WACKEN XVII / 04.08.2006 - Wacken, Tag 2

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Im Gegensatz zum FORCE ATTACK letztes Wochenende, wo man alles beschaulich angehen lassen konnte (ja MUSSTE), weil eh erst Stunden nach dem Aufstehen etwas auf den Bühnen passieren würde, waren hier und heute in Wacken jegliche Morgenrituale im Zeitraffer durchzuführen. Um 11.00 Uhr sollten schließlich bereits END OF GREEN zocken! Schnell also für etwaige Entgleisungen am Vorabend entschuldigt, ähnliche Entschuldigungen großzügig angenommen, Zähne geputzt, Mohrrübe verputzt und ab aufs Dixi. Dort der Hammer: Evolution der Dixi-Technologie! Erstma war die Klobrille mit einem Draht versehen, der sie automatisch wieder hochschnellen ließ (die ganzen Sprenkler-Pinkler hätten also die Brille schon mutwillig runterdrücken müssen, um den Rand vollzustrunzen). Und dann Verblüffung: Man guckte nicht in ein Loch voller Chemie und Exkremente, sondern auf eine Art Fließband aus Blech! Mittels eines Hebels, den man dreimal betätigen musste, wurde der frische Schiss auf dem Blech in den Abgrund befördert. Begeisterung: Scheiße am Fließband!

 

 

So, also END OF GREEN, die ich mir ehrlich gesagt vor allem wegen des begeisterten Dremu-Reports von Semmel („Dieses Gefühl, ich hielt es fest, es soll nicht wieder gehen, festhaltend in mir ließ es mich schweben und so hielt es noch Tagelang in mir stand. Wenn ich mich jetzt zurückerinnere, verspüre ich eine Sehnsucht, dergleichen habe ich nie empfunden. Danke.“) ansehen wollte. Als Depressed Subcore hatte der Kollege die Musik beschrieben – nicht schlecht, nicht schlecht. Düster war’s indeed, Reminiszenzen an FIELDS OF THE NEFILIM oder TYPE O NEGATIVE kamen mir in den Sinn, dann aber doch metallischer, der Gesang pendelte zwischen tief-melodiös und tief-grunzig. Die Meute vor der Party-Stage war recht begeistert, auch mir hatte es recht gut gefallen, wenngleich derart tiefe Emotionen wie von Semmel beschrieben erst später und durch andere Musiker bei mir hervorgerufen wurden.

 

 

Näxte Staton WINTERSUN: Bekanntlich die Band des ehemaligen Sängers der beliebten ENSIFERUM, Jari Mäenpää. Die Fans von ENSIFERUM hat Jari offenbar mitgenommen, denn der Andrang und die Anteilnahme waren groß. Wie soll man bloß die Musik beschreiben? Sehr schnell, sehr gute Gitarrenarbeit, Elemente von CHILDREN OF BODOM, stilistisch zwischen Viking-, Black-, Death- und Progressiv- Metal, dazu auch noch ein bisken finnischer Folk. Jari war kein Mann großer Worte, dafür überzeugten Stücke wie „Battle Against Time“ und „Sleeping Stars“ auch sehr gut völlig ohne pfiffige Ansagen.

 

 

Oh, nun kam ein frühes Highlight: LEGION OF THE DAMNED! Meine Herren, dass 2006 noch ein derart mitreißendes Thrash Metal-Album wie eben „Malevolent Rapture“ erscheint, hätte wohl kaum jemand erwartet. Mittlerweile habe ich mir auch die alten Scheiben der Band besorgt (da hießen sie halt noch OCCULT) und begab mich somit textsicher vor die Bühne. Yeah, die Holländer erfüllten alle Hoffnungen und ließen mich bereits mit dem Opener „Werewolf Corpse“ völlig ausrasten. Genau in diesem Kaliber krachten auch „Demonfist“, „Legion Of The Damned“, „Death’s Head March“ und der olle OCCULT-Titel „Killing For Recreation“ ins Gebälk. Besser kann Thrash nicht gespielt werden – hoffentlich gelingen der Band noch weitere Alben von der Klasse wie „Malevolent Rapture“ und „Elegy For The Weak“!

