Tate ist phantastisch bei Stimme und lebt die Songs regelrecht mitsamt theatralischer Gesten auf der Bühne aus. Die „Rage For Order“-Hälfte macht schon Spaß, aber bei „Operation: Mindcrime“ steigt die Stimmung natürlich noch, denn dieses Album hat den stärkeren Flow und der KIT-Mob zeigt sich erneut als textsicher as fuck. Mit „Take Hold Of The Flame“ und „Queen Of The Reich“ kommen zwei Zugaben, die für Gänsehaut sorgen. Legendär!

 

GEOFF TATEGEOFF TATE

 

Insgesamt abermals ein tolles KIT mit vielen Höhepunkten! Fürs nächste Jahr angekündigt: TYRANN, STORMWITCH, HÄLLAS, VENGEANCE, SATAN’S HOST, SONJA, SACRED WARRIOR, BLEAK HOUSE, BENGAL TIGERS, GREYHAWK, SAVAGE OATH, MORGÜL BLADE und WINGS OF STEEL. Ich sach: geil!

 

GEOFF TATE

Bewertung: 5 / 5

Stern aktivStern aktivStern aktivStern aktivStern aktiv