NAPALM DEATH, EYEHATEGOD, MISERY INDEX, ROTTEN SOUND, BAT / 08.02.2020 – Hamburg, Grünspan

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Ta Do: So, nun sitz ich hier mit meinem Erdbeermilchshake, leichte Nackenschmerzen, etwas heiser, aber glücklich und lasse diesen geilen Abend nochmal Revue passieren. Das letzte Bild der Unmengen an gestrandeten Plastikbechern am Ufer der Bühne des Grünspans, am Meer der großen Freiheit, im Kopf. was ein Abend!

Philipp: Dieses gelungen zusammengestellte Tourpackage hat nur einen Nachteil: Fünf Bands, von denen man ja auch keine einzige verpassen will, sind fast schon zu viel des Guten! Aber das Konzept der Festivaltour zieht noch immer: Jede der Bands spielt sonst im Hafenklang oder maximal im Knust – heute aber ist das Grünspan ausverkauft und viele, viele Leute suchen noch Karten.

Vor dem Genuss steht aber der (Freizeit-)Stress: Durch eine barmherzige Tat haben wir 45 Minuten verloren und müssen Nerven aus Stahl beweisen, denn unser guter Plan, schön rechtzeitig in der Halle zu stehen, wurde auf diese Weise zerstört. Tatsächlich ist es dann auch so wie gedacht: Statt wie angekündigt (20:00 Uhr) beginnen BAT bereits um 19:20 Uhr. Jan und ich schaffen es gerade noch, unsere Jacken abzugeben und durch geschickte Arbeitsverteilung parallel Bier zu organisieren, da ertönt auch bereits das erste Intro!

 

Ta Do: Nach Überwinden der Warteschlange vor dem ausgeverkauften Konzert stürmten wir voller Vorfreude auf die Bands den Laden. BAT, ROTTEN SOUND, MISERY INDEX, EYEHATEGOD und NAPALM DEATH  - das könnte ein Abriss werden!

Los ging es mit BAT, die uns ganz schön einheizten. ohne Pause oder Ansprachen hämmerten sie von Track zu Track. die Haare des Sängers wehten im Wind des Ventilators und sie hatten richtig Bock! Leider verstand ich kein einziges Wort, was aber von dem geilen Gitarrensound und dem Energie geladenem Auftritt aufgefangen wurde. und ich möchte den wundervollen Schnauzer des Drummers nochmal betonen.

Philipp: Yeah, wobei übrigens leider nicht Felix Griffin (D.R.I.) hinterm Kit sitzt, aber der junge Schnauzerträger mit dem cleveren Pseudonym Chris Charge vertritt den Veteranen kompetent. Ob Griffin nun lediglich für diese Tour nicht dabei ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Das Trio um Ryan Waste (hier am Bass, bei MUNICIPAL WASTE Gitarre) frönt hemmungslos nach vorne gepeitschtem Speed Metal mit der rohen Energie früher MOTÖRHEAD und der Riff-Genialität von EXCITER, MIDNIGHT oder VENOM. Für die Gitarrenarbeit ist Nick Poulus zuständig, der seit 2016 ebenfalls bei MUNICIPAL WASTE zockt. Es mag am Stil liegen oder der Tatsache geschuldet sein, dass BAT eben nur mit einer Gitarre auskommen, aber hier merkt man erst richtig, was für ein geiler Gitarrist das ist! Bei enormer Lautstärke schrauben BAT an unseren Köpfen, wie Ta Do schon sagt, folgt eine Abrissbirne nach der anderen – „Code Rude“, „Long Live The Lewd“, „Wild Fever“, „You Die“, „Rule Of The Beast“, „Cruel Discipline“, „Wings Of Chains“, „Bloodhounds“, „Ritual Fool“, „Total Wreckage“ sowie „BAT“ mitsamt „Kill ‘Em All“-Gedenkriff. Beste Songtitel, muss man auch mal sagen.

 

Ta Do: Weiter ging es mit ROTTEN SOUND, der Laden füllte sich immer mehr. und was soll ich sagen, das war ein ordentliches Brett. Der Sänger erinnerte mich irgendwie an GG Allin, allerdings eher in der angezogenen Schwiegermutterversion.

Philipp: Die finnischen Freaks sind derart aktiv, dass wohl keiner mehr den Überblick über ihre Discografie hat. Am Merch sind schon wieder mindestens zwei Scheiben, die ich noch nicht kenne. Den zahlreichen Grindern im Publikum kommen ROTTEN SOUND gerade recht, trotzdem sparen sich viele offenbar noch ihre Kräfte für später. Dabei sind ROTTEN SOUND im Grindbereich eigentlich weiterhin konkurrenzlos gut (NAPALM DEATH können natürlich schon lange nicht mehr als reine Grindband bezeichnet werden). Wie immer zeigt sich die Mischung aus Präzisionsgeballer (der Schlagzeuger = ein Tier), dem HM2-Gitarrensound und schweren Midtempoparts als höchst effizient. Die Blastbeats kommen vernichtend, dazu growlt Keijo evil like a knife und alles kommt herrlich dreckig rüber.

 

Ta Do: MISERY INDEX bedienten die Massen, war persönlich nicht ganz meins, machte aber trotzdem Spaß. Allerdings: Ich war langsam auch ungeduldig und wollte EYEHATEGOD unbedingt sehen.

Philipp: Erst jetzt explodiert das Publikum in einem großen Massenpit. MISERY INDEX haben mit „Rituals Of Power“ ein weiteres krasses Werk geschaffen und spielen ihre Trümpfe eiskalt aus. Der Schlagzeuger fühlt sich offenbar vom ROTTEN-SOUND-Auftritt angespornt und will dieses Level mindestens halten, was unfasslicherweise auch gelingt. Die Gitarren schmatzen regelrecht aus der PA, sodass auch die melodischen Feinheiten nicht untergehen. Neben der neuen LP stehen „Heirs To Thievery“ und „Traitors“ im Fokus. Das Titelstück der letzteren, „Hammering The Nails“ und „The Great Depression“ sind meine Highlights. Die Wechselkreischgrowls von Jason Netherton und Mark Kloeppel kommen wieder super, da sitzt jeder Akzent und es klingt so derbe angepisst.

 

Ta Do: Und was soll ich sagen, es war großartig. die Stimmung des inzwischen proppevollen Grünspans war genial. Mittlerweile hatte sich ein kleiner, aber feiner Moshpit vorne gegründet. Die Band war ordentlich angeheitert, wie der Sänger, der sich zwischendurch an den Drums wieder zum festeren Stand verhalf, was dem Sound aber nichts abtat. insgesamt war ich definitiv begeistert ein guter Mix aus alten und neuen Tracks und ich liebe Songs, die mit Rückkopplungssolos enden. wo andere sich die Ohren zu halten, bereitet mir das ein oder andere eine Gänsehaut.

Philipp: Ja, auch für mich ein weiterer Höhepunkt (einer von fünf…). „Du kannst mir doch nicht erzählen, dass auch nur einer von denen nüchtern ist!“, höre ich einen Kuttenträger sagen. Es ist offensichtlich, dass vor allem Jimmy Bower und Mike Williams high on fire sind. Die beiden lassen es krachen, strecken den Leuten den Stinkefinger entgegen und freuen sich debil grinsend über ihren Krach. Obwohl es seit sechs Jahren kein neues Album gegeben hat, ist der Status der Band klar gewachsen. Trotzdem sieht man bei diversen Besucher*innen Fragezeichen in den Augen und auch die Behauptung, dass EYEHATEGOD nicht so recht dazupassten, höre ich mehrfach. Ich widerspreche, denn die New Orleans Sludger sind vielleicht nicht so schnell, aber auf jeden Fall so extrem wie jede andere Band heute. Manchmal klingen sie wie eine bekiffte Version von BLACK SABBATH – nee, warte, an dem Vergleich ist irgendetwas komisch… Bester Song im Set: „Sisterfucker“.   