 

 

Für meinen Geschmack unrelevante Bands wie DANKO JONES und EKTOMORF boten eine Chance zum Pausieren, bevor der Reigen weiterging. SIX FEET UNDER wären natürlich nach meinem Interesse gewesen, aber die hatte ich schon so oft gesehen, dass ich sie angesichts des Mammutprogramms sausen ließ.

 

 

Für NEVERMORE gilt zwar im Prinzip dasselbe wie für SIX FEET UNDER, aber die gehören nun mal zu meinen Faves in diesem Bereich und sind verdammte Pflicht. Für den schwer erkrankten Steve Smyth (braucht eine Spenderniere) war der JAG PANZER-Gitarrist Chris Broderick dabei, der sich auch gut ins Bild fügte. Gut gelaunt führten Warrel Dane und seine Rasselbande uns auf einen Streifzug durch die sieben Platten der Band, wobei der Schwerpunkt auf den aggressiveren Songs lag. „Enemies Of Reality“, „I, Voyager“, „Narcosynthesis“, Dead Heart In A Dead World“ oder das geile „Born“ waren Höhepunkte. Krass auch das Solo bei „The River Dragon Has Come“! Allerdings fehlte vielen die Hymne „The Heart Collector“. Entsprechende Zwischenrufe kommentierte Dane grinsend mit „Shut Up! We’re not taking requests…“ und rief lieber zu einem Crowdsurf-Weltrekordversuch auf. Sah dann krass aus, als Hunderte von Leuten gleichzeitig über den Köppen der Menge schwammen.

 

 

Bei OPETH habe ich dann jede Minute genossen. Obwohl ich die Band erst spät entdeckt habe und mir daher noch viele Songs unbekannt waren, sog ich jeden Ton gierig in mich auf. Natürlich bieten OPETH mit ihrer abgefahrenen und organischen Mischung aus Death Metal und Progressive Rock keine Musik zum Durchbangen, aber davon gab es an diesem Wochenende ja genug. Man muss für OPETH in Stimmung sein, ich kann sie mir zu Hause auch nicht immer anhören, aber angenehmerweise WAR ich offensichtlich in genau der richtigen Stimmung. Selten gelangen einer Band die Übergänge zwischen Death Metal-Aggro-Riffs und akustischen Parts so überzeugend und Mikael Akerfeldts Gesang wechselte perfekt zwischen Gegrunze und Melodie. Amüsant dazu die Ansagen des Bandkopfes: „Next Song is from ‚Blackwater Park’ – from the money for this album alone I could buy not o­nly o­ne, but TWO castles in switzerland“ oder „The lyrics o­n the next song are very satanic – you know I’m a big satanist? I was kneeling before my satanic altar in prayer and the words to this song were transferred to my brain directly from satan himself!“. Richtig cool!

 

 

Vor IN EXTREMO gelang uns erfolgreich die Flucht und mit wieder aufgefüllten Getränkereserven waren wir zu CARNIVORE zurück.

 

 

