THE TRANSPLANTS - "In A Warzone" (Epitaph Records)

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Die 1998 ursprünglich als RANCID-Sideproject von Tim Armstrong gegründete kalifornische Band dürfte mit Sicherheit nicht Jedermanns Sache sein: Im Selbstverständnis zwar eine Punkband, mixt das Trio aber schon seit Gründung vor allem Rap/Hip Hop Elemente in ihre Arrangements sowie Anleihen aus Dub, Reggea, Dancehall, Drum&Bass und nicht zuletzt auch Country. Als Referenz werden gerne Vergleiche zu den frühen THE CLASH oder auch THE BEASTIE BOYS bemüht, dennoch bleibt der Sound der TRANSPLANTS sehr eigenständig. Die genannte musikalische Mixtur kann daher durch und durch als eine Art Alleinstellungsmerkmal klassifiziert werden, zumindest ist mir nichts bekannt, was irgendwie vergleichbar wäre. In ihrer Selbsteinschätzung als Punkband hat die Gruppe insofern Recht, als dass die (musikalische) Regellosigkeit und die damit einhergehende Grundattitüde ("I don't give a fuck, 'cause that's my motto!") mit Hörgewohnheiten bricht und den Zuhörer so durchaus fordert - vielleicht mehr, als ein übliches DIY-Crust-Core-No-Commerce-Outfit.

Cover

 

 

Was die Musik abseits des üblichen Punkpublikums aber (vor allem) für Rap-Fans interessant macht, sind die eher im  Hip Hop üblichen Verwendungen von (Piano-)Loops, vielschichtigeren Reim-Strukturen, Hooks und ausgefallenen Beats, für die sich Travis Barker (Blink 182, Boxcar Racer, Plus 44, Aquabats, Expensive Taste) verantwortlich zeigt. Der Drummer kam tatsächlich als letzter zur Band und machte aus dem bis zum den Zeitpunkt aus Rob Aston und Armstrong bestehenden Projekt das Trio, das so ohne personelle Veränderung bis heute Bestand hat. 2002 veröffentlichten die TRANSPLANTS ihr selbstbetiteltes Debut. Da im Vorfeld nichts über die Gruppe bekanntgebeben worden war, rechnete das Publikum aufgrund der hohen Bekannheit von Barker und Armstrong mit einer Mischung aus Pop- (Blink 182) und Streetpunk (Rancid), umso kontroverser wurde die Platte, die weder mit der einen noch der anderen Band wirklich vergleichbar ist, aufgenommen. Als Singles wurden die Songs "Diamonds&Guns" und "Dj, Dj" ausgekoppelt, wobei erstgenannter bis heute den größten (eigentlich einzigen) Hit der Band darstellt. 2005 veröffentlichte die Band nach einer ausgedehnten Tour (unter anderem Auftritte mit SNOOP DOG) ihre zweite LP: "Haunted Cities". Diese fällt im Vergleich zum - vor allem spannenden - Debut deutlich ab, ist aber trotzallem eine überdurchschnittliche Platte. Weniger experimentell, dafür deutlich klassischem Rap näher, liegt die Stärke dieses Releases besonders in den Feature-Parts (z.B. CYPRESS HILL und BOOYA TRIBE). Kurz darauf löste die Gruppe sich im Streit auf: Rob Aston widmete sich seiner Solo-Rapkarriere (die nie wirklich zündete) und Travis Barker verdiente weiter Geld. Tim Armstrong produzierte zwei weitere RANCID- und ein Soloalbum. Treibende Kraft hinter der Reunion 2009 war Travis Barker, der nach seinem Beinahe-Tod im Zuge eines Flugzeugabsturzes noch am Krankenbett Aston und Armstrong versöhnte und in die Pflicht nahm, an neuen Songs zu arbeiten. Für Barkers Solo-Album "Give The Drummer Some" wurde als erstes Lebenszeichen der neu formierten Band der Song "Saturday Night" produziert, mit SLASH von GUNS&ROSES als Feature-Gast an der Gitarre. 2013 folgte schließlich die LP "In A Warzone", erschienen über EPITAPH. http://www.epitaph.com/artists/artist/109

 

Da Reunion-Platten in der Regel ziemlicher Schrott sind, war meine Erwartungshaltung zugegebenermaßen nicht sonderlich hoch. Problematisch ist mit Sicherheit auch, dass die zwei ersten Platten zwar mit viel Wortwitz und muskalischen Zitaten gespickt sind, aber textlich nicht unbedingt durch Tiefgang bestechen: Catchy Party-Musik passt natürlich zu dem kalifornischen Lebensgefühl der Bandmitglieder, nur können sich derartige Ergüsse bei Mittvierzigern schnell in peinliche Midlife-Crises verdächtige Eskapaden verwandeln, die höchstens catchy Fremdscham erzeugen. Im Vorfeld wurde die Platte als "deutlich politischer als die Vorgänger" beworben, was ich eher als Drohung empfand - denn auch das ist viel zu oft peinliche Scheisse.

Die Aufmachung ist schon mal ärgerlich: Kein Text-Blatt liegt bei und die Verklebung des Papp-Covers ist ist schlampig. Das Vinyl ist zudem schlecht ausgeschnitten und "flust". Ich weiss nicht, ob das der Band anzukreiden ist, vermutlich eher EPITAPH ... Sollte man bei der nächsten Intervention gegen das Label auf jeden Fall auf der Liste ergänzen (siehe: http://noisey.vice.com/blog/epitaph-records-this-is-an-intervention).

Der erste Track der A-Seite wurde bereits als Pre-Single releast: "In A Warzone", der titelgebende Track der LP, erinnert stark an die RANCID s/t von 2000. Ein kurzer, ziemlich krachiger Einstand, der gerade in textlicher Hinsicht datauf hinweist, was einen in den folgenden Songs blühen wird: "This country is at war!". "See It To Believe It" nimmt im Anschluss das Tempo merkbar raus, textlich wird die amerikanische Schizophrenie thematisiert: Das soziale Elend der unteren Schichten wächst, ganze Stadtviertel gehen vor die Hunde ("... they're burnin' our schools"), während riesige Summen ins Militär fließen. Erfrischend das darauf folgende "Back To You", das erstmalig das klassische TRANSPLANTS-Feeling erzeugt. Der stärkste Song der Platte, der alles hat, was die TRANSPLANTS am besten können: Vor allem ... nun ja ... catchy Meldodien. Textlich eher persönlich, gefällt mir die Nummer im Vergleich deutlich besser. Überragend hier die Brake-Parts von Barker. Glücklicherweise geht es mit "Come Around" in eine ähnliche Richtung, hier wird überdeutlich in SOCIAL-DISTORTION-Gewässern gefischt. Ein Gute-Laune-Stampfer der besseren Sorte: "All I know is what I know and I hope some day we'll meet again". Ab hier fängt die Platte an, Spaß zu machen, "Something's Different" (Feat. Bun B und Equipto) erinnert an die besten Momente von "Haunted Cities" und ist der erste reine Raptrack der Platte. Textlich ein schöner, für die Band an sich üblicher "Representer", der vor allem eins ist: Prollig. Gefällt mir sehr gut!
 
Anschließend beginnt die Platte leider etwas zu schwächeln. "Any Of Them" ist eine recht durchschnittliche Punk-Nummer und eine Abrechnung mit der Obama-Regierung. Weder textlich noch musikalisch eine Erfüllung. Für eine Supergroup wie die TRANSPLANTS ist das zu wenig, für andere Bands durchaus eine A-Seite. "Silence" schlägt in eine ähnliche Kerbe, besticht aber durch einen Killer-Refrain und gehört somit, was die reinen Punktracks angeht, zu den besseren Momenten der LP. Ab "All Over Again" wird es dann etwas ermüdend, ganz einfach, weil die mit den letzten Songs gestiegene Erwartung an die Band ab hier nicht mehr gehalten werden kann. Auf beiden Vorgänger-Alben hat sich nahezu jeder Song von dem vorhergegangen unterschieden, hier jetzt aber drei sehr ähnlich aufgebaute Up-Tempo-Songs hintereinander zu setzen, ist - wie gesagt - gemessen an dem, die Band sonst ausmachenden, kreativen Potential einfach zu dünn. Etwas versöhnlich stimmt den Hörer das mit Drum&Bass-Anleihen beginnende "It's A Problem", das zumindest nicht stört, aber auch weit unter der Klasse der Band zurückbleibt. Hervorzuheben bleiben auch hier Barkers Drums und Feature Gast Paul Wall, der eine sehr gute Strophe beisteuert.

"Completely Detach" erinnert an Astons eigene Hardcore Band (DEATH MARCH), zitiert wird AMEBIX: "No Masters, no gods, only bastards and bombs". Das darauf folgende "Gravestones and Burial Plots" bedient sich einer klassischen DISCHARGE-Rhetorik ("Fight back!") und wettert gegen Kriegstreiber und Politiker im Generellen.
Kann man machen, ... aber: Wo sind die cheesy und strandverliebten TRANSPLANTS geblieben? Ist vielleicht doch noch 'ne schöne Piaono-Loop drin?
Nein. Auch der letzte Song der Platte "Exit The Wasteland" ist ein wütender Smasher von knapp 2 Minuten. Die Band fragt sich, wie Kalifornien von einem "Garden of Eden" ein ein "Wasteland" verwandelt werden konnte. Die Städte sind versifft, die Luft verpestet. Was Barker und Armstrong da selber mit ihren Caddilacs zu beitragen, lässt man lieber unerwähnt.

FAZIT: Eine insofern konsequente Scheibe, als dass die TRANSPLANTS mal wieder etwas abliefern, womit so keiner gerechnet hätte. Ansonsten ist die LP phasenweise, besonders gegen Ende, erstaunlich uninspiriert. Bei mehrmaligem Hören gewinnt die Platte durchaus, dennoch kommt man - auch als Fan - nicht umhin, "In A Warzone" als das zu sehen, was es ist: Das eindeutig schwächste TRANSPLANTS Album. Weder gelingt der Anschluss an "Haunted Cities", noch wird zu irgendeinem Zeitpunkt die Klasse des Debuts erreicht. Schade! Unterm Strich bleibt dennoch eine solide Platte, die bei einem anderen Background eine duruchaus höhere Wertung verdient hätte. Gemessen daran, dass es aber nunmal die TRANSPLANTS sind und diese sich die Messlatte selbst mit ihren vorhergegangen Releases hochgesetzt haben, bleibt es bei 6/10.

Anspiel-Tips:

http://www.youtube.com/watch?v=vKcO2oTrHEU

http://www.youtube.com/watch?v=61LMS0TInqA

Kommentare   

+1 #2 Henning_Münster 2013-08-12 15:28
hehehe! ulf, ich glaube, wir sind uns da ganz einig. es ist eine gute platte, und ich habe versucht, sie etwas ins verhältnis zum restlichen schaffen der band (nebst umfeld, also die anderen bands aus den armstrong/barker/aston-kreisen) zu setzen - und da fällt sie schon etwas ab.

also, auch wenn es sich mitunter etwas anders lesen sollte: die platte ist meiner meinung nach auf jeden fall ein guter kauf!
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+2 #1 El Bastardo 2013-08-12 15:10
ja, die gedanken von henning gingen mir teilweise auch durch den kopf. aber auch wenn die scheibe relativ schwach ist verglichen mit ihren vorgängern, ist sie dennoch absolut betrachtet gut gelungen.
bloß weil die vorgängerplatten abwechslungsreicher oder tiefsinniger oder mehr californian-pool-party waren, heißt es ja nicht, dass die songs derbe low sind. hätte ne andere band, die platte rausgebracht, wäre die bewertung wohl etwas besser ausgefallen. aber klar ist es ok, die platte im kontext der band und ihrem potential zu bewerten.
was ich eigentlich sagen will! ich kann das album rauf und runter hören und es flasht mich doch sehr an, auch wenn es etwas "anders" ist. es bringt einfach spaß es zu hören! ;) mein fazit: der fun- faktor stimmt!
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