THOSE TWENTYTWO COLTSUCKERS, TEAM DEATHMATCH, DISABLED / 22.08.09 – Schlei, Wappen von Schleswig

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Max „Vadder“ Kamradek ist tot. Für einen derart positiven Rock’n’Roll-Charakter kann das Gedenken nicht ausschließlich auf der Ebene der Trauer erfolgen. Auch auf dieser Ebene, das ist selbstverständlich. ABER wer die COLTSUCKERS kennt, ahnte, dass sie ihrem Ex-Sänger auf besondere Weise nochmal die Ehre erweisen würden.

In der Tat: Für den 22.08. wurde ein Abschiedskonzert auf der „Wappen von Schleswig“ anberaumt, mitten auf Fahrt durchs Brackwasser der Schlei, ein weiteres wird kommendes Wochenende in Pforzheim stattfinden. Aber wer würde singen? Nur eine ganze Horde an Schreigräten wäre doch nötig, um das mächtige Organ Vadderns zu imitieren. Bitteschön: Mit Vadderns Bruder Jan von DISABLED, Doc von TIEFLADER, JoJo von DISABLED, Ralle von der Black Forest Society sowie Tschech von DOWNTRODDEN stand eben jene Horde bereit, um zusammen mit einem gierigen Streetdoom-Mob den ollen Kahn ordentlich zum Schaukeln zu bringen…

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Wir reisten zu fünft aus Kiel mit dem Zug an. Mit einer Info-Befragung über die Qualität der Nord-Ostsee-Bahn bzw. unsere (Un-)Zufriedenheit mit selbiger (addiert um diverse Kaltgetränke) ging die Zeit bis Schleswig doch fix rum und das Schiff „Wappen von Schleswig“ war dann auch in Kürze gefunden. Wetter hervorragend, die Veranstalter hatten das sonstige Getränkelevel der Bootstour etwas nach oben geschraubt – optimale Bedingungen also.

Die Wappen dürfte wohl normalerweise hauptsächlich Bingo-Gesellschaften und Kaffekränzchen über die Schlei fahren, aber angesichts der folgenden Entwicklung blieb die Crew doch recht gelassen.

„Ist das schön. Nee, du, ist das schön“, war wohl der häufigst formulierte Satz angesichts der Schlei-Idylle bei strahlendem Sonnenschein und ruhigem Wasser. Wenn da nicht Max höchstpersönlich die Finger im Spiel hatte?

„Ach nee, so’n Lärm jetzt!“ – nützt ja nix, wir waren schließlich nicht zum Wellness-Sonnenbaden hier. Und so quälte man sich aus den gemütlichen Sitzen, kaum dass dat Schiff gestartet war. DISABLED hatten bereits morgens geprobt, um fit zu sein. Respekt an Sänger Jan Hellfuck, der somit nahezu den GESAMTEN Tag am Brüllen war, schließlich ist er auch der Hobbygrunzer von TEAM DEATHMATCH und würde einen Löwenanteil der Coltlutscher-Stücke schmettern! Der Mann muss Lungen aus Stahl haben… Außer Klagen über Kopfschmerzen ließ dieser sich folgerichtig auch nichts anmerken. DISABLED boten das gewohnte Brett, leicht gemindert durch technische Probleme, denn der Gitarrenamp fiel andauernd aus (oder das Kabel war kaputt, keine Ahnung), was auf Dauer natürlich schade war. Dennoch eine gut gelaunte Ladung Power mit Geschrei und Drive!

Schlagzeugerin Melli und Klampfer Michi räumten das Feld, Jan und JoJo konnten gleich bleiben. Denn was in Sachen Musikerinzucht in Kiel geht, geht in Schleswig na logisch schon lange oder wenigstens in ähnlicher Weise: Hinter dem TEAM DEATHMATCH verbergen sich diverse Nasen aus anderen Bands, neben DISABLED musizieren die vor allem bei LIMBOGOTT, aber wohl auch bei 4TUNE8 und PESTICIDE, zum Teil jetzt noch und auch früher, was weiß denn ich. Jedenfalls hatten wir uns schon gewundert, ob sich einige Gäste aus Versehen aufs Schiff begeben hatten, denn babyblaue Poloshirts und rosafarbige Sweater (so fies mit den Ärmeln im Stil Schulterwurf drübergelegt) gehörten eher nicht zum sonstigen Dresscode. Ihr habt es schon kapiert, TEAM DEATHMATCH pflegen ein revolutionäres Golfer-Image… Die Musik war vollständig geil! Eine echte Überraschung, groovender Grind von der gemeinsten Sorte. Als derart krassen Röchler hatte ich vor allem den LIMBOGOTT-Sänger echt nicht auf der Rechnung. Der Typ deckte mit seiner Stimme das Klangspektrum eines gut sortierten Bauernhofs ab. Röchel, grunz, wieher, gacker, keuch und flatter. Dazu glitt die Wappen gerade sanft durch eine schöne Camper-Idylle, die sich zu beiden Seiten an Land erstreckte. Die Kampfgriller guckten doch irritiert, als sie den wogenden, mit Bier sudelnden Mob an Bord erblickten. Staunen irgendwo zwischen Arnis, Ulsnis und Lindaunis.

Yeah, richtig voll wurde der Innenraum nun zur Kür des Abends: THOSE TWENTYTWO COLTSUCKERS luden ein vorletztes Mal zum Tanze. Der doch etwas großzügig gewachsene Basser Riedel konnte nur breitbeinig stehen, Old Sport anner Gitarre und Staiber (Schlagwerk) hatten es da gemütlicher, wenn man von den aus allen Himmelsrichtungen stolpernden, fliegenden und fallenden Gestalten absieht. Fuck, waren die Höllenhunde tight! Von Anfang an zischten Bierfontänen durch den Raum, die ganzen Sänger gaben sich das Mikro abwechselnd in die Hände, meist sangen gleich zwei auf einmal. Allen war gemein, dass sie sich Mühe gaben, die Gesangslinien so Vadder-ähnlich wie nur möglich zu belassen. Der Ratz ging ab bei „Antisocial – so we are“, „Marsh Marigold“, „Power“, „Bick Dick“, „Give Some Piss“, „Raise Your Beer“, und mein persönlicher Fave „Inhaling The Tons Of The End“ kam tonnenschwer und wurde nicht ohne Gänsehaut goutiert. Jan hatte zwar schon beim DISABLED-Auftritt schmerzhaft verspürt, dass die Decke sehr schnell da ist, wenn man hüpft, hinterließ nun jedoch erst recht diverse Dellen. Der Boden war dermaßen dreckig, glitschig und flutschig vom nahezu konstanten Bierregen, dass sich die Leute beim Hinfallen stapelten. Ausgelassen und friedlich also, bis auf einen Typ, der durch aggressives Verhalten nervte – erst rammte der einem ständig seinen Kopf mit mehreren Metern Anlauf in den Rücken, später kloppte er sich die Fäuste an der Decke blutig und schmierte überall mit seinem Blut herum. Naja, zuviel Testosteron, zum Glück war der eine Ausnahme. Ansonsten einfach ohne Worte – intensiv und gegen Ende emotional gerade für die Geschwister Kamradek und COLTSUCKERS. Mittlerweile wurde die Fahrt von einem Sonnenuntergang begleitet – eine würdigere „Lightshow“ hätte kein Klub der Welt bieten können.

Im Dunkeln glitten wir nun auf die Lichter von Schleswig zu, zum Teil berauscht, zum Teil nachdenklich, auch traurig.

Weiter ging es dann in eine Kneipe Schleswigs, bevor wir Kieler mit dem letzten Zug davonbrausten.

Wer wissen will, was die Ex-COLTSUCKERS weitermachen, sollte immer mal deren Seite checken, zumindest Teile der Band werden offenbar ein ähnlich geartetes Projekt (aber unter anderem Namen) kreieren:

http://www.myspace.com/coltsuckers

Und ansonsten:

http://www.myspace.com/disabledstreetcore

http://www.myspace.com/teamdeathmatch

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Kommentare   

0 #5 Philipp 2012-02-13 20:18
Danke. Unvergesslich.

Hab mal die Fotos neu reingesetzt, irgendwie funzten die Links nicht mehr.
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+2 #4 Jojo der Berserker 2012-02-13 19:59
Ich lese diesen Artikel immer und wieder gerne. Danke mann
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0 #3 Andy 2009-08-23 22:18
Lange keinen Artikel der Woche mehr gehabt also wirds mal wieder Zeit!

Also:

Artikel der Woche!
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0 #2 Chris 2009-08-23 22:18
Genauso isses gewesen! Voll geil, außer, die niedrige Decke, mein Kopf liegt immer noch auf der Schulter auf!!!
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0 #1 Andy 2009-08-23 22:18
War echt schön! Ein sehr bewegender Abend!
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