Schon kurios: Früher habe ich mir hitzige Debatten mit CARNIVORE-Fans darüber geliefert, warum man die Band nicht tolerieren könne – heute stand ich selber vor der Bühne. Aber nach Interviews, die ich in den letzten Jahren mit Pete Steele gelesen habe, habe ich mich doch gefragt, ob dieser Typ sich nicht gewandelt haben mag (im Gegensatz z.B. zu einem Vollidioten wie Billy Milano/S.O.D., der sich immer deutlicher als Redneck und Rassist zu erkennen gegeben hat?). Jedenfalls hat er mittlerweile wesentlich bedachtere Aussagen gemacht und wirkte recht selbstkritisch. Oder habe ich es nicht gemerkt und bin auf einen „Reinwasch“-Prozess der kommerziellen Metalpresse reingefallen, die es ja auch geschafft hat, dass es als „normal“ gilt, eine Pissband wie die ONKELZ zu hören? Ich denke aber, die früheren Vorwürfe waren zu einem großen Teil auf Interview-Aussagen gestützt – der junge Lord Petrus Steele hat damals ziemlichen Scheiß erzählt („U.S.A. for U.S.A.“) und dachte dabei, er wäre cool. Hm, wenn man die Texte durchliest, kann man allerdings Belege GEGEN rassistische Hintergründe finden, bestes Beispiel wohl der umstrittene Titel „Race War“, in denen rassistische Perspektiven wiedergegeben werden, allerdings kontrastiert durch deutlich antirassistische Positionen: „Xenophobic tendencies / instilled in us at birth / are mislead racism / hostilities getting worse“. Oder in „Ground Zero Brooklyn“: „Are we not savages / innately destined to maim and kill? / Blame it o­n the environment / Hereditiy or evolution we’re still responsible / Our intelligence may progress / at geometric rates / yet socially we remain belligerent neonates“. Na ja, es ist halt nicht alles so Schwarz/Weiß, wie es viele gerne hätten, wer genauere Infos hat, möge das anfügen. Der Auftritt an sich war einfach nur Hammer. Steele hatte Mitmusiker aus irgendwelchen Hardcore-Bands dabei, außerdem den LIFE OF AGONY-Gitarristen und alle gingen ab wie Hölle auf der Bühne. Herr Steele hatte allen Bandmitgliedern eine Kleiderordnung auferlegt – hässliche rote T-Shirts – er selber hatte dazu noch ein fieses rotes Stirnband um die geil arrogant glotzende Rübe gezurrt. ENDLICH war sein Gesang wieder so unglaublich brutal – der klare Type-O-Gesang wurde bis auf wenige Ausnahmen weggelassen. Die Backing-Chöre der anderen Bandmitglieder kickten den Scheiß dann noch weiter nach vorne, so dass „Carnivore“, „Angry Neurotic Catholics“, „Jesus Hitler“, „Sex And Violence“ oder „Inner Conflict“ ganz fiesen Schlägen in die Magengrube gleichkamen. Am Sonntag sollten CARNIVORE dann noch eine Art „Aftershowparty“ in der Hamburger Markthalle spielen (+ TOURETTES SYNDROME u. HOLY MOSES), aber 19,- Euro dafür erschien den meisten eine ziemliche Frechheit.

 

 

CHILDREN OF BODOM hatte ich zwar eingeplant, aber eine kurze Erfrischungspause im Camp der Schleswiger Fraktion schien angesichts der Tatsache, dass diese Band ähnlich wie SIX FEET UNDER oft live zu sehen ist, gerechtfertigt. Außerdem wurde es nun fast unangenehm voll auf dem Platz – kann gut sein, dass CHILDREN OF BODOM die meisten ZuschauerInnen gezogen haben!

 

 

