HELL OVER HAMMABURG I / 02.03.2013 – Hamburg, Markthalle

0 Dislike0

Philipp: Als das Billing dieses Festivals zum ersten Mal vor meinen Glotzies aufpoppte, konnte ich mich einer gewissen emotionalen Reaktion nicht erwehren: Mit einem gebrüllten „Hell yeah!“ warf ich meinen Verstand an die Wand. Im Grunde sind hier doch alle GUTEN Stilrichtungen des Metal vertreten – nur halt kein Plastik Metal, Trollschmarrn, Metalcore oder Middelaldermeddel. Und dazu alles Bands, die man nicht ständig zu Gesicht bekommt, z.T. noch gar nicht bestaunen durfte. Der Fokus lag dabei vor allem auf jüngeren Klamotten, wobei alte Recken (DESASTER haben schließlich schon 25 Jahre auffem Buckel, DENIAL OF GOD 20, WARHAMMER immerhin 19) ebenfalls vertreten waren – gute Mische somit. Im Vorfeld sorgte nur die Running Order für Stirnrunzeln, sollten doch je sechs Bands in der Markthalle und im Marx spielen, deren Spielzeiten sich jedoch zum Teil arg zu überlappen drohten, ja identisch waren.

Somit freue ich mich, dass Jan von SKARDUS mitschreibt, der z.T. ganz andere Bands als ich gesehen hat. Unser rasender Scharfschütze Jan ML ist außerdem stetig zwischen den Bühnen hin- und hergewieselt und hat fleißig geknipst. Ich habe mich in der Regel für den gesamten Auftritt einer Band entschieden, da ich das immer wie ‘nen Coitus Interruptus empfinde, mittendrin einfach abzuhauen.

                            

                                      (Attic)

Bericht von Jan und Philipp, Fotos von Jan ML

 

 

OBELYSKKH

         

Jan: Im MarX eröffnete die Doom Metal Front den Abend. Obelyskkh spielten rockig bis kraftvollen Doom/Stoner. Bratende Gitarren gepaart mit mal klarem, mal mit Kreischgesang sorgten für die ersten nickenden Köpfe. Den Vogel schossen die Nürnberger nach dem letzten Song ab, als der Trommler über sein Set divte und der Gitarrist seine Klampfe in handliche Einzelteile zerlegte. Der Abend konnte nach einem solchen Start nur gut werden. Insgesamt eine solide Vorstellung.

 

 

SCREAMER

         

Philipp: Erste Station SCREAMER. Verblüffend, dass die Schweden bereits derart früh auf die Bühne geschubst wurden, hatten sie doch auf der Tour mit BULLET bereits voll überzeugt und mit „Phoenix“ einen gefeierten zweiten Longplayer rausgehauen. Aber der Mob war bereits heiß und drängte sich zahlreich vor die Bühne, obwohl es gerade mal 17.00 Uhr war. Gleich drei neue Stücke – „Demon Rider“, „No Regrets“ sowie „Slavegrinder“ – wurden uns eingangs entgegengehämmert. Ihr klassischer Heavy Metal mit deutlicher NWoBHM-Schlagseite zündete ohne Umwege – zumal der Sound druckvoll, die Darbietung charismatisch und der Gesang äußerst souverän kamen. Zum Refrain von „Can You Hear Me“, dem ersten älteren Song, reckten sich derart viele Bierbecher, bölkten gleichsam derart viele Kehlen mit, dass den SCREAMER-Jungs das Grinsen nicht mehr aus den Gesichtern wich: „Sometimes life is running just too fast / sometimes life is never meant to last / sometimes the journey ist the goal / I don’t care about my soul / sometimes life is just pure Rock’n’Roll“. Mit den folgenden Krachern „Adrenaline Distractions“, „Far Away“, „Rock Bottom“ (geil!) und „No Sleep“ hielten sie die Stimmung dermaßen am Kochen, dass man mindestens von einem gelungenen Start sprechen musste, einige gar glaubten, die beste Band bereits gesehen zu haben.

                            

 

 

BLACK SHAPE OF NEXUS

Jan: Nach Obelyskkh enterte mit Black Shape of Nexus die zweite Doom/Sludge Band des Abends die Bühne. Um es auf den Punkt zu bringen: Wer nicht weiß, was eine Gitarrenwand ist, soll sich den Bson angucken. Meine Fresse, da blieb kein Stein auf dem anderen: druckvoller Sound und tight gespielt ohne Ende. Der Sänger mit Kehlkopfmikrofon trug seinen Teil zur eigenwilligen Gesamterscheinung bei. Bei der Songauswahl lag der Fokus auf dem aktuellen Album „Negative Black“. Auch hier gab es einen denkwürdigen Abgang: gefühlte fünf Minuten Rückkopplung, Drone und eine Elektrozahnbürste als Ersatz für die Vocals (die Zahnbürste wurde am Ende mit einem eleganten Schwung an die Wand geflankt). Für mich definitiv die beste und intensivste Band des Abends.

