ORPHANED LAND, MYRATH, ARKAN, ARTWEG / 01.12.11 – Kiel, Pumpe

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Gäbe es ORPHANED LAND nicht, man müsste sie erfinden! Eine Band aus Israel, welche „Hass, Wut und Rachegedanken“ ablehnt, stattdessen für „Dialog, Verständnis, Toleranz, Frohsinn und Hoffnung“ (Rock Hard # 295, S. 89) eintritt. Welche die trennenden Dogmen der Nationalitäten und Religionen ablehnt und als jüdische Band erfolgreich auch in arabischen Staaten spielt. Das hätte man vor wenigen Jahren wohl noch als gedankliches Konstrukt bezeichnet, welches an der Realität scheitern müsse. Aber ORPHANED LAND werden immer bekannter und beweisen mit der ersten „Oriental Metal Tour“, dass sie in der Tradition „Talk – action = zero“ stehen, teilen sich mit MYRATH (Tunesien), ARKAN (Frankreich) und ARTWEG (Frankreich) einen Tourbus. Juden, Moslems und Christen friedlich zusammen auf einer Tour, die der Musik als „verbindendster Religion“ (s.o.) huldigt.

 

 

Leider verpasse ich die erste Band ARTWEG komplett, da ich gar nicht wusste, dass gleich drei weitere Bands mit ORPHANED LAND touren und es deutlich vor 21.00 Uhr losgeht. Mir wird aber erzählt, dass die Franzosen mit ihrem Hardcore/Metal bereits gut empfangen worden seien.

Das sprichwörtliche Eis ist auch bereits geschmolzen, als ich die große Halle betrete. ARKAN (Paris) stehen vor einer überschaubaren, aber begeisterten Menge. Schnell finde auch ich mich in die Musik hinein. Melodischer Death Metal mit sehr organisch wirkenden orientalischen Einflüssen. Überhaupt muss man positiv hervorheben, dass alle Bands sehr authentisch wirken und das Amalgam aus Heavy Metal und orientalischer Musik bei den Musikern in einem natürlichen Prozess entstanden zu sein scheint. Sehr reizvoll bei ARKAN: Die ansprechend progressiven Rhythmen in Verbindung mit sehr abwechslungsreich gespielten Gitarren. Growls werden eher als Farbtupfer eingesetzt, es dominiert der klare Gesang von Sarah Layssac. Die Sängerin führt charmant durchs Programm und wünscht allen „Salam“, übrigens auch der Titel des aktuellen Albums.

Faszinierend geht es weiter bei den tunesischen MYRATH, welche innerhalb der Überbezeichnung „Oriental Metal“ den Prog Metal-Aspekt am stärksten betonen. Wahrscheinlich könnte ein Experte orientalischer Musik die Einflüsse wesentlich genauer analysieren. Ich kann aber begeistert feststellen, wie unaufdringlich die verschiedenen Elemente in überdurchschnittliches Songwriting einfließen. Komplexe Songs, die locker auf Dream-Theater-Niveau gezockt werden, durch die Art der Melodieführung aber cremig in die Lauscher gleiten. MYRATH heimsen ähnlich viel Applaus wie ihre Vorgänger ein und insgesamt fällt im Vergleich zu einem traditionelleren Metal-Konzert auf, dass wesentlich mehr Leute im eigentlichen Sinne tanzen und die Hüften schwingen. Was nicht heißt, dass nicht an allen Ecken und Enden Haupthaar und Pommesgabeln geschwungen werden!

Bei ORPHANED LAND scheint die Hütte dann wesentlich voller, das Publikum mit den Songs vertrauter. In Wacken hatten mir ORPHANED LAND bereits eine Gänsehaut nach der anderen bereitet – heute ist das erwartetermaßen ähnlich. Kobi Farhi ist ein charismatischer Sänger, der barfuß und im wallenden weißen Gewand growlt und singt sowie mit Botschaften wie „we are on the first oriental metal tour ever. Muslims, christians and jews sharing one bus – politicians should learn something from this“ den Nerv trifft. Auf Platte wirken die Songs auf mich zum Teil etwas sperrig, live fließt das Ganze doch deutlich mehr. Wobei es auch schade wäre, wenn ORPHANED LAND sich in eine leichtverdaulichere Richtung entwickelten – der eigentümliche Charakter ihrer Songs macht ja gerade auch den Reiz aus. Vielen – auch mir – ist die Band erst seit Mitte des letzten Jahrzehnts wirklich bewusst ein Begriff, tatsächlich gibt es sie bereits seit 1991. Man kann somit tief in der Bandhistorie wühlen und spielt auch heute Stücke, die lange vor der Zeit ihrer wohl bekanntesten Longplayer „Mabool – The Story Of The Three Songs Of Seven“ und „The Never Ending Way Of ORwarriOR“ veröffentlich worden sind. Höchst abwechslungsreich kommen dabei mal rein akustische Titel, mal knallige Dark Oriental Prog Metal-Kracher zum Zuge, verschiedenenste Saiteninstrumente werden gezupft und wie in Wacken schwebt eine Bauchtänzerin grazil über die Bühne.

Herrlicher Abend, der nachhaltig verdeutlicht, wie überflüssig und peinlich manche Black-Metal-Bands mit ihren kriegsverherrlichenden Texten sind. Denn: „Nicht der Krieg ist revolutionär, der Friede ist revolutionär.“ (Jean Jaurès)

 

http://orphaned-land.com/

http://www.myrath.com/

http://www.myspace.com/artweg

http://www.arkan.fr

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