Tja, was nun folgte, ist schwer in Worte zu fassen: Für mich der klare Höhepunkt des gesamten Festivals: CELTIC FROST! Wo andere Bands ihre Reunion nach immer denselben Regeln der Industrie abziehen – erstmal ’ne Tour mit den beliebtesten Songs, dann eine Platte, welche Kopien der größten Erfolge enthält, aber an die Originale halt nicht heranreicht - haben die Schweizer ALLES anders gemacht. Jahrelang hamse getüftelt und ERST eine Platte gemacht, die – unberechenbar wie CELTIC FROST immer waren – eine weitere Variante des Bandsounds bietet – düster, schwer verdaulich, zäh, monolithisch. Und auch live klangen CELTIC FROST anders als früher. Klar, früher waren sie sehr heavy und haben mich auch immer begeistert, aber heute strahlte ein finsterer Stern negativste Energien aus! Ohne Scheiß: Ich habe NOCH NIE eine derart negative und düstere Atmosphäre verspürt! Nich mal, als Ratze die Papstwahl gewonnen hat… Aber ernsthaft: Wo andere Bands von „Satanismus“ faseln, um ein Image zu kreieren, wirkte bei FROST alles „echt“ und überzeugend. Das lag vor allem an der Präsenz von Martin Eric Ain (also mehr noch als an der von Tom G. Fischer), der jedes Stück mit Inbrunst intonierte. Gänsehaut erzeugend sein geflüsterter Vortrag seines Anti-Vaterunsers bei „Synagoga Satanae“: „Ich allein bin mein. Ein Nichts. Verdorben mein Name. Mein Leid mein Reich. Mein Wille mein Fluch. Über mich und außer mir. Täglich hungert mein Leib. Und dürstet meine Seele aufs Neue. Ich trage die Schuld. Wie ich ertrage die Beschuldigungen. Ich bin in Versuchung. Und kenne keine Erlösung. Denn mein ist das Leid. Die Wut. Und das Streben. Bis zum Tod. Amen“. Nicht, dass ich irgendwie Satanist wäre, aber das war wirklich beeindruckend und bewegend. Allerdings sicher nicht für jeden, CELTIC FROST polarisierten und es gab danach nur entweder Begeisterung oder Ablehnung. Sogar die alten Fans der Band dürften sich trotz der ebenfalls gespielten „Oldies“ „Into The Crypts Of Rays“ oder „Circle Of The Tyrants“ nicht einig gewesen sein, ich für meinen Teil höre erstmal täglich „Monotheist“. Nihil verum nisi mors…

 

 

Nach diesem Brocken gab es aber keine Ruhe, sondern den nächsten Vorschlaghammer vor den Schädel. Al Jourgensen und die MINISTRY-Haudegen (mit an Bord Tommy Victor/PRONG, Joey Jordison/SLIPKNOT, Paul Raven/KILLING JOKE, Mike Scaccia/MINISTRY und John Bechdel/FEAR FACTORY) hatten sich bereits seit 15.00 Uhr am Cocktail-Stand ordentlich einen gegongt (okay, ich hab ihnen nich inne Becher geguckt, vielleicht hamse da nur Mineralwasser getrunken, aber ich glaub irgendwie nich…), was sie aber nicht im Mindesten daran hinderte, ein BRUTALES und LAUTES Set zu spielen, und das auch noch tight wie Sau! Man konzentrierte sich auf die neue Pladde „Rio Grande Blood“ und packte obendrauf noch Klassiker wie „Thieves“, „Just o­ne Fix“ und „New World Order“, also wirklich KEINE Atempause, sondern NUR Brechstange. Jourgensen taumelte um seinen Totenkopf-Mikroständer herum und schrie sich seinen Hass auf Bush aus dem Leib, dazu machten Video-Einspielungen auf Leinwänden im Hintergrund die Atmosphäre perfekt.

 

 

Nach diesen beiden krassen Höhepunkten konnten AMON AMARTH bei mir nicht mehr wirklich punkten, zudem ihr Sound gegen MINISTRY heute nur ein laues Lüftchen war – Gitarren viel zu leise, Gesang zunächst auch. Das wurde zwar langsam besser, aber irgendwie konnte die Band mich heute nicht packen. Die angekündigte „Special Viking Show“ war dann auch nicht wirklich ernst zu nehmen. Da prügelten halt so ein paar Nasen in Wikingerklamotten mit Schwertern und Schildern aufeinander ein, es gab Feuerspuckeinlagen und all so’n Gedöns. Na, es wird sicher Leute gegeben haben, die das super fanden. Ich trollte mich und suchte mir Leute zum Feiern und da es schon 3.00 Uhr war, war es auch kein Wunder, dass ich erst gen 6.00 Uhr in Richtung Zelt eimerte. Da standen doch glatt die Nachbarn – die Hamburger Meute um die ENDHAMMER-Nasen – gerade wieder auf und starteten ’nen Frühschoppen, zu dem sie mich netterweise einluden. Doch nix da, um 12.00 Uhr sollte es METAL CHURCH geben und ein Tag ohne große Pausen stand bevor!

- Beitrag von: Philipp

Kommentare   

0 #1 Philipp 2021-07-30 13:22
REST IN POWER, Joey Jordison!
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