DEVIL‘S DAY OFF, NIGHT LASER / 14.08.2020 – Hamburg, Markthalle

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Philipp: Leuten, die auf die Corona-Pandemie mit dem Satz „die jetzige Situation ist aber auch eine ganz große Chance“ reagieren, wünsche ich mittlerweile lebenslang schales Bier. Chance am Arsch, wer in der Konzertbranche tätig ist, hat auf Jahre so gut wie keine Perspektive.

Das heißt aber nicht, dass es nicht auch kreative Lösungen dafür gäbe, ab und zu überhaupt mal Livemusik zu ermöglichen. Ob diese allerdings auf Dauer ein Überleben dieser Szene garantieren können, muss bezweifelt werden. Bei aller Euphorie über den heutigen Musikgenuss stellt sich doch eher Ernüchterung ein, wenn man überlegt, dass bei diesem Konzept maximal 100 Leute für die Markthalle zugelassen sind. Im Grunde müsste man also die Preise verzehnfachen, um alle Beteiligten anständig bezahlen zu können und dabei rechne ich die in Zukunft wohl deutlich höheren Flugkosten noch gar nicht ein. Heute dürfte also so ziemlich jede*r hier wohl für lau arbeiten, denn der Eintrittspreis beträgt gerade mal 5,- Euro. Danke, Respekt und ausdrücklich nicht schales Bier daher an alle, die den heutigen Abend ermöglichen!  

Torsten: Anfang März 2020: das letzte Konzert vor dem Lockdown für mich. Ort: die Markthalle in Hamburg.

Mitte August 2020: das zweite Konzert nach dem Lockdown für mich. Ort: die Markthalle in Hamburg.

Da schließt sich ein Kreis. Aber genauso treffen sich zwei Welten. Fast wie in einem Science – Fiction – Roman. Die Zeit vor, die Zeit danach. Und nichts ist wie vorher. Zumindest fast nichts ... Gleich geblieben sind der Hunger nach Konzerten, nach Live - Mugge. Der ist mittlerweile zum Heißhunger ausgeartet! Genau wie Bands und Musiker nach Publikum dürsten und Veranstalter nach Aufträgen. Heute Abend kommen alle auf ihre Kosten! Es gibt ein Live – Konzert. Drinnen. In der Markthalle. Da, wo sich üblicherweise hunderte Menschen treffen.

Heute ist alles ein Test. Wie lassen sich Konzerte in Zeiten der Krise veranstalten? Mit enormem Aufwand erstellt die Markthalle ein Konzept, damit endlich wieder ein Konzert stattfinden kann. Und bei gutem Gelingen auch mehr? Sicher ist, das Ding heute ist inflationär. Das wird alleine getragen von Ungeduld und Enthusiasmus von Liebe zur Musik, zum Arbeitsort, zu den Bands und nicht zuletzt zu den Fans. Davon sind heute knapp Einhundert im großen Saal der Markthalle. In entsprechendem Abstand zueinander. Verteilt an Stehtischen. Immer zwei Leute an Einem. Immerhin kann man am Tisch die Maske abnehmen, denn es ist doch recht warm im großen Saal. Alle anderen Erledigungen (Bier holen und wegbringen, Merch abernten) werden natürlich mit Maske gemacht, auf vorgeschriebenen Wegen. Die Markthallen – Mitarbeiter unterstützen an allen Ecken und Enden, weisen auf Richtungspfeile hin oder den nächsten Desinfektionsmittelständer. Alles hart durchgeplant und noch härter (aber mit viel Herz!!!) durchgezogen.

 

DEVILS DAY OFF

Doppelbericht von Torsten und Philipp, Bilder von Torsten

 

Torsten: Pünktlichst um 20 Uhr stürmen NIGHT LASER auf die Bühne und lassen ihrer überschüssigen Energie freien Lauf. So, wie ich es genieße die Markthallenluft zu schnuppern, inhaliert die Band quasi die Bühnenluft. Mit einem fetten Dauergrinsen werden die Fans begrüßt und mit Lust und Freude die ersten Töne gespielt. Das ist ansteckend aber garantiert ohne Virus! Dafür wird man "gelasert" ("Laserhead"). Die Jungs haben sich nicht lumpen lassen und fahren groß auf: die volle Lichtshow wird eingesetzt (nebst selbst mitgebrachten Spots) und Pyros zünden dann und wann. Klamotten werden gewechselt (wobei das kaum ne Rolle spielt, denn irgendwann steht die Band komplett oben ohne da), doch das wichtigste ist die Musik. Diese metallische Schublade ist zwar nicht meine Haupthörquelle, aber trotzdem macht der Glam- & Hair – Metal der vier Hamburger großen Spaß! Das liegt wohl auch daran, daß man wirklich Entzug hat. Und auch wenn man derbere Kaliber vorzieht, darf es auch mal ein saftiger Schuß Melodie sein. NIGHT LASER können sich auf ihre Fans verlassen; die fressen ihnen aus der Hand. Die Animations – und Mitsingspielchen klappen (auch mit bzw. vor dieser sonderbaren Kulisse) sehr gut. Neben allem Spaß wird nicht vergessen, welche Zeiten wir alle grade durchmachen. Frontmann Ben weißt mehr als einmal darauf hin. Umso mehr weiß er, ebenso wie die Band, zu schätzen, dass man hier heute spielen kann. Dabei werden die Akkus ALLER feinstens aufgeladen. Des Dankes Überschwang kennt keine Grenzen und mehr als einmal steht nicht nur die Band gerührt da. Die Spielzeit ist hart getaktet und nach einer Stunde ist unwiederbringlich Schluß. Aber beim nächsten Mal hol ich mir wieder eine schöne Kelle Glam ab. Danke! Geile Show!

Philipp: Ist schon fast witzig: Da wartest du ca. fünf Monate darauf, endlich wieder live durchdrehen zu können und wat ist das erste, was du dann siehst? ‘ne Glamband! Also aus einem Genre, das ich nicht gerade favorisiere. Aber auch wenn die Angriffsfläche, die mir NIGHT LASER für einen saftigen Verriss bieten, riesig ist – ich nutze diese nicht. Klar, Poser-Outfits, dumme Sprüche, süßlicher Gesang, da könnte man jetzt fies werden. Aber die Chuzpe für solch eine Show muss man erst mal haben! Mehr Outfits verschleißt auch ollen Halford nicht während einer Show (apropos ist sogar tatsächlich ein Fransenledermantel mit im Spiel), dazu gibbet Pyros, Mitklatschpassagen und nackte Heldenbrüste. Da gerät so mancher Stehtisch ins Wackeln. Übrigens achten die Markthallenleute strikt auf Einhaltung der Regeln: Zwei Leute dürfen an einem der ca. 40 bis 50 Stehtische stehen, drei nur, wenn sie aus einem Haushalt stammen und wenn sich jemand dazugesellen will, kommt wirklich sofort ein Ordner und sagt sanft Bescheid.

 

NIGHT LASER

 

Torsten: Während der folgenden Umbaupause wird nicht nur die Bühne umgestaltet (alles fix professionell!) sondern auch quasi die komplette Halle desinfiziert. Überall sieht man, wie gesprüht, gewischt und geputzt wird. Und das alles für uns paar Nasen, die Bock auf Live – Mucke haben. Muss ja sein, aber trotzdem Respekt vor so viel Mühe!!!

Philipp: Jo, und ich erlebe zum ersten Mal, wie die Klimaanlage der Markthalle eingeschaltet wird und während Pause unter großem Getöse die Luft auffrischt.

Torsten: Aber auch das Reinigen geht schnell und reibungslos vonstatten, so daß DEVIL'S DAY OFF auch hier sehr pünktlich los rocken können. Ne geile neue Scheibe haben die Fünf letztens rausgebracht. "Stop The Clock" heißt das gute Stück. Und ja, man möchte diese verdammte Clock wirklich fuckin' anhalten. Einfach, damit das hier ewig weitergehen kann! Devil's Day Off starten ihre feine Offensive standesgemäß rockend und trotzdem sympathisch unaufgeregt. "You and I" (dieser Titel ließe sich auch auf Zuschauer und Band übertragen) is'n perfekter Einsteiger. Du weißt gleich, wo's langgeht: 'n büsch'n AC/DC hier, 'n büsch'n KISS – Melodien da, gut abgelagert in 'nem Faß, wo schonmal Punk und Alternative drin war. "Needless To Say", dass das einfach gut ist! DEVIL'S DAY OFF ist wie nach Hause kommen. Also denke ich, während ich hier in der Markthalle stehe, an die Kieler Schaubude, an die Alte Meierei, das Medusa, das Knust, die Pumpe, das Bambi Galore ... weil, alle diese Läden sind "zu Hause"! Da gehört dieser Sound hin, da gehören Leute rein, die Bier trinkend die Rübe schütteln, die Faust in die Luft recken und später glücklich auf der Couch sitzen, weil sie 'ne geile Band gesehen haben! So, wie jetzt DEVIL'S DAY OFF. Das fühlt sich hier drin gut und richtig an, obwohl die Welt draußen eben nicht gut oder richtig läuft. Aber genau deswegen brauchen wir Rock'n'Roll, Metal oder Punk Live gespielt, damit die guten (und wichtigen) Sachen immer die Überhand haben! Ich genieße jeden Ton, jedes Wort, jede gespielte Note. Einfach zu gut, einfach zu schön! Die Band hat Spaß und würde sicher gerne noch weiter spielen. Doch kaum warm gespielt ist auch hier Schluss. Dat olle Zeiteisen zeigt hartnäckig 22 Uhr – Ende der Veranstaltung.

Philipp: Aaaah, DEVIL’S DAY OFF gehören mittlerweile zu den BESTEN Rock’n’Roll-Bands überhaupt! Witzigerweise war ich beim ersten Auftritt, den ich vor 17 Jahren oder so von ihnen gesehen habe, noch gar nicht soo angetan. Aber von VÖ zu VÖ, von Gig zu Gig wurden die Hunde besser! Lässig und bei bestem Sound werden die Kracher der beiden letzten Scheiben dargeboten. Kai schnappt sich immer wieder den Schellenkranz, was der Old-School-Attitüde des Fünfers das letzte I-Tüpfelchen verpasst. Es groovt, schiebt und drückt. Wobei die Lautstärke tatsächlich eher moderat ausfällt. Ob das zum Konzept gehört? Tatsächlich zeichneten sich alle drei bisher von mir erlebten Konzerte unter Coronabedingungen durch eine geringe Lautstärke aus. Denkbar wäre das, zählte es doch zu den früheren Gepflogenheiten, die Regler mit jeder Band weiter aufzureißen, um den Mob weiter zu enthemmen. Und nun soll ja gerade nicht hemmungslos getanzt werden, zu den „zehn Geboten“ der Markthalle zählt sogar explizit das folgende: „Du sollst dich nicht besaufen!“  

 

DEVILS DAY OFFDEVILS DAY OFF

 

Torsten: Das war verdammt geil! Endlich wieder direkt in der Markthalle – mittendrin statt nur dabei. Live – Streaming ist schön und gut. Aber Bands und Publikum leben nun mal in einer Symbiose. Jede(r) braucht den/das Andere(n). Erst mit Publikum wird der Sound voll, erst mit Applaus wird die Stimmung gut, erst die Zugaben machen das Ende gut! Drücken wir uns allen die Daumen, daß es bald wieder normal ist, Konzerte zu besuchen! Rock on!

Vielen Dank an die Markthalle Hamburg die dieses Konzert möglich gemacht! Das lief wirklich super! Gut gemacht!

NIGHT LASER & DEVIL'S DAY OFF – vielen Dank, dass ihr für uns da wart! Unglaublich gut, unglaublich intensiv!

Philipp: So isses! Und dennoch schleicht sich bei aller Freude über das Gewesene immer wieder die bange Frage auf, wann es wieder ohne Auflagen gehen wird. Ich verweise im Geschichtsunterricht ja gern auf die Spanische Grippe, welche ca. 50 Millionen Tote gefordert hat, und die die Menschheit schließlich auch überstanden hat. In dem Sinne: Rock out with your mask on!

 

DEVILS DAY OFFDEVILS DAY OFF

 

 

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