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FÄULNIS, NEUTRUM, MESS//AGE / 27.01.12 – Rendsburg, T-Stube

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Kategorie: Berichte aus dem Pit

Veröffentlicht: Samstag, 28. Januar 2012 20:57

Geschrieben von Philipp Wolter

Zugriffe: 4038

Ausnahmezustand in der T: Auf der Bühne schlafen zwei sturzbesoffene Metaller, die Ärsche in die Luft gestreckt – wohlgemerkt während aus den Boxen ohrenbetäubender Lärm schallt („endlich liegen uns die Fans mal zu Füßen“, kommentiert die MESS//AGE-Bassistin trocken). Vor der Bühne tanzt ein Mensch eine Art Ballett mit Violent-Dancing-Moves (ohne die Violence…), überhaupt ist heute Abend ein ungewöhnliches Publikum mit ca. 80 % Metalheads und 20 % Punks vorzufinden, dazwischen aber auch einige Metalpunks wie die Dremu-Gesandtschaft… Aber von Anfang an:

Bilder von Jan ML

Endlich mal FÄULNIS gucken! Ich hatte viel Gutes über das Meiereikonz gehört, welches ich aufgrund vladiistischer Tätigkeiten nicht wahrnehmen konnte. Und dann noch in der geliebten T-Stube mit zwei weiteren vielversprechenden Bands!

Erst mal trifft man unzählige Bekannte aus Kiel, Rendsburg, Flensburg, Hamburg etc. und kann den neuesten Klatsch und Tratsch abgreifen. Nur Kollege Jan ML übertreibt es heute mit ständigem Paraphrasieren. „Alter, kannst du mal damit aufhören, ständig alles zu wiederholen, was ich sage!“ – „Wie, ich wiederhol alles, was du sagst?“ – „JA! Gerade schon wieder!“ – „Echt, gerade schon wieder?“ „ARGH!“

MESS//AGE punkten bei mir gleich mit der ersten Ansage: „Wir sind VLADIMIR HARKONNEN aus Kiel“, hehe. Die Musik ist aber auch gut und überhaupt nicht zum Einpennen. Die eingangs erwähnten Metalheads wirbeln zunächst auch noch unkontrolliert durch die Botanik, bis besonders der eine immer wieder urplötzlich Powernaps auf dem Boden einlegt. Alle Bandmitglieder bölken mal ins Mikro, was dem peitschenden Hardcore/Punk noch mehr Energie verleiht. Ich Idiot vergesse allerdings, mir danach eine Demo-CD mitzunehmen. Schade, denn die Songs hätte ich jetzt gern zu Hause gehört und noch einmal Revue passieren lassen. Auf jeden Fall knarziger Hardcore, der noch weiß, wo die Wurzeln dieser Musik liegen, nämlich im PUNK!

NEUTRUM kommen ebenfalls aus Flense und genau wie bei MESS//AGE kennt man irgendwie alle Hackfressen in der Band. Es ist wohl einer der ersten Auftritte überhaupt von NEUTRUM. Ich kann jetzt schon sagen, dass der Norden um eine weitere geile Band reicher ist! Geht ganz schön ab in letzter Zeit hinsichtlich neuer Bands! Die fünf Vögel bezeichnen ihre Musik selbst als Mischung aus Hardcore, Stonerrock und Metal. In meinen Ohren dominiert der Hardcore-Aspekt, was vielleicht durch den krassen Gesang von Caro evoziert wird. Gesund hört sich das ja nicht an. Aber geil! Total kreischig und voller Wut. Dazu springt die quirlige Schreigräte im Mob herum und achtet gleichzeitig darauf, dass einer der beiden Besuffskis korrekt in die stabile Seitenlage gebracht wird (mittlerweile geht bei dem einen GAR NICHTS mehr, während der andere sich als wahrer Freund erweist, indem er dem halb Besinnungslosen weitere alkoholische Getränke in den Schlund kippt). Es geht aber in der Tat keinesfalls nur stumpf nach vorne, der Drummer spielt rhythmisch interessantes Zeug und die Gitarristen schreddern kranke Psychoriffs. Ich genieße den Auftritt sehr und mag die Einstellung der Band, deren Gitarristen auch mal mitten im Song ihr Instrument stimmen…

Black Metal. Ich steh ja prinzipiell drauf und habe alle verschiedenen Phasen/Entwicklungen dieser Metalspielart erlebt. Leider mehrt sich die Anzahl der Bands, die durch Nähe zu Nazischeiße oder einfach bloße Dummheit den Intellekt beleidigen und somit hinreichend abtörnen. Da ist eine Band wie FÄULNIS doch sehr willkommen, die bewusst in Läden wie der Alten Meierei oder eben der T-Stube zockt, sich explizit gegen NSBM äußert und höchst interessante Texte schreibt. Hier geht es nicht wie so oft um plumpen Menschenhass oder das ewig gleichtönende Christenbashing. Vielmehr um Depressionen, den kranken Zustand einer verfallenden Gesellschaft, den täglichen urbanen Wahnsinn… Und das auf einem ansprechenden Niveau, was vielleicht bereits Titel wie „MorgenGrauen“, „Kopfkrieg“ oder „Spiegel, Splitter, Schrott“ andeuten. Musikalisch ist man durchaus offen für nichtschwarzmetallische Einflüsse - die Eigenbezeichnung Black Doom Punk Rock oder das OMA-HANS-Cover „Ukraine“ unterstreichen das. Auf Platte also schon geil, aber live werde ich heute regelrecht umgewämst. Vor allen die Präsenz von Sänger Seuche und seine heftigen Schreie beeindrucken. Das ist kein „ich will möglichst fies und böse klingen“-Posertum, das klingt nach Verzweiflung und Leid. Dazu wirft sich Seuche auf den Boden, presst die Hände auf den Schädel, als wolle er die finsteren Gedanken einkerkern, die dort gegen seinen Willen brüten. Einige Stücke begreife ich heute musikalisch erst richtig – sehr nachhaltig durchdachte Harmonien verbergen sich im Gewitter. Leider streikt plötzlich die Gesangsanlage und auch der Wechsel des Mikros kann nicht auf Dauer Abhilfe schaffen. Dadurch kommt gerade „Ukraine“ fast vollständig ohne Gesang. Der Band mag das dadurch als weniger gelungener Auftritt in Erinnerung bleiben, aber die Besucher empfinden das lediglich als Randnotiz, ich zumindest. Viel wichtiger, dass die Band den Auftritt unterbricht, damit erst mal ein Hund aus dem Laden geschafft wird, der eine volle, stinkende und vor Lärm berstende Hütte – wie Niles treffend bemerkt - „wohl nicht so geil“ finden dürfte. Der aus Menschen bestehende Teil der Hörerschaft dagegen schon – begeistert bis geplättet verharrt man noch ein Stündchen in der T, während freundlichere Klänge vom Band langsam die erzeugte Eiseskälte wieder vertreiben…

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