DEEP PURPLE, RIVAL SONS / 23.11.2015 – Hamburg, Barclaycard Arena

0 Dislike0

Born too late. Zumindest um die frühe, wilde Phase der DEEP-PURPLE-Besetzungen Mk I/II selbst live erlebt zu haben. Aber: „Perfect Strangers“, das Album der wiedervereinigten Mk II-Besetzung, war mein Ding. Und ich erzähl euch gern von 1984: Man ist generell zu Wom gelatscht, um sich die Platten dort per Kopfhörer anzuhören (und sie bei Gefallen natürlich in einem coolen Plattenladen zu kaufen). Ich steh also regelrecht an in einer Schlange Neugieriger. Der Typ vor mir, ein bärtiger Bilderbuch-Hippie, lauscht das Ding konzentriert durch und übergibt mir die Kopfhörer selig lächelnd und mit den Worten: „Als wären sie nie weg gewesen!“ Recht hatte der Freak. In den folgenden Jahren reiste ich kreuz und quer durch die Republik, um mir die Band immer wieder live reinzuziehen. Magische Konzerte. Mit „The House Of Blue Light“ folgte aber eine ziemliche Ernüchterung und bis 2013 sollte kein neuer Tonträger der Band mehr in meine Sammlung einziehen. Doch der Wacken-Auftritt 2013 und endgültig das „Now What?!“-Album entzünden die Flamme wieder!




Über den Namen „Barclaycard Arena“ hat man hier anlässlich eines anderen Berichts schon geschmunzelt. Es handelt sich um die vorherige „O2 World“, deren Name offenbar in einem hostile takeover verscherbelt wurde. Ein Konsumtempel, wie er im Buche steht. Man kann das kreisförmige Ding umwandern und da eine Wurstbude auf die andere folgt, weiß man irgendwann gar nicht mehr, ob schon die nächste Runde begonnen hat. Um mich herum fressen gefühlt ALLE. Ich hab zwar keinen Hunger, hole mir aber schließlich stumpf auch was. Nachos mit Käsesoße, irgendwo zwischen eklig und geil. Das Bier ist mit fast 5,- Euro abartig teuer, etwas reinzuschmuggeln dürfte ans Unmögliche grenzen (obwohl ich schon Holstendosen an Stellen versteckt habe, an die niemals ein Lichtstrahl gedrungen ist, aber lassen wir das). Aber eins muss man sagen: Wenn das Hallenlicht ausgeht, ist das alles auch egal. Sound,- Licht- und Sichtverhältnisse sind einfach verdammt gut. Bei aller Verklärung von Achtziger-Konzerten entsprechender Größenordnung muss ja doch gesagt werden, dass man damals häufig schrottigen Sound hatte, eigentlich gar nichts sehen konnte, man zwischen schwitzenden und stinkenden Asis eingekeilt war und obendrein bei Pech auch ab und zu aufs Maul bekommen hat. War natürlich trotzdem geil…


Huch, warum hat mir noch keine_r erzählt, wie GUT die RIVAL SONS sind? Ich hatte den Namen natürlich hier und da gelesen und sie gedanklich korrekt unter Classic Rock einsortiert, aber nie bewusst einen Ton der Kalifornier gehört. Better late than never! Zunächst beeindruckt die Stimme von Jay Buchanan, der wie ein junger Robert Plant klingt. Der Kerl hängt sich richtig rein, wirft sich auf den Boden und singt, röhrt und schreit sich die Seele heraus. Damn, das macht Spaß! Die Band punktet mit perfekt zur Hauptband passenden schweren Orgel-Attacken und BLACK-SABBATH-Riffs. Ein wenig Blues dazu, eine psychedelische Prise ebenso und du hast eine wirkungsvolle Mischung. Es fehlen vielleicht nur die ganz großen Hits und Melodien, aber ich höre die Songs auch zum ersten Mal und muss mir das unbedingt genauer gönnen. Immer erfreulich, wenn einem nicht einfach irgendein Rotz als „Vorband“ vorgesetzt wird, der weder qualitativ noch stilistisch passt!


DEEP PURPLE gehen einfach auf die Bühne und rocken. Keine Gimmicks, keine Show. Aber was bei KISS ein großer Spaß ist, wäre hier auch überflüssig: Das Eröffnungsdoppel „Highway Star“ und „Bloodsucker“ zwingt die recht gut gefüllte Halle (6000 Nasen liest man später in der Presse) in die Knie oder vielmehr die bisher Sitzenden in aufrechte Position. Dazu MUSS man headbangen, sind diese Songs doch so nah am Heavy Metal, wie es bei PURPLE nur geht. Mit „Hard Lovin‘ Man“ und „Strange Kind Of Woman“ wühlt man weiter in der Schatztruhe alter Klassiker und zeigt sich dabei detailverliebt und voller spielerischer Laune. Alle fünf strahlen Leidenschaft und Bock aus, denn wie man auf den Leinwänden gut nachvollziehen kann, ist eigentlich mindestens ein Bandmitglied immer am Grinsen. So sieht jedenfalls keine Pflichterfüllung aus. Über Roger Glover und Ian Paice noch Worte zu verlieren, wäre fast albern, es macht wirklich Freude, denen beim Zaubern zuzusehen. Ian Gillan, mittlerweile natürlich amtlich ergraut und bewegungstechnisch eher im tapsigen Tanzbärenmodus, überzeugt ebenfalls, da auf ganz hohes Gejaule a la „Child In Time“ eh verzichtet wird. Aber auch er wird gefordert und begeistert in mittleren Lagen, dazu obendrein mit längeren und aggressiveren Screams. Mittlerweile als genialer Gitarrist mit eigener, sehr warmer Note anerkannt: Steve Morse. Er hat übrigens in meinen Augen etwas mit Don Airey gemeinsam: Beide verneigen sich tief vor ihren Vorgängern, spielen charismatische Soli exakt nach, variieren aber an passenden Stellen geschickt und fügen dem Gesamtbild so einen eigenen Touch hinzu. Bei Don Airey würde ich sogar sagen, dass er trotz seiner Leistungen bei BLACK SABBATH, OZZY OSBOURNE etc. erst jetzt so richtig aufblüht und zeigen kann, was in ihm steckt. Das wird heute besonders bei „Vincent Price“ mit horrorfilmartigen Orgelabfahrten deutlich, aber auch bei der Gänsehauthommage an Jon Lord, „Uncommon Man“. DEEP PURPLE belassen es nicht bei den ganz offensichtlichen Klassikern, sondern überraschen mit dem bereits erwähnten „Bloodsucker“, und auch „Demon’s Eye“ oder „The Mule“ hätte ich nicht 100%ig erwartet. Trotzdem gehören gerade einige „Standards“ unbedingt zu den emotionalen Highlights, „Lazy“ ertönt in einer grandios chilligen Version, „Space Truckin‘“ hat richtig Dampf und mit „Perfect Strangers“ verbinde ich zahllose Erinnerungen. Eigentlich darf man hier keinen Ton verpassen, aber angesichts der Spieldauer muss man halt mal pullern gehen. Daher fällt mir als Randbeobachtung auf, dass während des Konzerts wirklich NIEMAND auf den Gängen rumlungert. Find ich gut, zumal das Publikum extrem gemischt erscheint – vom Kuttenträger bis zur Großfamilie feiern alle die Musik.
Ich hoffe, dass uns die Band in dieser Qualität noch etliche Jahre erhalten bleibt!

Setlist:

  • Highway Star
  • Bloodsucker
  • Hard Lovin‘ Man
  • Strange Kind Of Woman
  • Vincent Price
  • Solo Steve Morse
  • Uncommon Man
  • The Well-Dressed Guitar
  • The Mule
  • Lazy
  • Demon’s Eye
  • Hell To Pay
  • Don Airey Solo
  • Perfect Strangers
  • Space Truckin’
  • Smoke On The Water
  • Hush
  • Black Night
Stern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktiv