TWIN TEMPLE, HEXVESSEL / 01.02.2020 – Hamburg, Bahnhof Pauli

1 Dislike0

Kürzlich auf der wöchentlichen Redaktionssitzung:

„Jan, guck ma hier: HEXVESSEL in Hamburg. Das könnte unsere Leser*innen interessieren, oder?“

„Unbedingt. Vor allem spielen sie ja mit TWIN TEMPLE. Die haben eine 7“ und ein Album auf RISE ABOVE rausgebracht.“

„Ah, dann kann es sich nur um eine Doomband handeln.“

„Mitnichten. Die zocken DOO-WOP.“

„Doo-Wop auf RISE ABOVE? Was ist denn bei Lee Dorrian los?“

„Nun, es handelt sich um SATANIC DOO-WOP, dessen Ziel die Zerstörung des Patriarchats und die Beseitigung jeglicher Unterdrückung ist.“

„Klingt stimmig. Dann lass mal hin da.“

 

Fotos von Jan ML folgen, sobald Satan will.

 

Mist, HEXVESSEL spielen bereits, als wir hektisch die Stufen hinunter in die Katakomben des Pauli-Bahnhofs stolpern. Zum Glück handelt es sich wohl erst um den zweiten Song, denn danach begrüßt Mat „Kvohst“ McNerney den sehr gut gefüllten Schuppen mit höflichen Worten. Der Sänger, der bekanntlich auch bei GRAVE PLEASURES (Ex-BEASTMILK) trällert, dürfte zufrieden sein, werden HEXVESSEL doch im Grunde seit Jahren vor allem für eine Heavy-Metal-Hörerschaft promotet, dabei könnten sie mit ihrem Psychedelic Forest Folk auch für ganz andere Hörerschaften interessant sein. Und ein bunt gemischteres Publikum als heute habe ich lange nicht gesehen – Headbanger*innen, Punks, Gothics, generell alles da vom schlichten T-Shirt-Träger bis hin zum schwer gestylten Satanisten. Schön auf jeden Fall: HEXVESSEL kommen sehr gut an, Jubel brandet sogar innerhalb der Stücke auf, etwa bei einer besonders gelungenen Geigenattacke. Dabei hat es die Band nicht einfach, der Bassist rückt aufgrund der räumlichen Enge in die zweite Reihe. Ich freue mich, McNerney endlich auch mal mit HEXVESSEL sehen zu können, stehe ich doch sehr auf dessen Stimme und habe die letzten beiden Alben „When We Are Death“ und „All Tree“ rauf- und runtergehört. Davon gibt’s heute ordentich Stoff, zur Freude aller auch das geradezu magische „Cosmic Truth“. Was für schöne Gesangslinien und was für ein herrlicher Refrain! Am Ende jammen Violinist und Gitarrist unter intensivem Blickkontakt und ernten wie die gesamte Band den verdienten Applaus. Grandios!

 

Auch TWIN TEMPLE müssen sehen, wie sie mit der kleinen Bühne klarkommen, schließlich kann eine SATANIC DOO-WOP-Messe wohl schlecht ohne einen angemessenen Altar mit Kelchen, Kerzen etc. stattfinden. Auch für Sidedrops mit umgedrehten Kreuzen bzw. den Initialen der Band muss Platz sein. Dennoch gelingt es, die Backing Band samt Schlagzeug, Orgel, Saxofon und Bass sich derart zu platzieren, um dem Ehepaar Alexandria (v) und Zachary James (g) Raum für ihre Show zu lassen. Zunächst betreten eben diese „Begleitmusiker“ die Bühne, allesamt in schwarzen Anzügen und mit Hüten. Dann schreitet das Ehepaar hinzu und vollführt erst mal rituelle Gesten und diverse schwarzmagische Moves. Mit einem Mal drehen sie die beiden zum Publikum und als wenn ein Schalter umgelegt wird, beginnt die Band zu swingen und zu grooven. Doo-Wop-Soul-Power erfüllt den Bahnhof Pauli, schnell wackeln die ersten Reihen, bald der ganze Saal. Mr. James zaubert exzellente Rock’n’Roll-Licks aus dem Ärmel und performt mit der Eleganz alter Beatgrößen. Natürlich richten sich die Blicke meist auf Mrs. James, die nicht nur ihre soulige Stimme bis zum Maximum ausreizt, sondern einen Knallerspruch nach dem anderen raushaut. „Hamburg, let’s have hex together!“, „Are you in for a satanic singalong?”… Ich höre schon die Unkenrufe, dies sei ja alles nur Klamauk. Doppelt falsch, denn nicht nur überzeugen TWIN TEMPLE mit exzellent gezocktem ‘60s-Rock’n’Roll/Doo-Wop, sondern sie transportieren mit dem Satansquatsch coole Botschaften: „We exalt Lilith as a symbol of equality, independence, self-respect, strength, inquiry and intelligence“ oder „We exalt Lucifer as a symbol of freedom, independence of thought & action, expansion of mind & body, rational inquiry, and rejection of oppressive rule, the status quo and absolutism”. Das schlägt sich u.a. darin nieder, dass eine Freiwillige auf die Bühne gebeten wird und dort nach einer rituellen Fesselung von den Ketten der Ignoranz befreit wird. Hell yeah! Wiederholt sprechen wir der Sängerin nach: „Hail Satan! Hail Beelzebub! Hail Lucifer!“ An Songtiteln höre ich „I Am A Witch“, „Satan’s A Woman“, „Sex Magick“, “I Know How To Hex You” , “Lucifer, My Love” oder “The Devil Didn’t Make Me Do It” heraus. Alle Killer. Um dem Patriarchat endgültig den Todesstoß zu versetzen, muss natürlich Blut fließen, welches Alexandra  James aus einem Kelch trinkt – um es dann meterweit in den Bahnhof zu prusten und zu spucken. Das Resultat: Eine Menschentraube vor dem Merchstand, der nicht nur Tonträger, sondern auch u.a.  Lippenstift, ein satanisches Pamphlet, Buttons, halt "altar & ritual supplies & magickal curios for the Satanist, Occultist, Witch, Pagan and Feminist" feilbietet.

 

HEX THE PATRIARCHY!       

Stern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktiv