KREATOR, MORBID ANGEL, NILE, FUELED BY FIRE / 14.12.2012 – Hamburg, Große Freiheit

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„Aller, die Show heute soll ja in 3D sein!"

„Waas? Konzerte jetzt auch in 3D? Das geht mir ja schon im Kino auffen Sack!“

16:30 Uhr Einlass – das ist ‘ne Ansage. Und da ich alter Konzertfuchs meine Pappenheimer kenne, die nämlich die offizielle Anfangszeit von 17:45 Uhr niemals einhalten, sondern vielmehr die erste Band viel früher als angegeben auf die Bretter schicken werden, mache ich mich direkt nach der Schule auf den Weg nach Hamburg. Gehen Sie nicht über Los. Auch nicht über Zuhause. In Hamburg hab ich dann auch nur kurz Zeit, was zu essen und kurz beim Fischkopp Plattenshop abzuernten, dann geht es auch schon auffe schäbige Reeperbahn.


Superunsympathisch sind die Bouncer vor den Türen. Hier wirste noch richtig wie Dreck behandelt. Mir wird doch glatt aufs Unfreundlichste befohlen, meinen Rucksack zu öffnen (bin ja mit Sack und Pack da). Und zack! – fliegt ein Joghurt in den Müll. Auf meinen fragenden Blick brummt der Stiernacken: „Keine Lebensmittel!“ Auf meine Frage, ob denn drinnen überhaupt was Essbares angeboten werde, reagiert er zum ersten Mal kurz verunsichert: „Äh, weiß ich nicht“. Aber ganz schnell folgt mit wieder strammerer Körperhaltung: „Aber auch egal! Keine Lebensmittel!“ Aha, schon klar, ja, Sir, zu Befehl, Sir! Der Blick in meine Brotdose ist dann aber WIRKLICH übertrieben.


Der nächste Schock an der Garderobe. Ich gebe Jacke, erwähnten brotlosen Rucksack und ‘nen Jutesack mit Platten ab. „Vier Euro!“ – „Wie kommst du denn auf DIE Summe?“ – „Rucksack zwei Euro!“ Langsam wundert mich gar nichts mehr, nicht mal der Preis des ersten Beruhigungsbieres…


Wie erwartet fangen FUELED BY FIRE um Punkt 17:00 Uhr an. Vor zunächst noch fast leerer Hütte. Doch von Minute zu Minute wird es voller und bereits nach wenigen Songs feiert der Mob ausgelassen mit Circle Pits und Sprechchören. Kein Wunder, passen FUELED BY FIRE doch von den drei „Supportbands“ am besten zu KREATOR. Ich seh die Kalifornier heute zum dritten Mal – und bin zum dritten Mal begeistert, wie wild und ungezügelt ihr Thrashfeuerwerk abgefackelt wird. Beide Platten mit Hits wie „Thrash Is Back“, „Sickness Of Humanity“ oder “Dreams Of Terror” seien Thrashern schwer empfohlen. Das Schöne an FUELED BY FIRE: Der Gesang ist asozial genug, die Band prügelt hemmungslos, das Ganze wird in kompakten Songs verpackt, die Melodien und Hooklines nicht missen lassen. Funktioniert und knallt live noch mehr.


Ich finde es ja gut, dass NILE das Genre Ägypten-Metal erfunden haben. Hat dem Metal definitiv noch gefehlt. Aber Spaß beiseite: NILE holen die ganz große Kelle raus und drücken eine so was von dicke Wand in die Große Freiheit, dass einem der Atem stockt. Was für gestörte Musik. Laut dem Dremu-Archiv hab ich NILE tatsächlich zum letzten Mal vor neun Jahren in Wacken gesehen. Mein damaliger Eindruck („klingen manchmal so als spielten zwei Combos gleichzeitig“) bestätigt sich: NILE schrubben Death-Metal-Riffs, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen, weben in ihr Gemeter orientalische Melodien ein, der Drummer wechselt zwischen polyrhythmischen Attacken und groovigen Walzparts, alle Bandmitglieder grunzen und schreien unverständliche ägyptische Begriffe in die Mikros und irgendwie passt noch das ein oder andere Sample dazwischen. Meine Faves im Set: „Kafir!“ sowie „Black Seeds Of Vengeance“.


Inzwischen sind auch die letzten Bekannten eingetrudelt und in der Hütte wird es voll und heiß. Zum Glück aber nicht so eng, dass es unangenehm wird. „We’re going to ruin your evening for you“, versichert David Vincent und los geht’s. Am Schlagzeug sitzt immer noch Tim Yeung, der es schafft, die irrwitzigen Vorgaben von Pete Sandoval nachzuspielen. Der Mann ist eine Show für sich, auch wenn der Originalschlagzeuger hoffentlich bald fit ist und seinen Platz wieder einnimmt. Songmäßig gibt es das erhoffte Klassikerset. Gleich fünf Old-School-Granaten nacheinander lassen wohl auch den letzten etwaigen Meckerpott verstummen: „Immortal Rites“, „Fall From Grace“, „Rapture“, „Pain Divine“ und „Maze Of Torment“. Mit „Existo Vulgoré“ und „Nevermore“ entscheidet man sich wie schon in Wacken für zwei der besten Stücke vom umstrittenen letzten Album (obwohl ich ja gern mal „Destructos vs. The Earth / Attack“ live hören würde, hihi), bevor es wieder zurück auffe Zeitreise geht. Ich freue mich besonders über zwei meiner absoluten MA-Faves, nämlich „Where The Slime Lives“ und „God Of Emptiness“. David Vincent wirkt übrigens durchgehend gut gelaunt, punktet mit ironischen Ansagen – die Reife, die letzte Interviews („Ich kann mich nur dafür entschuldigen, euch so provoziert zu haben“ – Rock Hard #289) andeuten, scheint echt und kein Lippenbekenntnis zu sein. Keine Frage: geil!


Ich erfahre erst kurz vor dem KREATOR-Auftritt von der „3D-Show“. Angeblich eine neue Technik, die auch ohne Brillen einen räumlichen Eindruck vermittelt. Es senkt sich ein Vorhang herunter, vom Band kommt Johnny Cash und auf den Vorhang werden alle möglichen Fotos aus der Geschichte der Band projiziert. Hm, nur spür ich den 3D-Effekt nich. Aber ich konnte auch nie auf diesen 3D-Bildern wat Räumliches erkennen, die einem irgendwelche Mitschüler_innen vor die Nase gehalten haben. Zwanzig Minuten draufgeglotzt, „ah, jetzt!“ gekreischt, in Wirklichkeit Frust geschoben. Voll der Scheiß. Aber dann fällt der Vorhang und Mille & Co. legen total mehrdimensional los.  Die Bühne ist nett dekoriert – zu den klassisch quer stehenden Aufstellern gesellen sich diagonal nach hinten verlaufende Wände. Sieht so aus, als wollen die Kreaturen vom neuen Cover aus dem Pit entkommen, in dessen Mittelpunkt die Band in blutrotes Scheinwerferlicht getaucht wird. „Phantom“ ratataratata „Antichrist!“, kreischt Mille. Ja, geil, macht doch immer wieder Spaß. Ich glaub, ich habe KREATOR seit den Anfangstagen auf so ziemlich jeder Tour gesehen. Schlechter sind sie wirklich nicht geworden, das ist kein lauer Aufguss alter Glanztaten. Davon zeugt auch die Playlist mit fünf oder sechs neuen Songs. Ansonsten allerdings könnte auch mal wieder eine Überraschung integriert werden, z.B. „Awakening Of The Gods“ oder „Renewal“, halt irgendetwas aus dem prallen Backkatalog, was länger nicht gespielt wurde. Aber „Hordes Of Chaos“, „Enemy Of God“, „Extreme Aggression“, „Pleasure To Kill“, “Violent Revolution” etc. werden natürlich auch mit metallischem Gourmetgenuss verschlungen. Und… sach mal, wird der Mille langsam etwas unpeinlicher auf der Bühne? Die Ansagen waren gar nicht so schlimm wie sonst. Könnten aber immer noch etwas weniger aus Animation fokussiert sein. Statt diesen ganzen Aufforderungen zu Spielchen wie Circle Pits, Wall Of Death und Sich-gegenseitig-Umbringen könnte Mille doch mal etwas über die Textinhalte erzählen. Aber auch ohne derartige Exkurse sind wir doch alle begeistert dabei, wenn am Ende das unvermeidliche Duo „Flag Of Hate“ & „Tormentor“ intoniert wird.

Hoch dat Eisen!

 

(http://www.mondkringel-photography.de)

Danke Toni!

 

Kommentare   

+3 #7 JanML 2013-01-05 18:33
So, ich habe Fotos von Toni eingebaut. Danke Toni! Weitere gibt es auf ihrer Seite.
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+2 #6 Philipp 2012-12-30 11:59
Derbe Geschichte mit der Jacke. Bei mir hat das komischerweise geklappt - bin auch irgendwann gegen Ende meine Jacke holen gegangen (hat mich allerdings locker einen Song gekostet!) und konnte dann noch den Schluss sehen. Aber dieses von dir beschriebene Willkürverhalten passt ja ansonsten durchaus zu meinen Beobachtungen.
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+4 #5 Aller Egon 2012-12-29 18:29
Da muss ich auch nochmal (auch im Namen meiner Mitstreiter) meinen Senf dazugeben. Das Personal war wirklich unterirdisch. Die Rahmenbedingungen konnte man sich ja denken: schön das Geld von den Leuden aus den Taschen ziehen, diese sollen sich dann aber bitteschön schnell verpissen, damit man pünktlich die bestimmt hammertolle "2für1"-Partyreihe veranstalten kann. Nebenbei, auf dem Veranstaltungskalender (der dort überall hing) war n falsches Datum für diese Show. Guckt das vorher keiner nach? Sowas von unfreundliches Personal! Und dann schön so ne Scheiße wie "Bier is alle, kommt irgendwann nach...". N Kumpel is schon zeitich Jacke holen gegangen und wollte dann die letzten Minuten sehen. Durfte er aber nicht "Du kommst hier nicht mehr rein!" "Hääähh, wieso, ich hab doch nur kurz meine Jacke geholt!" "Ja, is so!" "Aber ich habe doch hier ne Karte!" "Das kann doch jeder sagen, zeig ma deinen Stempel!""Haalllooo???!!!Ihr habt hier gar keine Stempel vergeben, man durfte doch eh nicht raus..." So ungefähr war der Wortlaut. Kackladen! Wusste ich auch schon vorher, aber manchmal gibt es ja auch positive Überraschungen. Manchmal wohl leider nicht...Kreator waren aber echt geil! Mille hat vorher echt noch peinlichere Ansagen gemacht? Krass! Fand das schon recht nahe an der "zemlichpenlich-Grenze". Das 3D-Konzept hab ich (und die anderen) anscheinend nicht kapiert... :)
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0 #4 Necro Nico 2012-12-20 18:47
natürlich nile verpasst .. an einem freitag abend um 18:30 schon die ersten zwei bands verpasst zu haben ist ein scheiss gefühl ..
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+1 #3 JanML 2012-12-17 21:55
Fotos von Toni baue ich ein sobald ich welche bekomme. Gerne können Kreator das nächste Mal lieber wieder in der Markthalle spielen und nicht in diesem schäbigen Laden.
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+2 #2 DoctorJoyBoyLove 2012-12-17 21:37
Der Eintritt klingt ätzend, ansonsten bin ich sehr neidisch.
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+4 #1 Gerrit 2012-12-17 21:35
Ich hab Nile zum ersten mal gesehen und auch vorher nicht angetestet. Mein erster Gedanke war, wenn man vor den Toren der Hölle steht und sie öffnen sich, dann ertönt exakt diese Musik!

War ein saugeiler Abend!
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