MIDNIGHT, CYCLONE, HIGH COMMAND / 05.04.2024 – Hamburg, Kulturpalast Kronensaal

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Das neue MIDNIGHT-Album “Hellish Expectations” ist ja mal wieder ein Hammer. Jamie „Athenar“ Walters hat es meiner Meinung nach geschafft, die beiden guten Vorgänger zu übertreffen und an die Hitdichte von „Satanic Royalty“ anzuknüpfen. Seinen Aussagen in aktuellen Interviews zufolge war er vom ersten Mix der Vorgängerplatte „Let There Be Witchery“ (2022) so enttäuscht, dass er das Ding mit Frust und Wut im Bauch in kürzester Zeit geschrieben und aufgenommen habe. Den endgültigen LTBW-Mix habe er dann zwar als viel besser empfunden, aber das beschriebene Gefühl gab ihm wohl den Extra-Kick. Schöne Entstehungsgeschichte auf jeden Fall. Ich freue mich darauf, die neuen Songs und hoffentlich viele Klassiker live zu hören und rolle gen Bambi. CYCLONE dienen als fette weitere Motivation („Brutal Destruction“!) und eine mir komplett unbekannte Band namens HIGH COMMAND wird gern mitgenommen.

 

MIDNIGHT

Bilder von Thomas Harms.

 

 

HIGH COMMAND werden mir dann auch wärmstens empfohlen und so unterbreche ich den gemütlichen Heavy Metal Smalltalk samt Streetboozing und begebe mich ins Innere. Dort füllt es sich sekündlich, später ist die Hütte brechend voll. Der HIGH-COMMAND-Sänger kommt gleich mit einem riesigen Schwert auf die Bühne – das kann ja nur geil werden, denk ich noch. Und habe Recht! Denn die US-Amerikaner spielen eine coole Mischung aus Thrash Metal, Crossover und Hardcore Punk. Bisweilen muss ich an die großartigen POWER TRIP denken (R.I.P. Riley Gale!), was wohl daran liegt, dass auch HIGH COMMAND vornehmlich im wuchtigen Midtempo agieren. Andere Besucher:innen bringen später Vergleiche mir FORESEEN und ENFORCED ins Spiel. Alle sind sich einig, dass HIGH COMMAND ein guter Opener sind. Es ist gar nicht so einfach, weniger auf Geschwindigkeit zu setzen und dabei nicht nach langweiligem 90er Groove Metal zu klingen. Dafür sind die Riffs aber zu gemein, der Beat zu zäh und der Gesang zu fies. Nee, dat macht Laune und so ernte ich noch in der Pause den Longplayer „Eclipse Of The Dual Moons“ ab.

 

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Draußen bekomme ich mit, dass einige Besucher:innen mit dem Namen CYCLONE (noch) nichts verbinden. Manche argwöhnen gar, dass das ja nichts Dolles sein könne, wenn die Band in den 80ern aktiv war und heute nur Insidern ein Begriff sei. Ich grinse mir insgeheim einen und hoffe, dass CYCLONE so reinhauen wie auf dem letztjährigen KEEP IT TRUE. Und das tun sie erfreulicherweise. Das dürfte der beste Sound sein, den ich bisher im Kronensaal erlebt habe. Die massiven Gitarrenwände müssen den Vergleich mit keiner (!) Thrashband scheuen, der Sound schraubt mir fast den Schädel ab. Die Band hat ihren Mischer Erik Minnen dabei, der u.a. auch BENEDICTION mischt. Jedes Detail kommt gut zur Geltung, den Leuten klappen zum Teil die Unterkiefer runter und nicht wenige sprechen später von der Überraschung des Abends. Mit „Brutal Destruction“ hatten die Belgier 1986 eigentlich einen Traumstart, die Platte erschien bei Roadrunner und wurde in Thrashkreisen gefeiert. Aber irgendwie verlief alles im Sande, offenbar hatten CYCLONE nicht die Möglichkeit, regelmäßig live zu spielen. Der Nachfolger erschien leider nur in Mini-Auflage auf einem kleinen belgischen Label, hatte ein langweiliges Cover und ging völlig unter. Aber nun sind sie zurück und zeigen eine gut gelaunte Brutalo-Machtdemonstration. Die Riffs peitschen so heftig, der Drummer bölzt gekonnt und mit Druck, Guido Gevels pöbelt alles weg – es dauert nicht lange und die Leute wirbeln im Kreis. Songs wie „Fall Under His Command“, „In The Grip Of Evil“ oder “Fighting The Fatal” haben die Wirkung einer Brechstange, die dir aus zehn Metern Entfernung ins Gesicht geschleudert wird. Hach, ich fühle mich so… leicht!

 

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MIDNIGHT – was für ein Pogoalarm! Die Band, der Style, der Sound. Da stimmt alles und wenn Jamie und seiner Kapuzengauner so weitermachen, könnte das Phänomen sogar über den Underground hinauswachsen. Oder sind MIDNIGHT dafür vielleicht doch zu asozial? Die Drums donnern stumpf nach vorne, der Gesang wird geradezu herausgekotzt. Aber: Man darf nicht den Fehler machen und MIDNIGHT aufgrund ihrer Räudigkeit als Songwriter zu unterschätzen. Ich spüre heute so deutlich wie noch nie zuvor, wie herrlich eigentlich die Gitarrenarbeit ist. Da steckt ganz viel von Fast Eddie Clarke drin, auch das furiose Spiel von John Ricci (EXCITER) hat auf Athenar ganz sicher Einfluss ausgeübt (live spielt er natürlich Bass, aber auf den Platten ist bis auf Ausnahmen fast nur Jamie Walters zu hören). Die Setlist hat im Grunde keine Schwächen, es folgt ein Hammer auf den anderen. „Lust, Filth And Sleaze“, „Expect Total Hell“, „Dungeon Lust“ und „Evil Like A Knife“ lassen den Saal brodeln. Im Gegensatz zu früher scheinen MIDNIGHT länger zu spielen, wobei ich auch nicht auf die Uhr gucke. Zeit für Beleidigungen ist auf jeden Fall immer. Dabei will Jamie eigentlich nur wissen, welchen Song wir als nächstes hören wollen. Es folgt der unvermeidliche Zwischenrufer: „Shut up and play!“ Haha, da rastet die Chefkapuze natürlich dezent aus. Immerhin schlichtet jemand mit dem geschmackssicheren Wunsch „Rip This Hell“, was auch mit barbarischem Groove geliefert wird. Geil finde ich ja auch die Message von „F.O.A.L.“, der gegen Ende kommt: FUCK OFF AND LIVE! Das ist ja mal richtig positiv, das kann man so mit nach Hause nehmen. Zusammen mit einem alles zerstörenden „You Can’t Stop Steel“ natürlich.

 

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Ja, herrliches Ding. Ich finde sogar spontan Kieler:innen, die mich in ihrer Karre mit nach Kiel zurücknehmen. Beste Gespräche! Thanx!

Bewertung: 5 / 5

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