 

 

ATTIC

         

Philipp: ATTIC räumten dann wirklich so souverän ab, wie man es bei einer Newcomer-Band selten erlebt. Im Vergleich zum Auftritt auf dem letztjährigen HEADBANGER’S OPEN AIR hat sich die Band nicht nur musikalisch, sondern auch in der Präsentation deutlich gesteigert – offenbar ein Resultat der unlängst absolvierten Tour. Es rumpelte nix mehr, und Meister Cagliostro ist im Bereich des KING DIAMOND/MERCYFUL FATE-Metal langsam aber sicher der Prinz im Ring (der Königstitel ist schließlich vergeben und kann nur vererbt werden. Hmm, ob Cagliostros Mudder mal Urlaub in Dänemark gemacht hat?). Überall auf der Bühne hatte man liebevoll Kerzen(leuchter) drapiert – so klappt’s auch atmosphärisch. Wie sehr sich die einzelnen Bandmitglieder auf der Bühne engagierten, fasste nach der Show Jan ML gekonnt in Worte: „Ich brauchte mich im Fotograben null von der Stelle bewegen – die ATTIC-Typen kamen in Windeseile nacheinander von selbst vors Objektiv geflutscht!“ Schön fand ich, dass die Gitarristen sich dabei auch mal über den Haufen rannten. Ich möchte aber noch explizit darauf hinweisen, wie GEIL die Songs sind. Man erwähnt natürlich in jedem Review den Diamantenkönig als Referenz, aber lässt man mal den Gesang beiseite und konzentriert sich auf die instrumentalen Strukturen, dann fallen durchaus eigene und originelle Elemente auf, z.B. doomige Parts. Ein solch schweres Riff wie bei „Edlyn“ kam jedenfalls live mächtig. Nach den acht eigenen Krachern „The Hidden Grave“, „Funeral In The Woods“, „Join The Coven“, „In The Chapel“, „Satan’s Bride“, „Edlyn“, „The Invocation“ und „The Headless Horseman“ verabschiedeten sich ATTIC mit einer geschmackvoll gewählten (und gelungenen) Coverversion von PENTAGRAMs „Dying World“. Amtlich.

 

 

VENENUM

         

Philipp: Schade, schon hatte ich zwei Bands, die mich eigentlich interessiert hatten, komplett verpasst. Aber auch der dritte Slot der großen Markthalle war für mich Pflicht, hatte ich doch einfach zu viel Gutes von VENENUM gehört. Und WHOA! Was bei VENENUM vor allen Dingen zuerst hervorgehoben werden muss, ist die DÜSTERE und MORBIDE Atmosphäre. Das moderte so richtig aus den Boxen. Die Band überzeugte mit äußerst eigenständigem Songwriting – nicht zu technisch, aber sehr abwechslungsreich. Ich verspürte ab und zu eine Assoziation zu NECROS CHRISTOS, wobei VENENUM im Vergleich mehr Blackened Thrash- und Uffta-AUTOPSY-Einflüsse in ihre Definition von Death Metal einbringen. Wie eine Bekannte mir ins glühende Ohr säuselte: „Da wächst was Großes heran!“ (und JA, sie sprach von der Band). Das Vinyl-Debut wurde natürlich abgeerntet – ich kann nur jedem sich halbwegs angesprochen fühlenden Menschen empfehlen, es mir gleichzutun.

                            

 

 

GOLD

         

Philipp: Von GOLD bekam ich noch einen oder zwei Songs mit – offenbar hatten VENENUM etwas kürzer als 40 Minuten gezockt oder GOLD halt etwas länger. Die Sängerin besaß eine charismatische Präsenz, stimmlich fand ich sie aber gewöhnungsbedüfrtig . Im Vergleich zu THE DEVIL’S BLOOD (GOLD sind ja die neue Band des Ex-Klampfers Thomas Sciarone) empfand ich die Band noch deutlicher im Rock verortet als im Metal. Was nichts Schlechtes sein muss, ich konnte mir aufgrund der Kürze des Eindrucks noch kein abschließendes Urteil bilden. Jan ML schoss mal wieder den Vogel ab: Der hatte für die limitierte Version der GOLD-LP gerade mit der Band um den Preis gefeilscht, als er das Bandbier erblickte: „Also, für den Preis krieg ich dann aber zwei Bier dazu!“ Und diese schamlose Schnorraktion war NATÜRLICH mal wieder von Erfolg gekrönt…

                                                    

 

 

DENIAL OF GOD

         

Philipp: Hm, DENIAL OF GOD konnten mich nicht so recht kicken. War ich nach den bisherigen Highlights bereits übersättigt? Jedenfalls klangen mir die dänischen Horror Metaller etwas zu beliebig, ihr Auftreten zu bemüht mummenschanzig. Ich hörte mir aber auch nur ein, zwei Songs an und switchte in die Markthalle. Andere Besucher_innen waren ziemlich begeistert von DOG.

                            

 

 

ESSENZ

 
                                          

Philipp: ESSENZ gefielen mir zumindest an diesem Abend und in der Hitze des Augenblicks deutlich besser. Bitterböse und schwarz, Songs, die dunkler und tiefer sind als der alte Arsch eines Gorillamännchens. Etwas von derart konsequenter Negativität hab ich seit TRIPTYKON nicht mehr live genossen. ESSENZ verstanden es, ihre Tempotentakel in alle Extreme auszustrecken – Schlürfdoom traf auf Ultragehacke. Da passte „Freezing Moon“ von MAYHEM allein schon thematisch. (Mindestens eine) Platte steht auf der Einkaufsliste…

                            

 

 

DESASTER

         

Philipp: ENDLICH mal wieder DESASTER! Dass sich die Band zumindest hier im Norden derart rar macht, finde ich gerade reizvoll. So war es erst meine dritte DESASTER-Show, obwohl ich die Band seit ihrem Debut mag. Man muss es angesichts dieses Auftritts ganz klar sagen: MEHR METAL GEHT NICHT. Mit unbändiger Spielfreude, heraushängenden Zungen und irre grinsenden Hackfressen rotzten uns die Koblenzer eine gelbe Songbrosche nach der anderen ins Antlitz. Ob „Nekropolis Karthago“, „Satan’s Soldiers Syndicate“, „In A Winter Battle“, „Metalized Blood“ oder „The Splendour Of The Idols“ – die vier Metalschergen Sataniac, Odin, Infernal und Tormentor (dat sind noch innovative Pseudonyme) hatten mich stets headbangend, bierspritzend und mitgröhlend im eisenharten Klammergriff. Was denn so dermaßen geil an der Band sei, fragt ihr? DESASTER haben halt noch das Element in ihrer Musik, was SLAYER nach „Show No Mercy“ abhanden gekommen ist. Klar, es ist Thrash/Death, aber mit deutlich heraustretenden klassischen Metaleinflüssen, die sich in eingängigen Riffs und stimmungsvoller Atmosphäre manifestieren. Dazu bölkte Satanial megabrutal und versprühte pure gute Laune. Sehr sympathisch wie der Satanistenkumpel aus der Eckkneipe und null affektiert kamen auch die Ansagen, in denen die Band einfach nur die Lust am Metal zelebrierte ("Wie sagte Muttern immer - etwas Blasphemie schadet nie!") – symptomatisch für den ganzen Abend eigentlich. Auch DESASTER beendeten ihren Auftritt mit ‘nem Cover – und zwar einer tödlichen Version von KREATORs „Tormentor“.

 

 

SLINGBLADE

         

Philipp: Schade nur, dass sich im Marx SLINGBLADE verzögert hatten, von denen ich nur noch ein paar Songs sehen konnte. Dabei feiere ich deren "The Unpredicted Deeds Of Molly Black"-Album hart ab! Der Schlagzeuger von THE BABOON SHOW, Niclas Svensson, spielt hier übrigens Bass. Die Songs gehen schon auf Platte direkt in die Birne, live konnte man bei den vielen anwesenden Traditionsbangern sofort punkten. Kein Wunder, orientieren sich SLINGBLADE doch songwritingmäßig an ACCEPT, KROKUS, OZZY oder IRON MAIDEN. Nur eben mit weiblicher Stimme. Und Kristina Karlsson machte ihre Sache zwar vergleichsweise zurückhaltend, aber gerade stimmlich vollständig überzeugend. Für viele DIE Überraschung des Festivals. Hier ärgerte mich die Überschneidung am meisten, aber wie ich gerade lese, sind SLINGBLADE soeben fürs ROCK HARD FESTIVAL bestätigt worden. Yeah!