 

Ta Do: Und als Sahnehäubchen zu guter Letzt NAPALM DEATH.

Meine Idee, bloß nach der letzten Band vorne stehen zu bleiben, ging auf. Es wäre wahrscheinlich eh kein Platz gewesen irgendwo hin zu kommen. nun kamen auch die Stagediver vorne an, ob das wohl auch deren Gedanke war…? NAPALM DEATH brettern durch die Tracks. Der Sänger gibt alles, und man merkt einfach, die Bühne gehört ihnen. NAPALM DEATH zündeten jeden Funken Energie, den man noch hatte an, die Securitys versorgten netterweise die vorderen glühenden Reihen mit Wasser.

Philipp: Es bleibt zwar dabei, dass BAT mich heute am stärksten geflasht haben, aber auch NAPALM DEATH begeistern. Einzige, sich mit jedem Gig vermehrende Sorge: Was ist denn bloß mit Mitch Harris? Seit Jahren ersetzt ihn nun schon John Cooke. Immerhin gibt es heute eine neue 7“, auf der ein Song von Harris, der andere von Cooke eingespielt wurde. Aber es bleibt unklar, ob Harris auf unbestimmte Zeit nicht touren kann, auf allen Seiten wird er weiterhin als Gitarrist gelistet. Nun, aber Cooke hat alle Feinheiten des Spiels adaptiert und spielt neben den Brachialriffs auch die dissonanten Akzente in Songs wie „Smash A Single Digit“ oder „Diktat“. Barney stolpert kultig über die Bühne, geht auf Zwischenrufer ein und erklärt auf sympathisch unprätentiöse Art etwas zu den Songtexten. „Silence Is Deafening“, „Can’t Pay, Won’t Play“ oder „You Suffer“ sind in der Hinsicht ja schon selbsterklärend. Neben „Nazi Punks Fuck Off“ gibt’s ganz am Schluss noch ein weiteres Cover, und zwar „White Kross“ von SONIC YOUTH, das Barney zum Teil mit seiner klaren „Indie“-Stimme singt, voll gut (auch auf der 7“). Den größten Pit lösen na klar Klassiker wie „Suffer The Children“, „Scum“, „Mass Appeal Madness“, „Silence Is Deafening“ (ugh!), „Human Garbage“, „Unchallenged Hate“ und „Social Sterility“ aus. Nach 23 Songs kann klar gesagt werden, dass NAPALM DEATH auch heute keinen Eierschaukelauftritt gespielt haben. Die Band verlässt durchgeschwitzt die Bühne, der Mob sieht ähnlich aus, zumal überdurchschnittlich viel mit Bier herumgesudelt wurde (und das bei den Preisen!), ich hab drei fast volle Becher auf den Kopf und mitten ins Gesicht bekommen, irgendwie schön…

 

Ta Do: Und dann war auch irgendwann Ende. Die Füße schmerzten, man schleppte sich dann müde, aber glücklich in die unendlich! lange Garderobenschlange, die sich im Zeitlupentempo Stufe um Stufe die Treppe hoch arbeitete.
Von oben betrachtet werfe ich nochmal einen Blick auf die Bühne, die wie eine Insel im Meer der leeren Plastikbecher schwimmt. War das ein großartiger Abend!

Kommentare   

+1 #3 Philipp 2020-02-10 13:47
Oha! Gut, dass ich es nur hier im Bericht verwechselt habe...
Danke, ist korrigiert.
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0 #2 Ingo.K 2020-02-10 12:22
Lieber Philipp, ich habe die gleichen Bands am gleichen Abend im Grünspan gesehen, in der Großen Freiheit haben Babymetal gespielt...
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+3 #1 Philipp 2020-02-09 20:56
Erster Bericht von Ta Do, die jetzt häufiger mal wat schreiben will. Super, herzlich willkommen!
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