INTO THE CRYPT AT QUAYSIDE DEATH STRIKE / 02.04.2022 – Hamburg, MS Stubnitz

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Sowas liebe ich ja: Dieses Konzert ist ein waschechter Two-In-One-Deal! Denn eigentlich wären es zwei parallele Veranstaltungen mit ähnlicher stilistischer Ausrichtung gewesen, bei denen sich Bambi und Stubnitz gegenseitig das Publikum geklaut hätten. Doch kurzerhand hat man sich zusammengesetzt und einfach EIN fettes Festival mit 15 Bands daraus gemacht. Für 30,- Euro Lärm von 13:00 bis 00:00 Uhr, die ersten 30 Besucher:innen bekommen Freibier und nach 00:00 Uhr gibbet noch After Show Dance. Krass auch, dass die Zeiten von Anfang bis Ende akribisch eingehalten werden und die Bands ohne Überschneidungen in Laderaum 1 und Laderaum 4 spielen. 

Heute passt alles: Die Sonne scheint, ich habe gerade schön in der Plattenkiste abgeerntet, das Freibier schmeckt und die ersten Gäste trudeln ein, darunter viele Bekannte aus Berlin, Hamburg, Kiel. Herrlich! Heftig übrigens, wie sich das Viertel der Hafencity seit meinem letzten Stubnitz-Besuch verändert hat! War 2018 (LIFE OF AGONY) hier noch weitestgehend Niemandsland, stehen nun überall fette Betonklötze, die auch bereits bewohnt sind (unschwer an den gaffenden Balkonfuckern zu erkennen). Auf geht’s also – BREAK A LEG!

 

INTO THE CRYPT AT QUAYSIDE DEATH STRIKE

 

Von den 15 Bands sehe ich zwölf komplett. Ich versuche mich angesichts der Anzahl mal etwas kürzer zu fassen.

 

TORTURE GUT eröffnen den Reigen. Die Ahrensburger hatte ich zuletzt 2019 mit GRUESOME gesehen. Auch heute machen die Jungs Laune, indem sie ihre Art der Animal Liberation zelebrieren: Schweinestall auf, lasst die Viecher frei! Die Shirts der Bandmitglieder (ORIGIN, SUFFOCATION, DYING FETUS) sind ein guter Indikator für den Stil, den sie spielen. Technisch, aber auch fies groovend, ab zu melodisch-unheilige Soli. Die lässigen Ansagen von Sänger Marcus heben die gelöste Stimmung noch zusätzlich. Für die Uhrzeit ist es schon erstaunlich voll und die ersten Pits entstehen auch bereits.

 

Auf Laderaum 1 war ich bisher noch nie. Es befindet sich ein Deck höher und ein ganzes Stück weiter hinten. Man kraxelt heute also ständig die steilen Treppen rauf und runter, ich sehe aber zum Glück keinen Unfall. Die Bands spielen hier im Gegensatz zur großen Bühne des Laderaum 4 Floorshows, der Sound ist durchweg gut und druckvoll. RESTMENSCH sind up next. Auch länger nicht gesehen, aber die Hunde haben nix verlernt! Astreiner Hamburgpunk schüttelt das Boot durch. Ich finde ja, dass Alex die perfekte Stimme für wütenden Punk hat! Das war schon bei NEUE KATASTROPHEN so geil rotzig, angepisst und doch melodisch. Von der LP kommen u.a. „Arsch In Der Hose“, „Die Rampe“ und „Liebesspiel“, gut ist aber auch der „Rummelpunker“ („Ist eigentlich gerade schon wieder Dom?“). Ja, geil.

 

Hui, WRECK aus Gießen langen mal so richtig zu. Übertrieben brutaler Powerviolence / Grind mörtelt mir derart heftig entgegen, dass ich doch glatt vom Stand weg ‘ne Gänsehaut bekomme. Zwei Sänger schreien, brüllen und grunzen infernalisch, der Gitarrist bölkt auch noch rein, sodass mir echt Hören und Sehen vergehen. Leider ohne Bass, weiß auch nicht, warum das bei solchen Bands so häufig vorkommt. Die Leute drehen gut ab, einer wagt gar einen Stagedive, knallt auf den Eisenboden, springt aber gleich wieder in den Pit.

 

TURTLE RAGE bestehen aus lediglich zwei Menschen, nämlich einem Schlagzeuger und einem schreienden Gitarristen. Es gibt Fastcore auf die Mütze. Krach-Kollege Jan beschwert sich nach dem Genuss eines Extrem-Konzertes ja gern mit den Worten: „Leider hat der Drummer nur die Hälfte gespielt.“ Diesen Satz hätte er heute definitiv nicht geäußert, denn die trommelnde Schildkröte spielt unfasslich schnell. Die Berliner halten ihre Songs dann auch genretypisch kurz, keines der Stücke dürfte die Länge einer Minute überschreiten. Ein Wutanfall in Hyperspeed, sehr kurzweilig.

 

INTO THE CRYPT AT QUAYSIDE DEATH STRIKE

 

Zurück auf Laderaum 4: EXTINCTIONIST aus Chemnitz (glaub ich zumindest, ich hab versucht, mir zu jeder Band Notizen auf einen Zettel zu schmieren, aber manchmal kam ich erst nach drei, vier Auftritten dazu und die Ansagen verschwimmen leicht) zocken Brutal Slam Death. Das ist eigentlich weniger meine Baustelle, wird aber durchaus mitreißend dargeboten. Im Publikum sehe ich einen für mich neuen Move: Bei den langsamen Schlürf-Parts begeben sich die Leute in eine Art Slo-Mo Circle Pit und heben in Geißler-Style den Arm, als wollten sie der Person vor sich durch gezieltes Geißeln die Sünde austreiben. Als ich Maddie von meiner Begeisterung berichte, winkt der ab: „Alter Hut, ziehen die Leute auf dem Obscene Extreme seit Jahren so durch.“ Puh, gegen Ende des Auftritts habe ich kleines Hängerchen. Idee: Mal kurz raus an die frische Luft, ‘ne Falafel Bowl fressen und vielleicht mal was Anderes als Bier trinken.

 

Gestärkt und fast platzend vor Energie bin ich zurück in Laderaum 1. PSYCHOTIC MIND BATTLE zocken bereits. „Das ja geil“, denke ich noch, „die klingen ja wie alte INSTINCT OF SURVIVAL!“ Da erkenne ich auch den IOS-Zottel Kalle an Gitarre und Gesang. Was für ein wunderbares Crust-Geballer! Ich muss mich ordentlich durchdrängeln, um etwas sehen zu können, der Raum platzt aus allen Nähten. „Danke an Thorso von Fridays For Future, dass er mich nicht ausgeladen hat!“ = Ansage des Tages. PSYCHOTIC MIND BATTLE dengeln und schieben so richtig, für mich eines der klaren Highlights des Festivals.

 

Als nächstes steht Tech Death auf dem Menu. ORPHALIS kommen aus Dortmund und erinnern mich stilistisch an DEEDS OF FLESH oder ORIGIN. Hier gefällt mir besonders der old-schoolige Ansatz, der in einigen Parts hervortritt. Überzeugend auch Präsenz und Stimme von Chefgrunzer Thomas. Insgesamt hat die Band einige abgefahrene Drum-Patterns am Start und wartet mit fiesen Riffs und präzise gezockten Soli auf. Kannste nichts gegen sagen, trotzdem holen mich die Krustenattacken in Laderaum 1 mehr ab.

 

YACÖPSAE habe ich viel zu lange nicht mehr live gesehen. Das Trio spielt seine Songs ohne jegliche Ansagen herunter. Wieder ist der Raum pickepacke voll und der Schweiß tropft bald von der Decke. Die letzte Platte, die ich mir von der Grind-Institution geholt habe, ist die empfehlenswerte „Gästezimmer“ (Power It Up). In 25 Jahren Bandexistenz (oder sind es bereits 30?) haben YACÖPSAE jedenfalls nichts an Power und Intensität eingebüßt. Unnachahmlich rödelt der Bass, während es der Drummer fertigbringt, bei allem Geballer völlig entspannt zu wirken. Am Ende lässt man sich noch zu einer Zugabe beschnacken, ein Stück von einer ganz neuen 7“, das kaum begonnen schon vorbei ist.

 

Bei PIGHEAD ist der Name Programm – it‘s time for Schweinestall again. Der Sänger ist ein eher zurückhaltender, deswegen gerade sympathischer Typ. Die Tanzfläche ist gut gefüllt und der Mob steigt derbe auf den Sound ein. Witziges Detail: Wenn der Sänger die Titel ansagt, switcht er dabei nicht wie die meisten Kollegen in Growl-Modus, sondern spricht in „normaler“ Stimme weiter, die aber plötzlich völlig unverständliche Worte formt. Wenn ich es richtig deute, geht es um verrottendes Fleisch und böse Chirurgen. Und noch ein Detail: Vor jedem Stück legt sich der Sänger ein Textblatt zurecht. Gut so, hier wird der Job noch ernst genommen!     

 

INTO THE CRYPT AT QUAYSIDE DEATH STRIKE

 

VISIONS OF WAR! Was für ein Hammer! Ein Crustpunk/D-Beat-Genuss in bester E.N.T./DOOM-Tradition. Gezockt von einem Haufen zotteliger Galgenvögel, die ich schon beim ersten Song in mein schmieriges Herz geschlossen hatte. Der Sound rollt in überwältigender Brachialität durch mein Hirn, die Punkerleiber fliegen nur so hin und her. Ein Song wird als Cover von einer Band aus Birmingham angekündigt, „You know it’s from VENOM“, behauptet der „Sänger“, was dann folgt, klingt aber total nach DISCHARGE oder eher GBH (würde auch mit Birmingham hinkommen, VENOM kommen ja aus Newcastle upon Tyne). Anyway, die Belgier transportieren eine geile Fuck-Off-Attitüde. Der D-Beat-Groove kommt unwiderstehlich, überhaupt klingt die Band einfach nur mächtig. Ein weiteres Highlight, vielleicht sogar meine heutige Nr. 1.

 

CARNAL TOMB sind recht kurzfristig für die ursprünglich angesagten DEHUMAN REIGN eingesprungen, die krankheitsbedingt ausfallen. Von den Berlinern habe ich die Split mit GRAVE HAMMER („Sinister Congregation“, ugh!) sowie die „Festering Presence“-EP. Von daher freue ich mich auf eine Schelle Old School Death Metal. Wenn es um Death Metal geht, ist mir dieser Stil deutlich lieber als Slam, Brutal oder Tech Death. Die meist schnellen Songs pegeln sich zwischen Schweden Death Metal und Dutch Death (ASPHYX!) ein, hervorheben möchte ich auch das geil gurgelige Organ von Vokillist Cryptic Tormenter. Begeisternd zudem die melodischen Leads! Top!

 

Mein letztes ACCION MUTANTE-Review hier auf DreMu stammt von 2003, ist also echt fast zwanzig Jahre her. Damals spielten sie mit DRILLER KILLER und BULLSHIT SCIENCE in der Roten Flora (REVIEW). Die Jungs gefielen mir damals sehr, u.a. schrieb ich: „Total cool war der Song ‘Wonderful World‘, wo die Band den bekannten Heuler (ihr wisst schon: ‘I see trees and birds, I see children playing and I think to myself...‘ als Intro von Band einspielen ließ, mit hämischen Gesichtern die Mittelfinger ausstreckte und dann eine ‘eigene‘ Version des Songs rausballerte: ‘I see trees no leafes, black roses too, I see them rotten like me and you, I hear babies cry, I see them die, they got no chance - no chance to survive‘.“ Das gilt zu 100% auch für den heutigen Auftritt, nicht nur ist dieser Song wieder dabei, zudem teilen sich die beiden Sänger Kreischer und Growls und tigern zwischen den pogenden Gestalten hin und her. Richtig geil, UP THE METALPUNX!

 

Tscha, nun ist mein einziger mitgebrachter Notizzettel vollgeschmiert. Also klemme ich mir die drei letzten Bands SLAUGHTERDAY, SUFFERING QUOTA und ESCARNIUM. Wer die noch gesehen hat, möge gern einen Kommentar hinterlassen.

 

Fazit: Ich finde nicht einen Kritikpunkt. Das war ein rundum gelungenes Fest. Meine Highlights: VISIONS OF WAR, PSYCHOTIC MIND BATTLE, ACCION MUTANTE, RESTMENSCH, YACÖPSAE, CARNAL TOMB, TORTURE GUT und WRECK.

Kommentare   

+3 #2 Philipp 2022-04-04 20:38
zitiere Thorso:
Tausend Dank für diese Worte!
Das ehrt uns sehr!
Freibiere auf dem nächsten QSDS sind für dich reserviert!

Cheers Thorso


Das darf ich nicht annehmen, das wäre ja Bestechung!
Ich freu mich, ich habe Durst, bis bald!
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+4 #1 Thorso 2022-04-04 16:10
Tausend Dank für diese Worte!
Das ehrt uns sehr!
Freibiere auf dem nächsten QSDS sind für dich reserviert!

Cheers Thorso
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