KINGS OF THE UNDERGROUND: COBRA SPELL, ENFORCER, PULVER, EVIL INVADERS, BLITZ, AMBUSH, (ACID BLADE) / 14.05.2022 – Hamburg, Bambi Galore & Kultur Palast

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Es mag übertrieben klingen, aber ich hau es mal raus: Dieses Ein-Tages-Festival brachte magische Momente nach Hamburg und ließ die zahlreichen Besucher:innen die Gewissheit spüren, dass Livemusik eben doch möglich ist und dass gerade Heavy Metal eine Zukunft hat.

Denn die sieben Bands, die heute spielen, sind allesamt immer noch recht jung, einen Headliner aus den 80ern gibt’s nicht – und es kommen ca. 600 Leute. Erfreulicherweise gilt dies für die ganze Tour mit immerhin 18 Shows in diversen europäischen Ländern. Überall volle Hütten, das ist dokumentiert auf den Fotos, die Booker Daniel da Silva gepostet hat. Warum klappt es im Falle dieser Tour derart gut, während viele andere Konzerte und Festivals wegen schlechter Vorverkaufszahlen komplett abgesagt werden? Diese Frage treibt mich um, beantworten kann ich sie auch nicht wirklich (Kommentare sind wie immer willkommen). Aber ich tauche ein in die Heavy Metal Heat und schildere, wie ich den Tag erlebt habe.

 

EVIL INVADERS

Bilder von MJ 

 

Leider verpassen wir ACID BLADE komplett, was mich ärgert, da ich deren erstes Tape von 2021 super finde und ordentlich häufig gedudelt habe. Aber die Kombi von zu später Losfahrt, Komplettsperrung aufm Knooper Weg und einem Termin-Abfukk lassen uns locker mit einer Stunde Verzögerung aus Kiel herausrollen. Die Stimmung in unserer Reisegruppe ist dennoch super, immerhin wird es immer realistischer, dass wir zu AMBUSH noch rechtzeitig ankommen werden, da MJ nach der Maxime „pedal to the metal“ fährt. Bei unserer Ankunft erzählt uns Flo, dass ACID BLADE schon gut abgeräumt hätten und die Leute die Dresdner mit Sprechchören abgefeiert hätten.

 

AMBUSHAMBUSH 

 

Nun aber rein, AMBUSH sind bereits im ersten Song! Wir versuchen, jeglichen Begrüßungssmalltalk kurz zu halten, stoppen nur für Bier und drängeln uns in den Kultur Palast. Das Ding ist bereits voll, die Temperatur steigt mit jedem Meter. AMBUSH präsentieren sich in bester Verfassung, die Frisuren sitzen, ebenso die Spandexhosen und die Lederjacken über den wie immer nackten Oberkörpern. Auf ihren bisher drei Longplayern haben die Schweden eine ganze Menge Volltreffer angehäuft. Die Leute schmettern besonders laut bei „Possessed By Evil“, „Firestorm“ und „Hellbiter“ (was für ein grandioser Stampfer!) mit. Ich liebe ja die samtige Stimme Oscar Jacobssons, die mich etwas an J.D. Kimball (R.I.P.!) erinnert. Den wohl beliebtesten AMBUSH-Song widmet die Band dem Nachwuchs: „Natural Born Killers“. Und tatsächlich werden zwei Knirpse in AMBUSH-Shirts auf die Bühne geholt, die fleißig mitbangen. Ob es Kinder von Bandmitgliedern oder von Besucher:innen sind, erfahren wir nicht. Wieder ein super Auftritt von AMBUSH, die mit „Barabbas“ übrigens auch einen ganz neuen Song in der Setlist haben, der demnächst auf einer 7“ auf High Roller erscheint und definitiv auf Augenhöhe mit dem bisherigen Stoff der Band ist.

 

BLITZBLITZ 

 

Angesichts der Menge an Leuten kann eigentlich nicht jede:r Besucher:in in das deutlich kleinere Bambi passen, ein ähnlicher Umstand wie beim HELL OVER HAMMABURG. Irgendwie wird es aber nie zu drängelig, manche bleiben auch draußen zum Sabbeln und Rauchen. BLITZ zeigen sich ein halbes Jahr nach ihrem Debut-Gig an selber Stelle (TRUE THRASH FEST) gesteigert. Das Zusammenspiel ist tighter geworden, sodass Chris, Warp Michi, Hannes und Felix den Mob ordentlich in die Mangel nehmen. Teilweise baut sich eine unfassbare Energie im Bambi auf. Besonders „Curse Of The Witch“ knallt richtig und lädt mit seinem Refrain zum Mitbölken ein. Sehr gut kommt auch wieder das WARLORD-Cover von „Child Of The Damned“, bei dem Warp Michi das Mikro übernimmt. Wer das „Nachtmahr“-Tape in der ersten Auflage bei Dying Victims nicht mehr bekommen hat, erhält demnächst eine zweite Chance: Ironbound Records bringen Ende Mai eine zweite Auflage mit leicht verändertem Artwork heraus (Pre-Order).

 

EVIL INVADERSEVIL INVADERS 

 

Auf EVIL INVADERS bin ich sehr gespannt, haben die belgischen Speed Metal Maniacs mit ihrem neuen Album „Shattering Reflection“ ihren Stil doch deutlich erweitert. Ich bin von der Platte sehr angetan, dürfte also theoretisch vorbereitet sein, werde von dem Auftritt aber dennoch überrollt! Was Joe da abzieht, ist ganz großes Kino! Hat der Kerl früher immer rumgeschrien wie ein Gestörter, gelang ihm in den letzten Jahren eine extreme Weiterentwicklung seiner Stimme. In „Die For Me“ oder „In Deepest Black“ jagen mir die Gesangslinien einen wohligen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Assoziationen zu Blacky Lawless, Jon Oliva und Peavy Wagner kommen mir in den Sinn, völlig irrsinnig, wenn man das mit früher vergleicht! In die Musik ist ein starker Einfluss melodischen Heavy Metals gekommen. Ich fand die Band gerade live immer grandios, hatte aber in jedem Review den Kritikpunkt geäußert, dass zu wenig hängenbleibt. Dass es EVIL INVADERS gelungen ist, im Songwriting derart deutliche Fortschritte zu machen, macht sie zur größten Überraschung des Tages. Gleichzeitig ist natürlich die alte Energie und Wildheit da, die Jungs sind mit dieser Weiterentwicklung keineswegs ausgewimpt (ob es wohl Leute gibt, die bereits in der Richtung meckern?), sondern besitzen weiterhin ihre energische Bühnenpräsenz. Das Publikum gerät in einen Rausch, vorne wirbeln die Körper nur so in Circle Pits herum. Von den ersten Scheiben sind „Tortured By The Beast“ und „Pulses Of Pleasure“ dabei, von der 2016er EP „Raising Hell“ und ansonsten locker vier Songs von „Feed Me Violence“ (geil: „Broken Dreams In Isolation“) und eine Handvoll vom neuen Album (außer den oben genannten brennen sich vor allem „Eternal Darkness“ und „Sledgehammer Justice“ in mein Hirn).

 

PULVERPULVER 

 

Nach dem BLITZ-Gig äußert Jan (Second Bandshirt) euphorisch: „Jetzt hab ich richtig Bock auf Pulver!“ Eine Bekannte entgegnet entschlossen: „Nee, da bin ich seit Jahren raus!“ Kurze irritierte Gesprächspause, bevor alle checken, wer wovon gesprochen hat... PULVER ist die einzige Band des Billings, die ich bisher noch gar nicht kannte. Im Nachhinein ist das verblüffend, denn die Franken haben bereits eine 7“ und eine LP auf Gates Of Hell draußen und sind voll mein Ding. Der oldschoolige Stil klingt wie ganz früher Stoff von IRON MAIDEN, MOTÖRHEAD oder SCORPIONS so 1978 bis 1980, als sich Heavy Metal erst aus Hardrock und Classic Rock herausschälte. PULVER beherrschen diesen Stil erstaunlich gut und profitieren vom vielleicht besten Sound des Tages. Man hört jedes Instrument klar heraus und kann sich über Details beim Drumming oder im Gitarrenspiel freuen. Der Gesang kommt rauh und authentisch. Nach diesem mitreißenden Auftritt gucke ich am Merch vorbei, kann aber nur noch die Single abernten, während alle mitgebrachten Exemplare der LP „Kings Under The Sand“ bereits verkauft wurden. Diese Band wird wohl kein Geheimtipp bleiben.

 

ENFORCEREVIL INVADERS 

 

Aaaah, ENFORCER! Ich muss sagen, dass ich nach „Zenith“ Sorgen hatte, ob die Fans der Band diese kommerziellere Platte verzeihen würden. Aber die gelegentlichen Ausflüge in Glam-Bereiche wurden offenbar nicht nur von mir als Experiment akzeptiert. Live wissen ENFORCER ganz genau, was sie der Meute geben müssen: Nach dem mittlerweile traditionellen PRIEST-Intro versetzen die Schweden die Meute mit dem Triple „Destroyer“, „Undying Evil“ und „From Beyond“ in Ekstase. Gerade „From Beyond“ wird aus allen Kehlen mitgeschmettert, genauso wie Olof Wikstrand es fordert („I wanna hear you shake up the whole european continent“, ähnlich formuliert wie auf der letzten Livescheibe). Von „Zenith“ kommen lediglich die beiden guten Nummern „Die For The Devil“ und „Zenith Of The Black Sun“, ansonsten hagelt es Klassiker. Von „Death Rides This Night“ über „Mesmerized By Fire“ bis zu „Take Me Out Of This Nightmare“ sind diverse Faves am Start. Olof ist gut bei Stimme, die Band wirkt knackig eingespielt und motiviert, was ich auch noch nie anders erlebt habe. Das Beste heben sich die Schweden zum Schluss auf, nämlich „Katana“ und „Midnight Vice“, schön als gefeierte Zugaben. Da gibt’s nichts: ENFORCER bleiben die Speerspitze des NWOTHM, sie haben es einfach drauf, kompakte Songs mit grandiosen Melodien und viel Power zu schreiben. Ich bin gespannte auf das kommende Album, welches mit Sicherheit wieder zackiger ausfallen wird.

 

COBRA SPELLCOBRA SPELL

 

Ein halbes Jahr nach ihrem Auftritt beim DEFENDERS OF THE FAITH-Fest sind COBRA SPELL wieder da. Damals war es ihr allererster Gig, noch mit Alexx von HITTEN am Mikro und Esmée van Sinderen an der (zweiten) Gitarre. Die Band ist eben ganz klar das Baby von Sonia Anubis und wahrscheinlich wird die Besetzung auch in Zukunft immer mal variieren. Mit der Spanierin Kris Vega hat sie erneut eine Wahnsinnsstimme gefunden. Die Frontfrau legt sich voll ins Zeug und schmettert mit einer krassen Range. Als absoluter Hammer erweist sich der Song „Addicted To The Night“, der das Material der auch schon guten Debut-EP noch mal toppt. Damit ist COBRA SPELL eine Hymne mit Suchtwirkung gelungen. Sehr schön gelingt auch das WASP-Cover „Animal (Fuck Like A Beast)“. Die Bühnenkleidung der Band, designt von der Holländerin Bente Nagtegaal, passt konsequent ins Gesamtbild, welches die eher sorglose Seite des 80er (Hair) Metal betont. Wobei man hier keinen Fehler machen sollte, indem man Begriffe wie Hair oder Glam mit mangelnder Qualität gleichsetzt. Sonia und ihre Mitstreiter:innen shreddern vielmehr wie die Besten. Ein herrlicher Abschluss also, auf den noch Auflege-Action von DJ DICKER MANN (happy birthday, Nelson!) folgen soll, was wir aber aus Gründen nicht mehr mitbekommen.

 

Poster 

 

Um zur eingangs gestellten Frage zurückzukommen: Es bleibt prinzipiell eine schwierige Zeit. Die Leute sind vorsichtig beim Kauf von Tickets im VVK, gleichzeitig hoffen Veranstalter auf eine gewisse Sicherheit und reagieren auf niedrige Kartenverkäufe nicht selten mit Absage. Wir sehen am Beispiel des KINGS OF THE UNDERGROUND, dass es aber funktionieren kann. Sicherlich kann man es sich leicht machen und sagen, dass es bei Bands wie ENFORCER, EVIL INVADERS und AMBUSH bereits von Vorneherein sicher gewesen sei, dass die Besucherzahlen gut würden. Trotz guter Werbung, griffigem Tourmotto und ansprechendem Plakat ist aber zurzeit nichts garantiert. Ich denke, dass sowohl Fans als auch Veranstalter ein gewisses Risiko eingehen sollten, um Live-Musik zu unterstützen. Also Karten kaufen, wenn möglich, gleichzeitig aus Veranstaltersicht auch auf die Abendkasse setzen. HEAVY METAL WILL NEVER DIE!

Bewertung: 5 / 5

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