NICK OLIVERI / 16.10.2022 – Kiel, natürlich Schaubude

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Muss man Nick Oliveri überhaupt noch vorstellen? Die Liste der Bands, in der er gespielt hat, ist so lang wie jene mit verlorenen Pferdewetten meiner Tante Frieda. So spielte er unter anderem die ersten beiden Alben (Wretch [eher so mittel] und Blues für the Red Sun [super grandios!]) der legendären Kyuss ein. Danach war er bei der „Rated R“ und der „Songs for the Deaf“ der kommerziell weit erfolgreicheren Queens of the Stone Age nicht nur am Bass aktiv, sondern teilweise auch am Gesang beteiligt. Es folgten Ausflüge mit den Dwarves, die immerhin den Rock´n´Roll erfunden haben und stets jung und gutaussehend waren. Nicht zu vergessen Mondo Generator, die ich komischerweise nur vom Namen her kenne, Vista Chino und neuerdings Stöner. Dazu ungefähr auch noch 1000 andere Projekte, deren Aufzählung hier den Rahmen sprengen würde. Und wo spielt diese Lichtgestalt des Stoner und Dessert Rock am heutigen Abend? Hamburg Volkspark? Berlin Waldbühne? Dortmunder Westfallenhalle? Ok, kleiner Tipp: Es steht schon oben – genau, in die Bude! Unfassbar, oder?

 

NICK OLIVERI

 

Nick Oliveri lungert schon rauchend vor die Bude herum als ich eintreffe und wenig später gesellt er sich auch schon zu unserer kleinen Runde und tauscht mit uns geiles Gesülze aus. Er war noch nie in Kiel, aber das ist ja kein Verbrechen sondern eher ein Zeichen des guten Geschmacks. Weiterhin gibt er einige Drogen Geschichten Preis und erzählt von Scott „Wino“ Weinrich. Dieser würde bei jedem gemeinsamen Treffen kleiner wirken als bei jenem davor, nur die Nase und Ohren würden weiter wachsen. Irgendwie erinnert mich das am meine eingangs erwähnte Verwandte. Egal, Nick ist super drauf aber gefühlt auch nicht mehr ganz nüchtern. Irgendwann verabschiedet er sich dann, verschwindet in die Bude und gefühlte 2 Minuten später geht es los.

Heute steht die Death Acoustic Tour an und wie der Name schon vermuten lässt, ist diese halt akustisch. Ist mal was anderes, wobei ich ehrlich gesagt – außer bei Tori Amos – einem Auftritt mit Band stets den Vorzug geben würde. Spätestens nach 3 Akkorden frage ich mich immer verzweifelt, wann den endlich der bierseelige 4/4 Takt des Schlagzeugs beginnt und ich zu Schunkeln anfangen kann.

Nick kompensiert das fehlende Schlagzeug mit ausgiebigem Stimmeinsatz. Da geht es die Tonleiter in voller Lautstärke rauf und runter und ich glaube, ein Mikrophon wäre heute in dem kleinen Bums gar nicht nötig gewesen. Meistens verharrt er aber in den grummelnden, ächzenden, tiefen Stimmlagen, um dann anschließend explosiv nach oben flirrend auszubrechen. „Rupert hat Petussis!“, erfuhr ich letztens in einem Telefongespräch mit meiner buckligen Verwandtschaft. Rupert ist eine Deutsche bzw. Dänische Dogge und Petussis Keuchhusten. Der Unterschied zwischen einer Dogge und einem kleineren Hund wie z.B. einem Schäferhund ist, dass eine Dogge alle im Umkreis sofort wissen lässt, dass sie krank ist, um so größtmögliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und womöglich ein paar der auf dem Tisch stehenden Choco Crossis abzubekommen. „Krchchch – Krchchch“, hörte ich immer wieder aus dem Hintergrund während unserer Unterhaltung durch die Leitung und fühlte mich vor der Bühne seltsam daran erinnert. Andere Hunderassen behalten nebenbei sowas lieber für sich, da sie nicht aus dem Rudel geworfen werden wollen.

 

NICK OLIVERINICK OLIVERI

 

Zurück zu Herrn Oliveri – dieser spielt geschätzte 20 Lieder und ich erkenne bummelig 3 davon. „Green Machine“ von Kyuss, „Autopilot“ von QotSA und in einer super Version „Endless Vacation“ der Ramones. „Another Lovesong“ – auch ein Qotsa Lied, das bei mir aber wohl in Vergessenheit geraten ist – wird seiner ersten von ihm geschiedenen Frau gewidmet. Er war demnach wohl mehrfach verheiratet und geschieden, aber da dies stets hintereinander erfolgte, würde ich hier nicht von sogenannter „Vielweiberei“ sprechen. „Bloody Hammer“, ein weiterer Cover Song macht Spaß, aber ich kenne das Original nicht. Ein Lied der Band Bl´ast folgt. Bisheriger Meinung aller Experten war, dass dieses HC-Brett nicht akustisch umgesetzt werden kann, aber Nick beweist uns mit hochrotem Kopf und glänzender Stirn das Gegenteil. Das allerletzte Lied des Sets ist zudem akustisch im Quadrat, es wird sogar ohne Gitarre vorgetragen und eine Zugabe gibt es auch noch. Der Gesangsstil wandert während des Sets zum Teil in den Bereich des sogenannten Deep-Throatings über: Hierbei wird das Mikrofon so weit wie möglich eingeführt und verschwindet dadurch fast zur Gänze im feuchten Mundraum. Manche von uns erinnert das sicherlich an etwas anderes: eine Zahnbürste zum Beispiel. Ein oder zwei Verspieler sind auch zu hören, aber dafür, dass Nick „nur“ Basser ist, hat er die 2 Saiten mehr bestens unter Kontrolle.

 

Generell muss man sagen, dass sein Einsatz weit über das Geforderte hinaus geht. Da hilft aber auch der auf einem kleinen Stehtisch wartende Tequila „Jose Cuervo Especial“ nach. Dieser ist eher dem unteren bis mittleren Preissegment zuzuordnen und wird ohne Salz oder Zitrone gekippt – beides verlangen ja auch ansonsten nur Halbstarke, die zudem die Limettenscheibe in der Corona Flasche versenken. Nick bietet auch dem Publikum Kurze an und auf Song Wünsche wird sofern möglich eingegangen. Leider traue ich mich nicht, ihn zu fragen, ob er vielleicht auch „Jolene“ von Dolly Parton covern kann und werde das – wie vieles andere auch – bis an mein Lebensende bereuen. Ein freundliches „Danke sehr“ erklingt nach jedem Applaus und generell ist sich der Amerikaner nicht für einen kurzen Dialog mit dem Publikum zu schade. Super, super sympathischer Auftritt, der damit endet, dass Nick von der Bühne kommt und jedem der vielleicht 30 Zuschauer die Hand schüttelt, Selfies macht, sich umarmen lässt oder sonstige Wünsche erfüllt. Wo hat man das sonst?

 

NICK OLIVERI

 

Ich persönlich hätte mit mehr Publikum bei diesem Namen – ja, diesem Menschen(!) – gerechnet, aber sind halt schwierige Zeiten. Der inzwischen 104-jährige Cris de Burgh spielte auch nur noch vor 1000 in der Ostseehalle (Bericht vom Wolthers Phillip folgt vlt noch) und Tocotronic haben laut Zeitungsberichten ihre komplette Tour wegen schlechtem Vorverkauf abgesagt. „Das Nachtleben brummt und das Publikum sägt zuhause im Bett einen Baum nach dem anderen um“ - las ich letzten in einem Artikel.

 

Vor der Bude erfahre ich, dass die anderen Konzertbesucher weit mehr Lieder als ich gekannt haben. Von GG Allin ist die Rede, einem weiteren Kyuss Lied der Wretch Phase, zwei Lieder eines Dänen, noch etwas von QotSA, etwas von Mondo Generator und noch anderes, aber das habe ich vergessen.

 

Jetzt schnell noch den VVK für Mittwoch und Donnerstag nutzen und dann wieder ab in die Bude!    

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