         

 

 

JESS AND THE ANCIENT ONES

Philipp: Auch bei den Finn_innen JATAO konnte ich lediglich kurz reingucken, da WARHAMMER bereits lockten. Die Band baute sich halbkreisförmig hinter der zentral positionierten Sängerin auf. Deren Stimme zog mir dann auch die Schuhe aus – was für ein Organ! Sehr voluminös, warm und eher tief. Ich hatte bisher lediglich Reviews über die Platten der Band gelesen und war dann zwar nicht überrascht ob der stilistischen Ausrichtung – Occult-Rock/Metal – aber doch von der musikalischen Qualität. Wuchtige und ausufernde Klangwelten waberten durch die Markthalle. Wie bei GOLD hab ich aber zu wenig gesehen, um mich differenzierter äußern zu können.

 

 

WARHAMMER

                            

Philipp: Beim Wechsel zum Marx kamen mir die geschätzten Wyrembeks entgegen, welche der Meinung waren, WARHAMMER klängen irgendwie „komisch“. Komisch am Arsch! So gehört dat! Schließlich orientieren sich WARHAMMER strikt am Sound von HELLHAMMER – das muss lo-fi-mäßig krispeln, als ob dir von links und rechts Mülleimerdeckel auf die Ohren gedengelt werden. Volker "Iron Lung" Frerich und seine Death/Doom Brigade konnte ich seit Ewigkeiten nicht mehr live genießen, umso mehr fixte ihr Auftritt mich an. „Total Maniac“, „Remorseless Wargrinder“, „Cruel Transcendency“ etc. sind nun wirklich perfekter Stoff zum Headbangen. Mit BATHORYs „The Return Of Darkness And Evil“ und SODOMs „Outbreak Of Evil“ bewiesen WARHAMMER, dass sie tatsächlich auch andere Bands als HELLHAMMER hören (auf der Bonus-7” zur letzten Platte sind neben dem BATHORY-Cover ja auch "Sphinx" von den „wahren“ POISON und "Poison"  von VENOM). Argh, ein barbarisches Vergnügen! IH!

         

 

Philipp: Das Festival war insgesamt sehr gut besucht, Veranstalter Wolf-Rüdiger Mühlmann vom ROCK HARD (dessen Red. nahezu vollständig vor Ort war) verkündet via Facebook: „Danke an alle Beteiligten für eine rundum gelungene erste Ausgabe von "Hell Over Hammaburg"! Alle Bands waren pünktlich am Start und rund 650 Fans waren durchweg in grandioser Partystimmung und haben unser Festival zu einem echten Happening gemacht! Wir sind noch immer überwältigt vom tollen Feedback und machen uns bereits Gedanken darüber, was beim nächsten Mal besser laufen kann.

Also: Hiermit kündigen wir voller Vorfreude an: "Hell Over Hammaburg II" findet am Samstag, 15. März 2014, statt!

Wir werden die Auftrittszeiten "Markthalle" und "Marx" weitgehend entzerren, so dass ihr noch besser die Möglichkeit haben werdet, möglichst viele Shows sehen zu können.
Freut euch auf einen der ultrararen Auftritte von Deutschlands Epic Metal-Göttern ATLANTEAN KODEX sowie auf eine weitere Absturznacht with the one and only DJ Krugi !!!
Weitere Bands werden im Laufe des Jahres bekannt gegeben!“

 

Na, bis denn dann.

 

Kommentare   

+1 #5 Philipp 2013-04-28 15:37
HAMMER!
Zitieren
+1 #4 JanML 2013-04-27 23:43 Zitieren
+2 #3 Gerrit 2013-03-09 10:34
Waren auch erst bei Denial Of God in der Halle, sind dann aber nach ca 3 Songs rüber zu Essenz und, ALTER, das war die richtige Entscheidung! Hatte vorher noch nichts von dennen gehört, haben mich aber schon nach kurzer Zeit absolut überzeugt. Erinnern mich passagenweise sehr an Winter!!! Hammer
Zitieren
+2 #2 Philipp 2013-03-08 23:04
Ja, schade, dass ich von DENIAL OF GOD (und anderen) nicht mehr sehen konnte. Vielleicht kommentiert der eine oder andere noch? Find ich begrüßenswert, dass im nächsten Jahr entzerrt werden soll. Und ja - ATLANTEAN KODEX knüpfen qualitativ gut ans diesjährige Billing an.
Zitieren
+3 #1 MetalSon 2013-03-08 22:58
Super Bericht! Sehr gut, dass Jan auch ein paar Eindrücke geschildert hat.
BSON und Denial Of God haben mich am meisten interessiert, bei den anderen Bands weiß man ja wenigstens ungefähr was einen erwartet.

Super, dass Du das Schreiben dann für mich übernommen hast.
Vielen Dank!

Nächstes Mal kommt mir hoffentlich nichts dazwischen.
Atlantean Kodex ist schonmal ein sehr guter Anfang.
Zitieren

Kommentar schreiben


Sicherheitscode
Aktualisieren

Stern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktiv