NIGHT, AXYTH / 01.07.2022 – Hamburg, Bambi Galore

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Obwohl NIGHT bereits mit “Gunpowder Treason” 2013 auf ihrem selbstbetitelten Debut einen totalen Volltreffer landeten, fand die Band erst mit ihrem dritten Album „Raft Of This World“ (2017) so richtig zu sich selbst. Ein perfektes Album zwischen Proto Metal und Retro Rock, mit dem die Schweden in meinen Augen qualitativ die Kollegen von DEAD LORD, HORISONT, HÄLLAS oder ROBERT PEHRSSON’S HUMBUCKER ein-, wenn nicht gar überholen konnten. Das bestätigte sich mit Album Numero vier „High Tides – Distant Skies“, erneut ein überirdisch komponiertes und perfekt produziertes Werk.

Dies ist bereits der sechste NIGHT-Livebericht in der DreMu-Datenbank, sind die Jungs mit den Schnurrbärten und den unfasslichen 70er Stiefeletten doch unermüdlich unterwegs – wir berichteten bereits dreimal aus dem Bambi, ließen uns aber auch ihre Festivalgigs auf dem HEADBANGER’S OPEN AIR 2016 und dem HELL OVER HAMMABURG 2015 nicht entgehen. Liest man die Berichte chronologisch hintereinander weg, merkt man eine stetig wachsende Begeisterung für NIGHT. Wird der heutige NIGHT-Stopp im Bambi an diese erfreuliche Entwicklung anknüpfen?

 

NIGHT

Pics von Torsten Matzat 

 

Die Antwort muss noch etwas auf sich warten lassen, sind wir doch recht früh am Bambi und haben nach einem Powershopping in der Plattenkiste den Tresenchef gleich mitgenommen. Es ist zwar nicht gerade übervoll, aber minütlich trudeln Bekannte ein und bereits vor dem Auftritt des Supports herrscht eine typisch bambi-hafte, eben ausgelassene Stimmung.

 

Eine Hamburger Band, die hier niemand kennt? Das ist ungewöhnlich, aber der von einem Kumpel geäußerte Rückschluss, dass AXYTH vielleicht einfach scheiße seien, muss klar zurückgewiesen werden. Mit AXYTH stehen fünf fitte Musiker auf der Bühne. Auf Anhieb gefällt der leicht nach Ian Gillan und Bruce Dickinson klingende Gesang. Leider steckt der Sänger hinter den Keyboards fest, die er ebenfalls bedient. Insgesamt agiert die Band auf der Bühne etwas ungelenk, was besonders im Vergleich zu NIGHT auffällt. Bei schwedischen Bands wird offenbar häufig von Anfang an überlegt, wie man die Musik auch optisch optimal präsentieren kann, während deutsche Musiker:innen sich damit manchmal etwas schwertun. Aber muss ja auch nicht sein, nicht jedem Menschen liegt es, die Rampensau zu spielen und man kann ja auch einfach nur Musik spielen. So machen es AXYTH und ich finde den Auftritt mindestens okay. Klassische 70er Orgelklänge treffen auf interessant gespielte Gitarren und pumpendes Midtempo-Drumming. Von DEEP PURPLE wird „Perfect Strangers“ gecovert, ein wenig Linderung für diejenigen, die den PURPLE-Auftritt im Stadtpark vor ein paar Tagen verpasst haben – sowas soll ja vorgekommen sein… Gute Version, gute Wahl!  

 

NIGHTNIGHT 

 

When The Night Comes Down! Seit dem letzten von mir gesehenen NIGHT-Auftritt gibt es eine personelle Änderung: 2019 stieß Linus Fritzson am Schlagzeug dazu, der auch bei AMBUSH trommelt. Der Kerl ist auf allen AMBUSH-Platten und auf der letzten NIGHT sowie der 7“ „Feeling It Everywhere“ zu hören und passt mit seinem gleichermaßen detailreichen als auch kräftigen Spiel super zur Band. Optisch wirken NIGHT mittlerweile wie eine Einheit, was durch synchrones Gitarrenschwenken und parallele Hinknie-Action noch unterstützt wird. Oskar „Burning Fire“ Andersson (Gesang, Gitarre – seit 2019 übrigens auch Bass bei AMBUSH) darf als uneheliches Kind von Rudolf Schenker und Jörn Rüter durchgehen, Bassist Joseph Max würde zwischen den anderen „Vikings“-Darstellern keineswegs auffallen und dann haben wir noch Sammy „Highway Filip“ Ouirra, den kongenialen Gitarrenpartner von Oskar. Was die beiden Gitarristen an herrlichsten Twin-Leads und sich immer wieder ergänzenden Läufen durch die Boxen perlen lassen, sprengt so manche Hirnkapazität. Die Euphorie lässt die Musikliebhabenden in den ersten Reihen viel zu viel Bier holen und so steht bald nicht nur jede:r Bekannte mit zwei Humpen in der Hand da, auch Wildfremden drücken wir überzähligen Gerstensaft in die Pranken. „Bambi! This is our favourite place in… Billstedt!“ Ähnlich wie bei HÄLLAS neulich sind überdurchschnittlich viele Anwesende sehr textsicher, ich stehe gerade zwischen Dustin und Luke, als NIGHT „Surrender“ anstimmen und beide krähen mir ihre Version der Zeilen „Built to remain, burns down again / Now you’re like ashes in the rain / When time is due, for all of you / This is your time of congregation / All these words filled with lies / In a time when nature cries / Now your ending has begun / The flood turns red / When time has bled / This is the last of generations / Surrender” ins jeweilige Ohr. Hui, ist das noch Stereo oder schon Kakophonie? Der mehrstimmige Gesang von Andersson und Ouirra muss indes als absoluter Wohlklang bezeichnet werden, die beiden ergänzen sich derart gut, dass ihre Stimmen regelrecht verschmelzen. „Hamburg, can you feel it? Can you feel it? Can you feel it everywhere?”, leitet Ouirra das von ihm gesungene “Feeling It Everywhere” ein, welches wie viele NIGHT-Songs einerseits entspannt klingt, andererseits upbeat-getrieben nach vorne geht. Überhaupt erzeugen NIGHT einen magischen Sog, der durch vielerlei Komponenten entsteht. Da sind NWOBHM-Einflüsse, 70er-Pop-Elemente, Classic-Rock, Hardrock und sogar Post-Punk herauszuhören. Aber wer analysiert schon, wenn eine Band so mitreißend aufspielt! Fakt ist, dass bei NIGHT auffallend viele Besucher:innen regelrecht tanzen oder sich mindestens rhythmisch bewegen, sich also nicht auf Headbanging beschränken, wobei ich auch Kombinationen beobachte (und selbst durchführe). Nach vielen Smashern der neuen Platte (u.a. befinden sich "Burning Sky", "Crimson Past" sowie "Under The Moonlight Sky" im Set) schließen NIGHT den Abend mit „Gunpowder Treason“. Die people of rock sind begeistert.

 

NIGHTNIGHT 

 

Insgesamt kann NIGHT eine weitere Steigerung bescheinigt werden. Auweier, wo soll das noch hinführen?  

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